Kennen Sie den Thriller Fight Club? Dort spielt Edward Norton einen Langweiler, dessen Leben durch seinen coolen, anarchistischen Freund namens Tyler Durden aus den Fugen gerät und mehr und mehr in den Wahnsinn abdriftet. Er verliert seinen Job und verbringt fortan die Nächte damit, sich zu prügeln. Am Ende stellt sich heraus, dass er an multipler Persönlichkeitsstörung leidet und dieser Freund nur eine Imagination seiner selbst war; der exzentrische Typ, der ihn in den Abgrund gerissen hatte, war er selber. Destruktion pur, ein toller Film!
Selbstzerstörung gibt es aber nicht nur im Kino. Wir beobachten sie zurzeit auch in der deutschen Parteienlandschaft und, das hat ihr Parteitag gezeigt, ganz besonders bei der SPD. Es ist schwer mit anzusehen, wie dort die älteste Partei Deutschlands den Weg ins Verderben gewählt hat. In dem Beschluss des Parteitages, der von der Führung vorgelegt und mit großer Mehrheit angenommen wurde, heißt es: „Es kann uns nicht gleichgültig sein, ob eine Bundesregierung zustande kommt oder am Ende Neuwahlen stattfinden werden. Deswegen fühlen wir uns verpflichtet, in Gesprächen auszuloten, ob und in welcher Form die SPD eine neue Bundesregierung mittragen kann.“
Sie könnten es besser wissen, immerhin liegen große Teile der europäischen Sozialdemokratie am Boden. Einen Begriff dafür gibt es auch: „Pasokisierung“ nennen Parteienforscher dieses Phänomen; angelehnt an die Panellinio Sosialistiko Kinima (PASOK), die sozialdemokratische Partei in Griechenland, die in den letzten Jahren von über 40% auf knapp 6% absackte. Die Sozialisten in Frankreich müssen aus finanzieller Not sogar ihren Parteisitz verkaufen, so geschwächt ist ihre Parti socialiste. Die Genossen in Berlin sind sich ihres Willy-Brandt-Hauses anscheinend noch ziemlich sicher, zu sicher. Sonst würden sie kaum über eine mögliche Koalition sondieren, die ihren Erneuerungsprozess verunmöglichen und sie dem politischen Sterbebett näher und näher bringen wird.
Der sozialdemokratische Schulterschluss mit der Union trägt niemals wirklich eine rote Handschrift. „Erfolge“ der SPD in der Großen Koalition - Mindestlohn, etwas bessere Renten, mehr BAföG etc. - waren immer nur rote Kleckse auf ziemlich schwarzer Leinwand. Wieso sollte es mit der Bürgerversicherung, dem Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit, der Solidarrente und ein paar mehr Investitionen in Bildung und Wohnraum anders sein? Max Frisch wusste: „Erlaubt ist, was gelingt.“ Das schwarz-rote Projekt ist misslungen - zumindest aus dem Blickwinkel der SPD.
Bismarck und Hitler überstanden, aber an Merkel zugrunde gehen?
Der Schritt in Richtung Union ist der nächste Nagel in den sozialdemokratischen Sarg. Das mag für überzeugte Sozialdemokraten wie Hohn und Spott klingen. Diese Partei hat Bismarck und Hitler überstanden. Aber an Merkel soll sie zugrunde gehen? Manchmal hilft da ein Blick auf wissenschaftliche Zusammenhänge: Repressionen können nämlich eine lebenserhaltende Dynamik für ein Kollektiv entfalten. In der Sozialpsychologie spricht man hier von Gruppenkohäsion. Der Zusammenhalt wird umso größer, je stärker die Gruppe von außen in ihrem Bestand gefährdet ist. Deswegen konnte die Sozialdemokratie alle Schrecken der Vergangenheit durchstehen.
Ihre aktuelle Krise ist aber keine externe. Sie ist keine Folge äußerer Bedrohungen, sondern einzig und allen das Ergebnis des eigenen Versagens. Nicht die Union hat die SPD marginalisiert, sondern deren Unfähigkeit, ernsthafte Verbesserungen für breite Kreise ihrer Klientel durchzusetzen. Die Menschen in Dortmund-Nordstadt oder Duisburg-Marxloh hätten sozialdemokratische Politik wirklich nötig. Im Landtagswahlkampf im Mai setzten die Genossen in Düsseldorf jedoch auf den Wohlfühl-Faktor, anstatt die greifbaren Probleme an Rhein und Ruhr zu thematisieren. „NRWir“ stand auf ihren Plakaten. Geht’s noch? Das war bestenfalls ein halbwegs cleveres Wortspiel, mehr dann aber auch nicht.
