"Wir müssen starke Staaten aufbauen"

Klimahilfen Die Industrieländer wollen den Entwicklungsländern 30 Milliarden Dollar für die Anpassung an den Klimawandel zukommen lassen. Doch wie kommt das Geld dort sinnvoll an?

Der Freitag: Herr Drakenberg, in Kopenhagen wurde viel diskutiert, wer wieviel für Klimahilfen gibt. In ihrem Bericht schreiben Sie, dass es genauso wichtig sei, wie die Mittel verteilt und verwendet werden. Warum?

Olof Drakenberg: Über die Mittelverwendung wurde in der Tat nicht viel gesprochen. Das ist das Schwierige bei einer Konferenz: Zunächst wird über Summen geredet, dann erst darüber, wie man sicherstellen kann, dass die Gelder auch ihren Zweck erfüllen. Es ist zwar sehr, sehr wichtig, dass neue Mittel bereitgestellt werden, aber auch, dass Gelder effektiv verwendet werden.

In Kopenhagen zeichnete sich ab, dass zumindest Teile der Klimagelder aus der Entwicklungshilfe abgezweigt werden sollen. Was halten Sie davon?

Die Frage ist doch: Warum sollten die Entwicklungsländer den finanziellen Versprechungen Glauben schenken? Diese Länder blicken auf eine lange Geschichte von unerfüllten Versprechungen zurück, was sicherlich eine große Hürde in den Verhandlungen war. Entwicklungshilfen einfach ein neues Etikett zu verpassen, trägt meiner Ansicht nach nicht dazu dabei, die Vertrauenslücke zwischen armen und reichen Länder zu schließen. Es werden neue Gelder benötigt, nicht ein neues Etikett.

Welche Erfahrungen aus der Entwicklungshilfe könnten jetzt bei der Verteilung der Klimagelder hilfreich sein?

Eine wichtige Lektion aus der Entwicklungshilfe ist, dass die Gelder an die Länder selbst gehen sollten, nicht an einzelne Projekte, nach dem Motto: Wir geben das Geld nicht dem Finanzminister, sondern direkt eurem Projekt. Man darf den Staaten auch nicht von außen vorschreiben, was sie mit den Mitteln zu tun haben, denn sie wissen selbst, wo im Land die Prioritäten liegen. Zudem ist es wichtig, dass man in der Verwaltung kein Parallel-System aufbaut, also zum Beispiel nicht eigene Buchprüfer einstellt, sondern die vor Ort nutzt. Man muss die bestehenden Systeme im Land stärken. Bei früheren Förderprogrammen hat sich gezeigt, dass die ärmsten Länder gerade einmal drei Prozent der Mittel bekamen. Das meiste Geld ging nach China, Indien und Brasilien, weil sie mehr Industrie und stabilere Strukturen haben. Daher ist Entwicklungshilfe wichtig, um in armen Ländern die Kapazitäten dafür aufzubauen, sich überhaupt für Fördermittel bewerben zu können.

Besteht dann nicht auch bei den Kopenhagener Klimahilfen die Gefahr, dass die meisten Mittel nach China gehen?

Ein großes Problem, über das zur Zeit viel diskutiert wird, ist, dass man in dem aktuell gültigen Kyoto-Protokoll nur zwischen Industrie- und Entwicklungsländer unterscheidet. Auf diese Art setzt man Mali mit China gleich und behandelt es gleich. Wenn das so bleibt, wird China einen Großteil der Klimahilfen anziehen, auch beim Emissionshandel. Die ärmeren Länder können in so einem System nicht mithalten, weil ihnen oft Infrastruktur, vertrauenswürdigere Regierungen und verlässlichere Daten fehlen. Zudem sind die Korruptionsraten dort höher.

Wie lässt sich denn kontrollieren, dass die Mittel richtig verwendet werden und nicht versacken?

Es ist wichtig zu begreifen, dass es unmöglich ist, volle Kontrolle über alle Gelder zu behalten. Wenn zum Beispiel in Schweden die Regierung Fördermittel an Kommunalparteien vergibt, liegt die Kostenwirksamkeit auch nicht bei 100 Prozent und hier und da gibt es Korruption. Man kann dem Steuerzahler nicht sagen: Wir haben hundertprozentige Kontrolle über alles, weil das nie so sein wird. Natürlich müssen diejenigen, denen Mittel anvertraut werden, Bericht über ihre Fortschritte ablegen. Aber dafür darf man kein komplett neues Mess-System einführen, sondern muss auf die Kontrollmechanismen aufbauen, die es schon im Land gibt. Wirklich hilfreich ist es meiner Meinung nach, starke Staaten aufzubauen. Dann wird das Geld auch zu guten Ergebnissen führen.


Olof Drakenberg von der Universität Göteborg ist politischer Berater der Institution SIDA, die für die schwedische Regierung die Entwicklungshilfen koordiniert. Er hat einen Bericht über die effektive Verwendung von Klimahilfen vorgelegt, der am Rande der Konferenz vorgestellt wurde.

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Geschrieben von

Dominik Bardow

Autor des Freitag

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