Wichtig ist aufm Kongress

Der Sportsfreund Mit Fußball lässt sich eine Menge Geld verdienen und mit Geld eine Menge bewegen. Kaum ein Land hat das so gut verstanden wie Katar
Ausgabe 41/2015
Ein Arbeitersport ist der Fußball seit langem nicht mehr
Ein Arbeitersport ist der Fußball seit langem nicht mehr

Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images

Ein Bekannter von mir ist unter die Nachwuchstrainer gegangen. Neulich lief er mit seinem Sohn an einem Fußballplatz vorbei und fühlte sich beim Anblick der tollenden Kinder, grillenden Mütter und Bier trinkenden Großväter an seine eigene Zeit als Jugendfußballer erinnert. Gerührt meldete er sich spontan an, um dem Verein als Co-Trainer auszuhelfen. Ehrenamtlich natürlich.

Ich musste an diese Geschichte denken, als ich am Montag an einem Sport- und Wirtschaftsgipfel in Berlin teilnahm, veranstaltet und finanziert von Katar, dem Gastgeber der Fußball-WM 2022. Wer wissen will, wie weit sich der Fußball wirklich von den Bolzplätzen entfernt hat, der sollte einmal ein solches Event besuchen. Dicke Karossen und Taxen fuhren an der zum Kongresszentrum umgebauten Halle am Westhafen vor, wo einmal Arbeiter Schiffe entladen hatten. Ich dachte mir, der Gipfel wäre eine gute Gelegenheit, um ein paar wichtige Leute im Fußball zu treffen und zu interviewen. Wichtig schienen irgendwie alle zu sein, egal ob sie maßgeschneiderte Seidenanzüge trugen oder Trainingsanzüge aus Ballonseide. Es war eine seltsame Mischung aus arabischen Geschäftsleuten und eingeladenen Athletiktrainern, die Vereinslogos aus aller Welt auf ihren Trainingsjacken ausstellten: FC Barcelona, Universidad de Chile, Borussia Mönchengladbach. Offiziell ging es darum, sich über Trainingspläne auszutauschen. Doch ständig wurde irgendein Deal verkündet. Es war kaum nachzuvollziehen, warum gerade wer wem wieder die Hand schüttelte und für die Fotografen lächelte.

Mit Fußball lässt sich eine Menge Geld verdienen und mit Geld eine Menge bewegen. Kaum ein Land hat das so gut verstanden wie Katar mit seinem Gas- und Ölreichtum. Das arabische Emirat ist kleiner als Schleswig-Holstein, aber es hat schon Weltmeisterschaften der Leichtathleten und Handballer in das winzige Wüstenland geholt. Die Fußball-WM wird dort 2022 erstmals im Winter stattfinden, die Liste der Vorwürfe gegen Katar ist lang, unter anderem soll das Turnier gekauft worden sein, und die Bauarbeiter sollen schlecht behandelt werden. Die Scheichs glauben dennoch, dass der Sport ihr Image aufbessern kann.

Aus diesem Grund halten sie sich eine ganze Armada aus Fußballprominenten, die für Katar werben. In Berlin liefen Stefan Effenberg, Lothar Matthäus und Frank Rijkaard herum. Die spielen schon lange keine aktive Rolle mehr im Profifußball, aber die Besucher drängelten sich um sie und löcherten sie mit Fragen. Die Nachfrage nach Insidergeschichten ist inzwischen so groß, dass sich eine Kaste aus Experten gebildet hat, die davon lebt, über andere Spieler, Trainer und Klubs zu sprechen, die gerade nicht greifbar sind. Was die an einem solchen Auftritt wohl verdienen, fragte ich. „Die machen das ehrenamtlich“, sagte einer der Organisatoren und lachte.

Stefan Effenberg redete auf einem Podium lange über den FC Bayern München. Er hätte auch über Katar reden können. „Da gibt es sicher einiges zu kritisieren, aber nicht von mir, ich bin Sportler und rede über Sport“, sagte er. Seltsam, Sportler ist der 47-Jährige eigentlich schon lange nicht mehr. Dabei hat Effenberg sogar eine Trainerlizenz, aber er wartet auf Angebote. „Der Tag X wird kommen“, sagte er. Mir schien, dass er damit nicht den Tag meinte, an dem er an einem Platz mit Jugendfußballern vorbeiläuft und spontan anbieten kann, als Co-Trainer auszuhelfen. Ehrenamtlich natürlich.

Dominik Bardow schreibt in seiner Kolumne für den Freitag regelmäßig über sportives Privatvergnügen

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Geschrieben von

Dominik Bardow

Autor des Freitag

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