Der Absturz in Nordrhein-Westfalen ging der Katastrophe im Bund (20,5%!) voraus. Noch am Abend der verlorenen Bundestagswahl sagte Martin Schulz: "Ich habe der SPD-Parteiführung heute Abend empfohlen, dass die SPD in die Opposition geht.“ Keine drei Monate später, auf dem Parteitag, klingt das schon ganz anders. Schulz sagt, er wolle „unvoreingenommen“ in die Gespräche mit der Union gehen. Dabei hätte er jedes Recht auf Voreingenommenheit. Die Zähmung des Laissez-faire-Kapitalismus ist ein genuin sozialdemokratisches Projekt, das mit den Schwarz-Blauen nicht zu machen ist.
In dem Moment, als die SPD nicht mehr als Alternative zum Neoliberalismus wahrgenommen wurde, begann ihr Abstieg. Im Schröder-Blair Papier aus dem Jahr 1999 schreiben die beiden Regierungschef, die Sozialdemokratie habe „neue Zustimmung auch gewonnen, weil sie nicht nur für soziale Gerechtigkeit, sondern auch für wirtschaftliche Dynamisierung und für die Freisetzung von Kreativität und Innovation steht.“ Das war nicht nur falsch, sondern auch der Anfang vom Ende europäischer Arbeiterparteien. Wollen die Genossen in Deutschland ihren Niedergang aufhalten? Dann dürfen sie nicht mit der Union koalieren, nicht einmal sondieren. Denn jede Annäherung erhöht die Erwartungen und den Druck. Oder wollen sie sich selbst zerstören? Dann ist ihr jetziger Weg genau der richtige. „Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit, alles zu tun“, sagt Tyler Durden in Fight Club. Klingt auch irgendwie verlockend.
Kommentare 42
Desorientierungspotentional wäre ggf treffender formuliert.
Die SPD wollte sich unbedingt mit ihren Gegnern ins Bettchen legen: das hat sie nun davon.
>Wollen die Genossen in Deutschland ihren Niedergang aufhalten? Dann dürfen sie nicht mit der Union koalieren, nicht einmal sondieren. <Ganz im Gegenteil, die SPD muss mit allem was ihr zur Verfügung steht der Union entgegentreten. Das schöne ist, das kann sie jetzt, sogar mit Erfolgsaussicht. Und darum soll sie das.
Sehr ermutigend das alles. Wieviele Männer hat die SPD eigentlich unter Waffen?
Selbstverantwortung muss jede Partei zunächst sich selbst und ihrer Klientel gegenüber zeigen und beweisen. Wenn sie sich da sicher ist, kann sie Verantwortung in größerem Rahmen übernehmen.
Die SPD kann das ganz offensichtlich nicht, da sie in sich völlig desorientiert ist und agiert.
Die Merkel-Partei sollte in die Minderheitsregierung getrieben werden, schon aus Selbsterhaltung für die SPD, aber auch als Demokratie-erneuerndes Experiment für Deutschland.
Die Neuwahlen werden nur weiter verschoben, vielleicht sogar bis nach den Wahlen in Bayern. Bis dahin wird gesteinmeiert und sondiert bis auch die Seeheimer Partei Deutschland (SPD) das schwarze Loch entdeckt, indem ihre Mandate verschwinden. Aber in der Zeitspanne können noch lukrative Posten ergattert werden.
Glückauf, 18% bei der nächsten BTW sind eventuell drin, wenn die über 70jährigen unverdrossen zur Wahl gehen, die immer noch glauben, mit der SPD eine soziale Arbeiterpartei zu wählen. Wenn man beispielhaft die Darbietungen des ehemaligen Juso-Vorsitzenden Niels Annen und des DGB-Vorsitzenden auf dem Parteitag gesehen hat, dann weiß man, auch ohne Geruchsfernsehen, warum Gewerkschaften und SPD vom Kopf her stinken.
Solange die SPD sich nicht von Grund auf erneuert, den stinkenden Kopf amputiert, sondern weiter von der Kahrs-Gefolgschaft gesteuert wird, wird der Abstieg ungebremst weiter gehen.Mit Rudolf Dressler hätte die Partei einen deutschen Corbyn haben können. Der wurde aber von Schröder und Kumpanei auf's Abstellgleis geschoben, nicht ganz so niederträchtig wie Andrea Ypsilanti, aber genauso endgültig.
Guter Artikel.
Ich denke, man kann schon langsam beginnen, einen Nachruf auf die SPD zu schreiben, damit man vorbereitet ist, wenn es passiert.
Es ist ja nicht nur so, dass sie sich wieder besseres Wissen erneut mit der Union unter Merkel einlassen wollen. Sie haben auch keine programmatischen Ideen, die in die Zeit passen und relevant sind.
Vereinigte Staaten von Europa? Mit wem denn? Polen, Ungarn und fragen wir in Barcelona oder in Madrid nach? Es wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Heulen wäre.
