Fünf Lügen über die WM

Fußball Während die Fifa vor der Weltmeisterschaft Euphorie verbreitet, sehen die Zuschauer noch viele Probleme. Doch was ist dran an den Behauptungen? Fünf Beispiele

Behauptung: „Ich bin überzeugt, dass am Schluss alle 3,4 Millionen Tickets verkauft und alle Plätze besetzt sein werden." (Fifa-Präsident Joseph Blatter in der Schweizer Zeitung Blick).

Wahrheit: Es passt zur undurchsichtigen Informationspolitik des Weltfußballverbandes Fifa, dass ihr Präsident Blatter von 3,4 Millionen WM-Karten spricht, es offiziell jedoch 3 044 573 Eintrittskarten sein sollen. Etwa 2,2 Millionen davon seien schon verkauft, frohlockte jüngst DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt, der die Fifa in Südafrika-Fragen berät. Damit seien „nur noch“ 800.000 Karten zu verkaufen. Ob diese Zahl wirklich stimmt, ist von außen nicht überprüfbar – die Fifa lässt sich nicht in die Karten schauen. Doch bei Licht betrachtet ist diese Zahl enttäuschend, denn rund 1,5 Millionen Karten sind sowieso schon vergeben – an Sponsoren, VIP-Pakete-Anbieter, nicht-qualifizierte Verbände, Freikarten-Fonds, Organisationskomitees und TV-Rechte-Inhaber. Zieht man diese Kontingente ab, können maximal 700.000 Karten verkauft sein, also weniger als die Hälfte der frei erwerbbaren Tickets. Alle Hoffnungen ruhen nun auf der dritten Verkaufsphase, die bis 7. April im Internet läuft, und vor allem die „Last Minute“-Verkaufsphase vom 15. April an bis zum 11. Juni, dem Tag des Eröffnungsspiels.

Behauptung: „In Deutschland sind 35.000 Tickets verkauft, das ist eine gute Zahl, denn damit sind wir Nummer drei hinter den USA und Großbritiannien.“ (Horst R. Schmidt)

Wahrheit: 35.000 ist eine katastrophale Zahl. In Deutschland begrüßen die beiden Abstiegskandidaten Hertha BSC Berlin und Hannover 96 im Schnitt mehr Fans zu jedem Heimspiel. Und für die Frauenfußball-WM im nächsten Jahr in Deutschland sind bereits 200.000 Karten verkauft. Wahr ist, dass Deutschland im internationalen Vergleich damit so schlecht nicht dasteht, denn die Verkaufszahlen sind insgesamt enttäuschend. Nach Ende der letzten Verkaufsphase kamen rund 80 Prozent der Ticketanfragen aus Südafrika – den Rest der Welt scheinen weite Anreise und überteuerte Hotelpreise abzuhalten.

Behauptung: „Es sollten keine Versuche gemacht werden, die Menschen während der WM abzuzocken oder gar zu betrügen. Wenn es Preisabsprachen gibt, die dem Sinn des Turniers entgegen stehen, werden wir dagegen vorgehen.“ (Südafrikas Handelsminister Rob Davies)

Wahrheit: Derzeit untersucht Südafrikas Wettbewerbsaufsicht nur, ob die einheimischen Fluglinien ihre Preiserhöhungen für Inlandsflüge abgesprochen haben. Preissprünge im Hotel- und Gaststättenbereich haben die Regierung noch nicht auf den Plan gerufen. „Für mich ist sind die Preiserhöhungen das größte Problem bei der WM, noch vor der Sicherheitsfrage“, sagt Fußballtrainer Rainer Zobel, der seit Juli 2009 in Johannesburg arbeitet. „Ein gutes Hotelzimmer in Südafrika kostet derzeit etwa 100 Euro. Während der WM werden die Preise auf das fünf- bis sechsfache steigen.“

Behauptung: „Ich wünsche mir, dass die Teams und Spieler Townships besuchen, damit wir Ihnen unseren Lebensstil zeigen können.“ (Südafrikas Rekordnationalspieler Lucas Radebe, der selbst als einen von elf Kindern in einem Township in Soweto aufwuchs)

Wahrheit: Die Mannschaften werden sich abschotten wie noch nie zuvor bei einem Turnier. Die deutsche Nationalelf etwa zieht sich fünf Wochen lang in dem Fünf-Sterne-Hotel „Velmore“ in Pretoria zurück, das die Mannschaft ganz für sich gebucht hat und nur zu den Spielen verlassen wird. Kostenpunkt: 2,5 Mio. Euro.

Behauptung: „Afrika ist das Theater und Südafrika die Bühne. Unsere Nachbarländer werden von den zahlreichen Reisepaketen profitieren.“ (Südafrikas Tourismusminister Marthinus van Schalkwyk)

Wahrheit: Angesichts von Preisen um die 3000 Euro für einwöchige WM-Pauschalreisen allein in Südafrika ist das Interesse gerade in Deutschland gering. Die Fifa-Agentur „Match“, die mit Hospitality-Paketen für Geschäftskunden handelt, stornierte mittlerweile die Hälfte der georderten Betten in Südafrikas Nachbarländern Botswana, Lesotho, Namibia, Sambia, Simbabwe und Swasiland, in denen Luxusreisen inklusive Safaris angeboten werden. Doch die Nachfrage wurde weit überschätzt. Auf Mauritius etwa hatte „Match“ sage und schreibe 6400 Hotelbetten gebucht, in der fehlgeleiteten Annahme, Fans und Geschäftsreise würden dort auf halber Strecke nach Südafrika ihren Urlaub verbringen.

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Geschrieben von

Dominik Bardow

Autor des Freitag

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