will man Boye politisch mundtot machen. In diesem Zusammenhang schreibt Ralf Streck:
"International in der Kritik steht Spanien auch wegen des erneuten Vorgehens gegen Anwälte. Es ist aus dem Baskenland wahrlich bekannt, dass auch unbequeme Verteidiger mit absurdesten Verfahren überzogen werden, um sie mundtot zu machen oder zu inhaftieren. Dieses Schicksal trifft nun auch den Anwalt des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont. Die Wohnung und das Anwaltsbüro von Gonzalo Boye wurde am Montag 15 Stunden lang durchsucht.
Er muss nun wegen angeblicher "Geldwäsche" am Mittwoch vor dem spanischen Sondergericht Nationaler Gerichtshof in Madrid antanzen. Boye hatte auch federführen an der Schlappe bei der abgelehnten Auslieferung wegen angeblicher Rebellion und Aufruhr von Puigdemont aus Deutschland mitgewirkt. Er spricht von einer "absurden Anschuldigung" und hofft, dass auch das Gericht das erkennt und es sich nicht um eine "politisch-juristische Operation" handelt.
"Aus Sicht des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und anderer internationaler Kollegen fand die Durchsuchung unter falschem Vorwand und mit dem Ziel statt, Herrn Boye als Anwalt zu diskreditieren", schreibt der ECCHR in einer Pressemitteilung. Der ECCHR-Generalsekretär Wolfgang Kaleck meint, dass man ein "solches Vorgehen nur aus der Türkei und Mexiko gewohnt ist". Kaleck schockiert, dass derlei nun auch in Spanien passiert.
"Die spanischen Behörden haben Boyes Arbeit als Anwalt massiv angegriffen. Das ist völlig inakzeptabel. Die Unabhängigkeit von Anwälten ist für jede Demokratie von grundlegender Bedeutung", heißt es in der Erklärung weiter". weiterlesen hier: Katalonien: "Eine Begnadigung können sie sich sonst wohin stecken"
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Warum Boye im Visier des spanischen Regimes steht, hängt auch mit seiner berechtigten Kritik an der spanischen Justiz zusammen:
"Ist es schon heute möglich, vielerlei Protestformen oder Vorgänge als Terrorismus einzuordnen und von ordentlichen Gerichten an ein Sondergericht nach Madrid zu ziehen, was schon Anwendung findet, kann nun jeder friedliche Protest als Aufruhr gewertet werden, wenn er sich dagegen wendet, dass Gesetze oder Gerichtsentscheidungen umgesetzt werden.
Das kann bald auch Menschen in Spanien drohen, die sich gegen Zwangsräumungen wehren, Atomkraftwerke blockieren oder gegen Kürzungen im Sozialsystem streiken. Der Anwalt Gonzalo Boye streicht das in einem Artikel heraus. So kann es nach dem absurden Urteil schon Aufruhr sein, wenn die Polizei eine Menschenansammlung auflösen muss und wenn "dabei ihre Gegenwehr annulliert" werden müsse, zitiert er aus dem Urteil mit 493 Seiten. Das gelte auch, wenn die Sicherheitskräfte ihr Vorhaben, "eine Gerichtsentscheidung umzusetzen, angesichts des rebellischen und oppositionellen Auftretens einer Zusammenballung von Menschen in klarer zahlenmäßiger Übermacht aufgeben müssen".
Es ist offensichtlich, dass dies auf den friedlichen Widerstand zahlloser Menschen gemünzt ist, die friedlich mit ihren Körpern ein friedliches Referendum und die Wahlurnen gewaltfrei verteidigt haben. Das nennt man zivilen Ungehorsam und Martin Luther King erhielt für den Einsatz solcher Mittel in der Bürgerrechtsbewegung 1964 dafür den Friedensnobelpreis." weiterlesen hier Streck: Warten auf den nächsten Tsunami in Katalonien
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Angriffe auf ECCHR-Partneranwalt Gonzalo Boye
ECCHR-Beschwerde an UN-Sonderberichterstatter
"Spanische Behörden haben heute Morgen das Haus unseres Kollegen, des Anwalts Gonzalo Boye, durchsucht. Boye vertritt Mandanten wie Carles Puigdemont und mehrerer seiner ehemaligen katalanischen Minister. Die von der Audiencia Nacional – ein zentralisiertes Gericht, das für ganz Spanien zuständig ist – erhobenen Vorwürfe sind unserer Einschätzung nach darauf zurückzuführen, dass Herr Boye mit dem Anliegen seiner Mandanten, in diesem Fall der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, gleichgesetzt wird."
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Ein aktueller Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Spanien von Ralf Streck:
"Wie in ganz Spanien explodieren auch in Barcelona Armut und Obdachlosigkeit, denn seit Beginn der Coronakrise ist die Wirtschaft des Landes mehr als jede andere in Europa abgestürzt. Zahlreiche Basisinitiativen kämpfen nun gegen die Folgen an.
„So eine Schweinerei”, ruft der obdachlose Mann. Er wühlt in Kartons, die sein Zuhause an der hinteren Seite der Kirche Santa Maria del Pi bilden. „Mein Schlafsack wurde geklaut”, schreit er seinen Frust über den kleinen Platz im „Barri Gòtic“, dem Gotischen Viertel der Altstadt von Barcelona. Vermutlich hat den Schlafsack einer der vielen weiteren Obdachlosen gestohlen. Zwar scheint hier weiter meist die Sonne, doch sind die Tage kühl und die Nächte auch am Mittelmeer richtig kalt.
Menschen wie den Bestohlenen trifft man nun in immer größerer Zahl in der katalanischen Metropole. Sie sind der deutlichste Ausdruck der explodierenden Armut. Denn die Wirtschaft in Spanien ist wie keine andere in Europa in der Coronakrise abgestürzt. Nicht zuletzt, weil sie stark am Tourismus hängt, der wie überall eingebrochen ist. Cafés, Bars und Restaurants sind zwar derzeit geöffnet, doch wegen fehlender Gäste meist verwaist. So ist die Stimmung trübe. Und kommt es zu einer dritten Corona-Welle, vor der Experten schon warnen, ist mit einer baldigen Besserung nicht zu rechnen." weiterlesen hier Spanien in der Pandemie: „Hungerschlangen vermeiden“
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