Die Besonderheit der deutschen Wahllandschaft (Landtagswahlen), die den Sozialdemokraten lokale Erfolge erlaubt, sowie das Vorhandensein gewisser "Kernklientel" (öff. Dienst, Großindustrie) lassen die Partei hoffen, dass die 20% in etwa die absolute Talsohle darstellen. Bisschen mehr Huzpe, bisschen mehr flammende Reden, 2-3 Köpfe austauschen - dan werden's wieder 3-5% mehr, was man in 4 Jahren sicherlich als erfolg verkaufen würde.
Ich habe mir vor etwa einem Jahre die Parteikonventrede des damaligen Vorsitzenden durchgelesen. Neben dem üblichen Linksblinken war da viel Angst, ich glaube er hat sogar das Wort benutzt, Angst, dass der ganze schöne Wohlstand, das gute Leben sehr fragil sei und man besser bei der bewährten Politik bleiben solle. Wenn die Programmatik der SPD wie ein selbstgefällig-launiger Wirtschaftsartikel der FAZ klibgt, dann soll man sich auch nicht wundern, dass es so ist, wie es ist.
Hier in Brandenburg hat die SPD versucht ihre Gebietsreform durchzuboxen.Der SPD Politiker M.Bischoff hat Diese verteidigt ohne eigene konstruktive Aussagen warum,weshalb,weswegen....Dann ist er zurückgerudert,als auch oben zurückgerudert wurde.Danach habe ich gedacht,Hörigkeiten gibt es immer wieder in Reinform-Studienobjekt sozusagen. Minderheitsregierung-das ist mein Wunsch. Ich denke, daß es dann auch die PolitikerInnen mit ihren Vorschlägen,Ideen und Umsetzungsstrategien schaffen, die in ihrer eigenen Partei immer nach hinten geschoben werden. Und der festgefahrene Regierungsapparat muß sich bewegen, weil Vor-,Unter,-Hauptsekretär Störfeuer abbekommen und die Lobbyisten sich auch hinten anstellen müssen,weil ihre Eingangstüren schwerer aufgehen.Ich denke immer noch, daß sich trotz AfD im Bundestag Demokraten finden,die den Hetzern im Schafspelz gewachsen sind.A.Merkel- leider hat sie ihre Selbstkritik verhalten,in wichtigen Sachverhalten zu spät oder gar nicht geäußert.Für mich ist das Versagen des Staates (NSU) das Beispiel schlechthin.
Seltsame Betrachtungen. Nur ist Deutschland nicht mit Griechenland, den Niederlanden oder Frankreich vergleichbar. Durch den Art. 21 GG haben die deutschen Parteien die Bürger zu ihren Finanziers gemacht. Denn deutsche Parteien haben dreierlei Finanzierungen, mit denen sie jede Menge hauptamtliche Funktionäre fürstlich versorgen und ehrenamtlichen Funktionären Aufwandsentschädigungen zahlen können. Der fetteste Brocken, die Wahlkampfkostenbeihilfe, wird nämlich von allen Steuerzahlern finanziert, dann kommen Spenden und Mitgliedsbeiträge.
Wer jetzt behauptet, dass die Beteiligung der SPD-Fraktion mit ihren 153 Abgeordneten an einer Regierung der ganzen SPD mit ihren 443.000 Mitgliedern und darunter eben jede Menge hauptamtlichen und eherenamtlichen Funktionären, der SPD gehörenden Wirtschaftsunternehmen sowie Stiftungen und derem Personal schaden würde, sollte das doch mal genauer erklären.
Wer so argumentiert, als würde die SPD untergehen, wenn sich ihre Abgeordneten an einer Regierung beteiligten, tut so, als würde die für die Sozialdemokratie intellektuell notwendige theoretische Arbeit ausschliesslich von den SPD Abgeordneten geleistet und nicht etwa von Parteiorganisationen, -einrichtungen und -stiftungen. Den Abgeordneten arbeiten übrigens sowohl eigene Mitarbeiter zu als auch Einrichtungen des Bundestages.
Wer also so tut, als wären die SPD-Bundestagsabgeordneten durch eine Regierungsbeteiligung intellektuell überfordert, weil sie dadurch nicht mehr genuin sozialdemokratische Positionen bestimmen könnten, stellt ihnen ein Armutszeugnis sondergleichen aus. Das machen tatsächlich auch einige SPD-Bundestagsabgeordnete selbst, die auf diese Weise gegen die Regierungsbeteiligung argumentieren.
Geschichtlich ist es übrigens so, dass 1930 die SPD-Reichstagsabgeordneten die Regierung Herrmann Müllers sabotierten, Müller zur Abdankung zwangen und anschliessend auch den bürgerlichen Abgeordneten und Regierungen die Unterstützung verweigerten, wodurch der NSDAP der Weg geebnet wurde.
Wer also den bürgerlichen Parteien CDU/CSU die Unterstützung verweigert, macht heute den linken und rechten Rändern den Weg frei. Denn in der Oppositon ist es der SPD schon damals nicht gelungen, linke und rechte Parteien sowie erst recht die faschistische NSDAP zu bekämpfen, klein zu halten und aus dem Parlament zu verdrängen. Das ist auch folgerichtig logisch. Wozu soll man eine SPD wählen, wenn sie nicht regieren will?
