Was für ein Transfer?

Der Sportsfreund Auf die Fußball-Bundesliga freut sich unser Autor als Fan – und als virtueller Manager am Rande des Wahnsinns
Ausgabe 33/2015
Fußball-Managerspiele nur etwas für echte Experten. Also Wahnsinnige
Fußball-Managerspiele nur etwas für echte Experten. Also Wahnsinnige

Foto: MiS/Imago

Endlich geht sie wieder los, die Fußballbundesliga. Jeder hat da sein Startritual. Fußballer schnüren ihre Stollenschuhe, Trainer wischen die Taktiktafel sauber, und Präsidenten legen schon mal die Entlassungspapiere der Trainer bereit. Viele Fans bügeln Aufnäher auf ihre Jeanswesten oder lassen das Trikot mit Namen wie Henni und Manne beflocken. Ich habe mein eigenes Ritual seit Jahren. Ich ziehe die Vorhänge zu, klappe meinen Laptop auf, starre im Lampenschein auf Listen, murmle Namen und Zahlen vor mich hin, führe Fachgespräche mit Eingeweihten. Ich bin kein Freimaurer, meine Geheimgesellschaft ist ein Massenphänomen: Managerspiele.

Tausende Fußballfans sind jede Saison dabei, um zu beweisen, dass sie bessere Transfers tätigen als die echten Bundesliga-Manager. Kicker.de oder comunio.de, Anbieter für Fantasieligen gibt es viele, mit Stift und Papier oder im Internet. Die Regeln sind oft die gleichen. Jeder Spieler erhält ein fiktives Millionenbudget, um ein virtuelles Team aus echten Fußballern zusammenzukaufen. Die schießen an jedem Wochenende in der Bundesliga reale Tore und sammeln dafür online Punkte. Und an jedem Montag jubeln oder fluchen die Hobbymanager am Bildschirm über die Auswertung.

Im Gegensatz zu den klassischen Tipprunden, an denen auch Fußball-Laien teilnehmen und die die Ergebnisse oft genauer voraussagen, sind Managerspiele nur etwas für echte Experten. Experten ist an dieser Stelle ein nettes Wort für Wahnsinnige. Solche wie mich. Tage und Wochen verbringe ich jede Saison damit, nach komplexen Kriterien Einkäufe zu planen. Und juble dann vor dem Fernseher nur über Tore, wenn mir einer „meiner“ Spieler damit Punkte bringt. Meine Konkurrenten gehen die Sache nicht weniger manisch an. Am Transfergeschacher in der Kantine sind schon Freundschaften zerbrochen. Jeder hat sein eigenes System, um das perfekte Team zusammenzustellen, und hütet es wie ein Staatsgeheimnis. Die Freude, zu gewinnen, währt dabei nur kurz. Das Gefühl lässt sich eher als Erleichterung beschreiben, nicht schlechter gewesen zu sein als die Mitspieler. Denn Spott und Selbstzerfleischung an schlechten Spieltagen sind gnadenlos, sie versauen einem nicht nur den Büromontag, sondern die komplette Arbeitswoche. Eigentlich wie im echten Fußball.

Und es ist ja mitnichten eine Fantasiewelt, in die wir uns flüchten würden. Ich habe einige heutige Nationalspieler schon entdeckt, als sie noch 0,2 Millionen Euro Online-Ablöse kosteten, auch wenn sie davon wahrscheinlich nichts wissen. Das ist ja der Reiz – den einen Geheimtipp zu entdecken! Manuel Neuer oder Arjen Robben kaufen kann ja jeder. Na gut, ein paar Insidertipps kann ich verraten: Torhüter punkten immer gut, da lässt es sich sparen. Lieber mehr Stürmer kaufen, das Risiko streuen. Vorsicht bei Links- und Rechtsaußen, die kommen in der Bewertung der Online-Redakteure schlechter weg, das ist wie in der Politik. Und kein Fußballfan sollte Spieler seines realen Lieblingsvereins verpflichten, Gefühle trüben nur die Sinne.

Man könnte Managerspiele jetzt als Zeitverschwendung betrachten. Aber was sollten wir sonst tun? An die Börse gehen, Aktien statt Spieler kaufen, Portfolios managen? Finanzjongleure gibt es schon genug. Wir Fußballmanager leisten unseren Beitrag dazu, dass unsere Wirtschaft stabil bleibt. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss noch dringend an meiner Mannschaft feilen.

Dominik Bardow schreibt in seiner Kolumne für den Freitag regelmäßig über sportives Privatvergnügen

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Geschrieben von

Dominik Bardow

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