An diesem Freitag beginnt die Europameisterschaft in Frankreich, aber das ist eigentlich uninteressant. Das spannendste Fußballturnier des Sommers ist ein anderes. Gemeint ist nicht etwa die Copa América Centenario, die Südamerikameisterschaft zum 100-jährigen Jubiläum des Fußballverbands CONMEBOL, die diesmal ausnahmsweise in den USA stattfindet. Nein, die Rede ist von der Fußballweltmeisterschaft der nicht anerkannten Nationen, die gerade in Abchasien stattgefunden hat.
Die kleine Kaukasus-Region am Schwarzen Meer gehört völkerrechtlich zu Georgien, betrachtet sich jedoch als unabhängig. Das erkennt aber leider nur Russland an, plus Nicaragua, Venezuela und die Insel Nauru, die dafür Geld von Russland erhalten. Auch Abchasien ist finanziell abhängig vom großen Nachbarn. Beim georgischen Konflikt mit Russland 2008 tauchte die Region kurz in den Nachrichten auf, seitdem interessiert sich kaum jemand für die 250.000 Einwohner.
Frankreich-Spezial
Wir beschäftigen uns diesmal ausführlich mit Frankreich, dem Gastgeberland der Fußball-EM – aber dabei geht es eben nicht um die altbekannten Klischees der (vermeintlichen) Grande Nation. Mit Reportagen, Essays und Interviews wollen wir das „andere Frankeich“ zeigen. Ein Land zwischen Aufbruch und Aufruhr: Eine Sonderausgabe über unser Nachbarland
Damit sich das ändert, haben die Abchasen – nach der Domino-WM 2011 – zum zweiten Mal ein großes Sportevent ins Land geholt. Na ja, groß ist relativ, an der alternativen Fußball-WM nehmen zwölf Nationen teil, die nicht nur der Fußballweltverband Fifa verschmäht. Die Chagos-Inseln, Kurdistan, Nordzypern, Padanien, Punjab, Raetia, die Samen aus Finnland, Somaliland, Szekler aus Siebenbürgen, die vereinigten Koreaner in Japan und die Westarmenier reisten zum einwöchigen Turnier an. Mein Mitbewohner, ebenfalls Journalist, war gerade da. Er hatte nach seiner Rückkehr viel zu erzählen.
Die offiziell nicht existente, aber schwer bewachte Grenze zu Georgien darf man nur zu Fuß oder auf einem Esel überqueren. Die subtropische Region Abchasien, etwa halb so groß wie Schleswig-Holstein, sähe fast aus wie Kuba, wenn sich hinter den Sowjetbauten nicht ein Bergpanorama emporrecken würde. Trotzdem bekam mein Mitbewohner vom abchasischen Verbandspräsidenten in der Morgenhitze schon Schnaps gereicht. Das Turnier wird vom Weltverband CONIFA veranstaltet, wie schon die erste Alternativ-WM 2014 in Schweden. Die Grafschaft Nizza gewann, die Spieler aus Darfur setzten sich ab.
Die CONIFA ist sozusagen die Anti-Fifa, sie setzt sich für ethisch einwandfreien Fußball und Außenseiter ein. Generalsekretär ist der deutsche Mathematikstudent Sascha Düerkop, dessen Freizeit für die Organisation draufgeht und der Probleme hatte, beim Turnier etwas Essbarers aufzutreiben. Dabei hat Abchasien 3,5 Millionen Euro für ein neues Stadion in der Hauptstadt Sochumi ausgegeben. Gewonnen hat beim Finale am vergangenen Sonntag dann tatsächlich Gastgeber Abchasien – 6:5 im Elfmeterschießen gegen Punjab. Mitbekommen hat es fast niemand. Wozu dann überhaupt so ein Turnier?
Die Vereinten Nationen werden den Sieger nicht anerkennen, die großen Fußballverbände UEFA und Fifa wohl auch nicht. Oder? Bei der offiziellen EM in Frankreich nehmen schließlich mit England, Wales und Nordirland drei Mannschaften teil, die nur im Fußball unabhängig sind, aber das wird aus Tradition geduldet. Und gerade wurden der Kosovo und Gibraltar offiziell in die Fifa aufgenommen. Auch wenn Russland den Kosovo offiziell nicht anerkennt, könnte er theoretisch als WM-Teilnehmer 2018 nach Russland reisen. Bei der CONIFA will sich übrigens die Volkrepublik Donezk als nächste Mannschaft anmelden. Da ist Spannung garantiert.
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