Ein guter Kommentar. In der Tat riecht das, was die SPD da gerade macht - staatspolitisch, nicht parteitaktisch - nach Endzeit Weimar.
Andererseits ist das eben das Schicksal einer derartigen Formation. Wie soll ausgerechnet eine Truppe liberalparlamentarischer Marxisten - es gibt keine Sozialdemokratie ohne politische Schizophrenie - den großen Überblick haben!? Diesesnsich selbst zuzuschreiben gehört zum politischen Ritual in der SPD. In tatsächlich von außen attestiert zu bekommen ist etwas anderes.
Es sei in diesem Zusammenhang auch an das Verhalten der Sozialdemokraten in Österreich in den frühen 1930er Jahren erinnert. Dort verhielt sich die Partei nicht bloß aus Versehen irrlichternd, sondern gezielt und offen feindlich gegenüber den Schwarzen der etwas stärkeren CS, die sie dringend gebraucht hätten, gerade nach 1933, um die Republik gegen die aus dem Reich einwirkenden Nazis zu verteidigen. Stattdessen eiskalte Obstruktion im Parlament, härtestes Revolutionsgeschrei auf den Straßen und schließlich die irrwitzige Geschäftsordnungskrise im Parlament, in der Dollfuß erkennt, was von SP-Politikern wie Karl Renner und Otto Bauer zu halten ist. In der Folge von Dollfuß' Durchregieren kommt es in Österreich 1934 zu einem kleinen Bürgerkrieg - heute weithin vergessen - zwischen CS und Sozialdemokratie, den die Schwarzen gewinnen. Hat es was genützt? Nein. Ein halbes Jahr später war Dollfuß tot, ermordet auf Hitlers befehl, 1938 ist ganz finito und "Anschluß".
Man muss sich das in Berlin mal vorstellen: Hitler ante Portas, die SPD im KPD-Modus, eine härtere Zentrumspartei, die realisiert, dass die Sozialdemokratie sich nicht verantwortlich verhält und daraufhin eine Art präventive Diktatur errichtet, damit die Nazis es nicht tun ("überhitlern"), und die daraufhin Generalstreiks organisierende SPD in blutigen Straßenschlachten besiegt, ehe die Nazis sich dann doch durchsetzen.
Es wird freilich bei allem hätte, hätte Fahrradkette immer ein bisschen vergessen, dass Nazis von niemanden innenpolitisch besiegt wurden, sondern außenpolitisch Selbstmord begingen. Daraus zu schließen, die innenpolitischen Effekte, die sie stark machten, seien weg, ist der nächste Fehler. Sie sind, gerade was das Ökonomische angeht, sehr wesentlich noch da. Ob Marx womöglich gar keine Linkssozialisten meinte?
Eine nicht bösartige, aber in ihrer ganz eigenen Naivität befangenen und in kritischen Situation heillos überforderte Formation wie die SPD, hatte dem jedenfalls wenig bis gar nichts entgegenzusetzen. Wenn man sieht, wie kinderleicht es selbst der halb bürgerlichen und nadelstreifig- professoralen AfD fällt, in sozialdemokratischen Bockwurst-Milieus mit milden Methoden zu reüssieren, wird einem klar, wie leicht es die proletarisch-brutale und entschlossenere NSDAP es dort hatte. Auch dank der Verranntheite: Der Genderismus von damals hieß Weltrevolution, die Flüchtlingskrise hieß Erfüllungspolitik und die Eurorettung nannte man Reparationen.
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Mit dem Fernrohr hat es keine Weltwirtschaftskrise, sondern eine Eurorettungskrise mit Nullzinspolitik gebraucht und eine Migrationskrise und die bis dato superstabile Bundesrepublik bröckelt.
Die längste Zeit hatte ihr Parteiensystem mit dem von Weimar wenig gemeinsam. Inzwischen sind indes exakt die alten "Positionen" wieder besetzt und man kann die beiden Parteilandschaften fast parallel denken. Natürlich sind die Flügelparteien milder und keine Staatsfeinde, bei den Parteien der Mitte krank es weniger an überfordernden äußeren Einflüssen, sondern schlicht am politischen 1x1 (vor allem bei Union und SPD) Dennoch ist die Parallelität erstaunlich.
SPD = SPDZentrum = CDUBVP = CSUDVP = FDPDDP = GrüneKPD = LinksparteiDNVP = AfDNSDAP= "Flügel" der AfD
"Der Vollständigkeit" halber würde sich noch der rechtssozialistische Höcke-Flügel abspalten. Vielleicht überspringt die AfD das auch einfach und Höcke überspielt Gauland parteiintern.
