Die Insel-Koalition

Lost Am 2. Februar beginnt die letzte Lost-Staffel, in der alle Mysterien aufgelöst werden. Das Ende einer Serie, die in ihrem Suspense nur von Schwarz-Gelb übertroffen wird

Die Folter hat endlich ein Ende. Nach fünf – bis zur Grenze des Menschen Erträglichen – spannenden Staffeln werden ich und Millionen Lost-Fans ab dem 2. Februar endlich, endlich erfahren, was es mit dieser verdammten Insel nun auf sich hat. Denn dann zeigt der US-Sender ABC die finale sechste Staffel, in der alles aufgelöst werden soll, mit dem großen Serien-Finale im Mai.

Für alle Nichteingeweihten: Lost ist das Serie gewordene Prinzip Spannung. Die Handlung kurz gefasst: Die Überlebenden eines Flugzeugabsturzes finden sich auf einer mysteriösen Pazifik-Insel wieder, die von Staffel zu Staffel immer mysteriöser wird. Doch der eigentliche Star bei Lost ist weder die famose Darstellerriege noch die Insel mit all ihren Geheimnissen, Rätseln und Monstern – es ist der Cliffhanger. Das retardierende Moment ist bei Lost Methode: zu jedem Staffel-Ende, in jeder Folge, praktisch vor fast jeder Werbepause. Egal, ob eine Hauptfigur wirklich an einer Klippe baumelnd ums Überlegen bangt, entführt wird oder in eine Bomben-Explosion gerät – der Zuschauser muss einfach wissen, wie es weitergeht.

Das ist das Packende an Lost und zugleich das Furchtbare: Ständig spannt einen die Serie auf die Folter. Sie wirft Fragen auf, die sie aber nur in den seltensten Fällen beantwortet. Das führt einerseits zu einem erhöhten Suchtpotenzial der Serie. Auch bei mir, dabei hatte ich mich zunächst gegen Lost gesträubt. Als mir ein Freund vor vier Jahren eine DVD mit dieser neuen Gestrandet-auf-einer-Insel-Serie auslieh, lag sie wochenlang unangetastet in der Ecke. Als ich mir dann aus Langeweile die erste Folge anschaute, wurden aus einer Folge acht am Stück.

Anderseits kann das ewig ungelöste Mysterium auf Dauer frustrierend werden. Die, die dabei bleiben, lieben zwar die Serie. Weit über zehn Millionen TV-Zuschauer schalten bei jeder Folge in den USA ein, Präsident Barack Obama verschob nach Online-Protesten eine TV-Ansprache, weil sie sich zeitlich mit dem Start der sechsten Lost-Staffel überschnitt. Doch zu Serien-Beginn waren es noch 18 Millionen. In Deutschland ist die Serie im Free-TV auf Pro-Sieben gefloppt. Auch, weil die Serie in ihrer deutschen Version böse umgeschnitten wurde. Mittlerweile wurde Lost auf den kleinen Schwestersender Kabel Eins abgeschoben. Dort läuft seit dem 21. Januar die fünfte Staffel, immer donnerstags um 21.15 Uhr.

Das Problem der Serie ist, dass sie so komplex ist. Vor jeder Folge muss in einer einminütigen Rückschau erklärt werden, was bisher geschah. Doch wer die vorherigen Staffeln nicht gesehen hat, dem wird auch das nicht viel sagen. Zu verschachtelt ist die Geschichte, die Entwicklung, die die Charaktere durchlaufen. Lost ist ein ambitioniertes Projekt der Vor-Krisen-Zeit: Eine Serie mit einem klaren Anfang, Mittelteil und Ende. Konzipiert wurde Lost von J.J. Abrams, der schon die Agenten-Serie Alias zu Erfolg führte und zuletzt die Star-Trek-Reihe wieder kinotauglich machte. Der damalige ABC-Chef wurde gleich nach Serienstart gefeuert, weil er so ein teures Projekt genehmigt hatte. Jede Folge kostet gerüchteweise zwischen 10 und 14 Millionen Dollar. Das ist sie wert, denn jede etwa Dreiviertelstunde lange Episode ist so aufgewendet gefilmt und inszeniert wie ein kleiner Kinofilm.

Dennoch ein riskantes Projekt, denn Quereinsteigen ist bei dieser Serie unmöglich. Das macht Lost auf im Privaten schwer tragbar. Wenn ich mich mit Freunden zum Lost-Schauen treffen, muss sichergestellt sein, dass jeder auf dem aktuellen Stand ist. Sich gemeinsam mit Einsteigern alte Folgen anzuschauen, ist dabei völlig utopisch: Ist die Spannung erst einmal weg, ist der Spaß an Lost verloren. Ein klassisches Konsumprodukt: Einmal das Adrenalin aufgesogen, dann in die Tonne damit. Das lässt mich daran zweifeln, ob ich überhaupt eine Auflösug am Ende der sechsten Staffel möchte. Ich fürchte mich vor der Leere danach, der fehlenden Vorfreude auf die nächste Folge. Und wenn dann die Auflösung am Ende vollkommen trivial oder hanebüchen sein sollte - was bleibt dann zurück außer Enttäuschung?

Im Prinzip ist die Serie wie die schwarz-gelbe Koalition und ihre Steurpolitik: Bis Mai spannt sie ihr Publikum auf die Folter, begnügt sich in Andeutungen, bis zum großen Schocker zum Finale.

Die sechste und letzte Lost-Staffel wird in Deutschland erst ab 17. März im Pay-TV zu sehen sein. Wer sich aber nicht gedulden möchte, kann sich die neuen Folgen kurz nach ihrer Ausstrahlung in den USA auf den Portalen I-Tunes und Videoload kostenpflichtig herunterladen, auf Englisch mit deutschen Untertiteln. Auf die Möglichkeit, sich die Serie halblegal bis illegal aus dem Netz zu laden, sei an dieser Stelle ausdrücklich nicht hingewiesen. Für Quereinsteiger gibt es auf YouTube einen verwirrend-hektischen Schnelldurchlauf durch alle fünf Staffeln in acht Minuten auf Englisch (siehe Video im Artikel). Zu raten ist jedoch eher, die Folgen lieber in Ruhe einzeln zu schauen - man hat mehr davon.

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Geschrieben von

Dominik Bardow

Autor des Freitag

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