Und die SPD? Sie lässt, offenbar davon ausgehend, eine Art historisches Abo auf politische Wichtigkeit zu haben (es ist der nächste schwere Irrtum) die Union im Regen stehen, während sie gleichzeitig immer intensiver vor der AfD warnt, die gerade ihre Kernmilieus absorbiert.
Wenn das ganze Spiel ein Pferderennen wäre, die SPD wäre der schlechteste Tip. In den Gedanken selbst führenden Sozialdemokraten, kommt die Probleme des Landes, dessen Bürger sie wählen sollen, schon nicht einmal mehr vor. Dieses Blog da oben ist symptomatisch: reine Organisationsinnenperspektive. Und hinsichtlich Duisburg-Marxloh ist die Sozialdemokratie schon deswegen nicht die Antwort, weil sie die Ursache ist.
>>Das schwarz-rote Projekt ist misslungen - zumindest aus dem Blickwinkel der SPD.<<
Das kann man auch anders sehen: Die Kapitalrendite bedienende „S“PD hat mit ein paar progandaträchtigen Verzierungen ihre Agenda 2010 gefestigt. Das ist nicht misslungen, und wenn ihre Lobbyisten jetzt sagen, sie sollen sich nicht in die „Opposition“ zurückziehen, sondern müssen noch mal ran, leisten sie dem Folge. Denn Kapitalvertreter ärgert man nicht, das weiss hierzulande jeder Depp.
>>Diese Partei hat Bismarck und Hitler überstanden. Aber an Merkel soll sie zugrunde gehen?<<
Aber nein, doch nicht an Merkel. 1914 stimmte die Mehrheit der SPD-Reichstagsfraktion für die Kriegskredite. Das hat die SPD nicht überstanden: Sie spaltete sich auf in USPD und Spartakusbund(später KPD). Übrig blieb ein Zombie namens „S“PD. Und der hat die Agenda 2010 nicht überstanden: Es gab eine erneute Abspaltung der Nichteinvertstandenen: Die WASG, die sich mit der PDS zur Partei „die Linke“ vereinigte. Was sollen wir mit dem modrigen Rest anfangen ausser ihn endlich in die verdiente Bedeutungslosigkeit sinken zu lassen?
>>Oder wollen sie sich selbst zerstören? Dann ist ihr jetziger Weg genau der richtige.<<
Ja klar: Für Zombies ist der Tod eine Erlösung.
Protest!
Ich bin 70 und habe noch nie die SPD mit einer sozialen Arbeiterpartei verwechselt, seit 1967 die vom SPD-Innensenator Neubauer ("Neuhauer") befehligte Polizei in Westberlin auf mich einprügelte.
"als würde die für die Sozialdemokratie intellektuell notwendige theoretische Arbeit ausschliesslich von den SPD Abgeordneten geleistet und nicht etwa von Parteiorganisationen, -einrichtungen und -stiftungen."
Sie finden also, diese Arbeit sei in den letzten Jahren geleistet worden? Können Sie das näher erläutern? Welche Ergebnisse dieser Arbeit haben Eingang in eine Strategie der SPD gefunden?
"Wer also den bürgerlichen Parteien CDU/CSU die Unterstützung verweigert, macht heute den linken und rechten Rändern den Weg frei."
Sie können die Situationen in den 1930ern und heute nicht 1:1 vergleichen. Das Aufkommen der NSDAP war weitgehend das Ergebnis eines verlorenen Krieges und des Versailler Vertrags.
Das Aufkommen der AfD, die zudem nicht einmal entfernt der NSDAP ähnelt, ist ein Ergebnis dessen, dass sich ein Teil der Bürger durch die "Volksparteien" CDU/CSU und SPD und deren Politik nicht mehr vertreten sieht. Mir ist unklar, wie man das heilen will, indem man weiter macht wie bisher.
""Der Vollständigkeit" halber würde sich noch der rechtssozialistische Höcke-Flügel abspalten."
Ich hätte gedacht, der sei in ihrer Analogie Röhms SA.
Da sieht man allerdings auch, dass die Analogie etwas blass ist. Die AfD und die Linke unterhalten keine bewaffneten Formationen. Die AfD hat auch kein Personal von der dunklen Ueberzeugungskraft eines Hitler oder Goebbels.
Recht haben Sie allerdings damit, dass gewisses Gedankengut der AfD ein gesamtgesellschaftliches Attraktionspotential hat, wie dasjenige der NSDAP ein solches hatte und dass es heute wie damals ein internationaler Trend ist.
Wir scheinen an einer Zeitenwende zu stehen, was die gesellschaftspolitischen Ansichten grosser Teile der Bevölkerung angeht und Deutschland ist in dieser Zeitenwende diesmal eher ein Nachzügler. Fast in allen anderen Ländern sind es mehr als 12%, die nicht mehr so weiter wollen wie bisher.
Es ist ein wenig naiv, anzunehmen, dass die SPD dem abhelfen kann, indem sie Merkel wieder Pfötchen gibt. Wenn es überhaupt ein Gegenmittel gibt, dann doch wohl nur durch eine echte Korrektur des bisherigen Kurses. Das geht mit Merkel sicher nicht.
Die SPD scheitert nicht an Merkel oder der "großen" Koalition, sondern an sich selbst. Das Dilemma zeigt sich nicht erst jetzt nach den Wahlen, sondern bereits im Wahlkampf, und zwar an der Glaubwürdigkeit.
Ein Spitzenkandidat, der Steuergerechtigkeit fordert, in Brüssel aber einen Pakt mit einem der größten Wegbereiter der Steueroptimierung, -vermeidung, -umgehung eingeht, um seine Karriere zu sichern, der die Einsetzung eines echten Untersuchungsausschusses zur Aufdeckung skandalöser Steuerpraktiken verhindert, kann nicht glaubwürdig sein.
Ein Spitzenkandidat, der mehr soziale Gerechtigkeit, z.B. eine Bürgerversicherung, proklamiert und dann die FDP als geeigneten oder gewünschten Koalitionspartner anpreist, um sich von der Linkspartei zu distanzieren, kann nicht glaubwürdig sein.
Eine Partei, die die Abschaffung befristeter Arbeitsverhältnisse fordert, deren Bundesminister aber immer mehr befristete Beschäftigung in ihren Ministerien schaffen, kann nicht glaubwürdig sein.
Und eine Partei, deren Vorstand einstimmig die große Koalition ablehnt, um kurz darauf genau das Gegenteil anzustreben, kann nicht glaubwürdig sein.
Die Unterstellung, dass die mächtigen Kräfte in der SPD nichts mehr mit dem Ausbau des Sozialstaates und der Friedens- und Entspannungspolitik zu tun haben wollen, ist keine Unterstellung mehr!
"Daraus zu schließen, die innenpolitischen Effekte, die sie stark machten, seien weg, ist der nächste Fehler."
Ende der 1940er waren die Antwort darauf die DDR, die ja immerhin fast 40 Jahre leidlich stabil war, und die soziale Marktwirtschaft. Obwohl die Sozialleistungen noch immer sehr gut sind, ist die Idee der sozialen Marktwirtschaft mit der Agenda 2010 aufgekündigt worden.
Das hatte einen Exportboom zur Folge, an dem deutsche Firmen hervorragend verdienen. Die Mehrheit der Leute hat davon nichts oder nicht viel. Das leuchtet auch ökonomisch ein. Exportüberschuss bedeutet, dass man Waren für andere produziert. Davon haben nur diejenigen etwas, die den Gewinn einnehmen und in Vermögen umwandeln.
Der Staat hätte die Steuereinnahmen verwenden können, um die Leute ruhig zu stellen. Es ist aber eher so, dass Teile der Infrastruktur schlechter werden, dass die Daseinsvorsorge in den Teilen Sachsens und Brandenburgs, wo die AfD so reüssiert, über Jahre kontinuierlich schlechter geworden ist und dass Einsparungen im Polizeibereich zu einem sinkenden Sicherheitsgefühl geführt haben. Im ländlichen Brandenburg ist es definitiv nicht nur gefühlt gesunkene Sicherheit.
Hinzu kommt, dass eine Mehrheit der Leute - und in diesem Punkt ist es wirklich eine solide Mehrheit - bestimmte Auswüchse des gesellschaftspolitischen Aktivismus der Eliten in Medien und Politik für puren Blödsinn hält. Es ist der letzte Punkt, der die gesamtgesellschaftliche Attraktion der AfD ausmacht. Sobald diese über 20% ist und bemerkt, dass der braune Geruch ihrer weiteren Zukunft hinderlich ist, wird es ungemütlich werden.
"Denn Kapitalvertreter ärgert man nicht, das weiss hierzulande jeder Depp."
Stimmt, führt aber in Bezug auf die Sozialdemokratie zum Hollande-Effekt. Die nächste Stufe ist es, einen Macron als "Anti-Establishment-Kandidaten" zu verkaufen. Verblüffenderweise funktioniert so etwas für die Kapitalvertreter noch. Es fragt sich allerdings, wie lange.
Die darauf folgende Stufe wäre es, dass sich die Kapitalvertreter das Wohlwollen der Neuen Rechten sichern.
"Die SPD scheitert nicht an Merkel oder der "großen" Koalition, sondern an sich selbst."
Da gebe ich Ihnen durchaus Recht, auch mit den darauf folgenden Begründungen.
Ich bin auch nicht für Merkel-Bashing an sich, finde nur, dass es jetzt wirklich an der Zeit für einen Politikwechsel ist und dass ein solcher mit ihr nicht glaubwürdig wäre. Sie will ja auch gar keinen und sieht keine Notwendigkeit dafür.
Aus Sicht mancher SPDler ist diese theoretische Arbeit geleistet worden und wird geleistet. Es fehlen eben Leute wie Peter Glotz oder treten öffentlich nicht in Erscheinung, an denen man bestimmte theoretische Grundsatzentwicklungen festmachen könnte. Diskussionen über Sozialdemokratie finden aber bspw. in verschiedenen Publikationen statt, wie im IPG-Journal der Friedrich-Ebert Stiftung oder Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte.
Da die SPD aber aus vielen Mitgliedern, Funktionsträgern, Mandatsträgern und Gruppen besteht, gibt es auch keine einheitliche Strategie. Das rührt unter anderem daher, dass die SPD von Anfang an keine durch eine konsistente Theorie verbundene einheitliche Partei gewesen ist, sondern ein Zusammenschluss von bis heute miteinander konkurrierender und ringender Personen und Gruppen, die sich auf unterschiedliche theoretische Konzepte berufen. Ein Blick in den Wikipedia Eintrag zur SPD gibt da einen ersten Überblick.
Ich bin übrigens auch weit davon entfernt, die heutige Situation mit der der Weimarer Republik zu vergleichen, indes gibt es einige Parallelen. Tatsächlich ist die AfD einfach eine nationalliberal-konservativ-nationalkonservative Partei und nicht mal ansatzweise mit der NS-Partei in eine auch nur entfernt geistige Verbindung zu bringen. Das aber machen einerseits linksliberale Medien und andererseits Grüne, Linke, SPD, CDU, CSU und FDP jeweils aus verschiedenen Gründen.
>>...dass sich die Kapitalvertreter das Wohlwollen der Neuen Rechten sichern.<<
Eher doch umgekehrt: Dass sich die "Neuen Rechten" das Wollwollen der Kapitalvertreter sichern. Zum Beispiel so wie das die "S"PD 1970 mit ihren Spendenbettelbriefen an alle Konzernvorstände gemacht hat. Josef Göbbels hatte übrigens nach der Neugründung der NSDAP schon die gleiche Idee.
"Da die SPD aber aus vielen Mitgliedern, Funktionsträgern, Mandatsträgern und Gruppen besteht, gibt es auch keine einheitliche Strategie."
Dann leistet die SPD nicht, was eine Partei leisten muss.
In jeder Partei gibt es verschiedene Ansichten. Das war sogar weiland in der SED so oder in der KPdSU oder, um näher an der Jetztzeit zu bleiben, es ist in der KP Chinas so. Selbst in der Merkel'schen CDU, die ein seltenes Beispiel für politisches Mainstreaming ist, gehen die Meinungen auseinander.
Die Idee innerparteilicher Demokratie ist, dass man so etwas ausdiskutiert und sich dann durch Beschlüsse auf eine Strategie einigt, die dann bis zur nächsten Beschlussfassung auch für alle gilt.
Im Uebrigen ist dieses "Innen offen diskutieren, nach aussen geschlossen auftreten" die Grundlage jeder erfolgreichen Politik einer Gruppe von Menschen.
Dass westliche Institutionen dass im Verlauf der letzten Jahre immer schlechter beherrschen und zwar in beiden Teilen (mangelnde interne offene Diskussionen und mangelndes einheitliches Auftreten nach aussen) ist ein sehr wesentlihes Element des politischen Niedergangs des Westens.
Die SPD ist in dieser Hinsicht ein Extrembeispiel. Eine Partei, über deren Richtung keine Klarheit besteht, ist bei Wahlen für niemanden attraktiv. Derzeit lebt die SPD nur noch von Wählern, die Gewohnheitstiere sind. Aber Gewohnheiten schleifen sich ab und der Generationenwechsel tut ein Uebriges.
Wenn man oben der SPD die GLAUBWÜRDIGKEIT in der Kette
Transparenz-Vertrauen-GLAUBWÜRDIGKEIT-Legitimaton
abspricht, was macht dann dieses fehlende Glied mit ihrer Legitimaton?
In Bezug zur wie auch immer gearteten Teilhabe der SPD an der Regierung?
Volltreffer. Nichts mehr hinzuzufügen.
"Martin Schulz: "Ich habe der SPD-Parteiführung heute Abend empfohlen, dass die SPD in die Opposition geht.“ Keine drei Monate später, auf dem Parteitag, klingt das schon ganz anders. Schulz sagt, er wolle „unvoreingenommen“ in die Gespräche mit der Union gehen."
wer muß sich jetzt schon selbst verraten?
>>In jeder Partei gibt es verschiedene Ansichten. (...) Eine Partei, über deren Richtung keine Klarheit besteht, ist bei Wahlen für niemanden attraktiv.<<
Eigentlich müssten sich die Parteien den Ursprung des Begriffs 'Partei' wieder ins Gedächtnis rufen. Partei (lat. pars) ist Teil, ist Richtung. Die dt. Sozialdmokratie hat keine Richtung mehr seit sie sich auf die Seite des Kapitals geschlagen hat. Das war spätestens mit der Agenda 2010 für alle sichtbar. Dieses So-Tun, man sei sozial und demokratisch geht auf Dauer nicht. Die Unglaubwürdigkeit wird immer greifbarer. Die "Erfolge" innerhalb der großen Koalition sind nur Kompromisse, die mit der Union zustande gekommen sind. Der Mindestlohn ist so ein Exempel. Ein Gesetz von Schäubles und Merkels Gnaden. Auf dem Papier gibt es ihn. In der Praxis des Geschäftslebens wird er zunehmend unterlaufen. Unternimmt die Sozialdemokratie etwas dagegen? Wenn, dann nur mit Alibi-Rhetorik. Die sozialpolitische Attitüde dieser Partei ist inzwischen unerträglich.
Auszug aus Mail Nr. 59 | Team Sahra
SPD Bundesparteitag: konzerngesponsertes Weiter so!
Der SPD-Parteitag ging in der letzten Woche leider genau so aus, wie befürchtet: 'Weiter so' mit Martin Schulz und grünes Licht für die Fortsetzung der Großen Koalition des Staatsversagens ... Wenig überraschend ist dieses Ergebnis vor allem, wenn man sich die Liste der 'Aussteller und Sponsoren' des Parteitages ansieht. Gut versteckt zwischen SPD-internen Arbeitsgruppen und Strömungen finden sich dort Konzerne wie BMW. VW oder Audi. Völlig klar, dass diese ein möglicher Anti-Agenda Kurs überhaupt nicht gefreut hätte …
Was uns damit dann jetzt leider erwartet: Ergebnisoffene und höchstwahrscheinlich zähe und langwierige Verhandlungen wie das 'Weiter so' im Detail ausgestaltet werden soll. An der bereits gefallenen Entscheidung gegen einen politischen Kurswechsel im Interesse der großen Mehrheit der Menschen in diesem Land wird sich in diesem Rahmen aber wohl nichts mehr ändern. Zu hoffen bleibt dann nur, dass sich vor diesem Hintergrund endlich bei mehr Menschen die Erkenntnis durchsetzt: Wer eine soziale und friedliche Politik will, der sollte zukünftig DIE LINKE stärken!
Schöne Liste:
Einerseits eine Bürgerversicherung fordern, andererseits den Verband der Privaten Krankenkassen als Sponsor akzeptieren. Oder für Transaktionssteuer sein, aber mit Union Investment einen der Börsengrößen mit an Bord haben. Und dann noch mit dem Zigaretten-Verband reüssieren... Damit wird die sozialdemokratische Geschmeidigkeit perfekt.
"Einerseits eine Bürgerversicherung fordern, andererseits den Verband der Privaten Krankenkassen als Sponsor akzeptieren."
Das ärgert den Verband der Privaten Krankenkassen so lange nicht, wie klar ist, dass die Forderung ins Leere fallen wird, zum Beispiel, weil die Union gegenhält.
Es ist sogar ganz praktisch, wenn die SPD als sozial gilt, ohne es zu sein. Es gibt den Mindestlohn und jede Menge Umgehungsmöglichkeiten. Man kann sagen, man habe etwas Soziales getan oder wenigstens gefordert, aber es tut den Sponsoren nicht weh.
So funktioniert das politische Theater halt. Es scheint, dass immer noch viele in die Vorstellungen gehen.
>>Und dann noch mit dem Zigaretten-Verband reüssieren...<<
Das ist jedenfalls konsequent: Wenn Verbrennungsmotor-Abgase und Feinstaub aus Reifenabrieb gut sind, dann kann das bisschen Tabakrauch nicht schlecht sein.
Die Grünen sind da weniger ehrlich.
("Der Vollständigkeit" halber würde sich noch der rechtssozialistische Höcke-Flügel abspalten.")
"Ich hätte gedacht, der sei in ihrer Analogie Röhms SA."
Nein, dieser ist in der Analogie die NSDAP.
Sie haben ja recht, dass es äußerst fragwürdig ist, die AfD mit der NSDAP zu vergleichen. Programmatisch ist die Annahme schlechthin lächerlich, der politische Habitus ist anders, die Methoden erst recht. Aber es macht einigen Sinn, sie in der Analogie zum Reichstag von 1930ff 'auf dem Platz' der DNVP zu denken. Ungefähr dort steht, 2.0 und den preußischen Adel gibt es nicht mehr, die AfD von Meuthen und Gauland. Aber dann fehlt eben noch eine Partei, um den Analogie-Reichstag komplett zu haben. Und das ist die NSDAP. Und deren Milieu in der Tat auch in der AfD. Dass deutsche Linke zwischen Deutschnationalen, Nationalkonservativen, Nationalliberalen, Nationalsozialisten nicht unterscheiden können, ändert nichts daran, dass die langweilig gewordene Nazikeule auf dem äußersten AfD-"Flügel" (zufällig!) trifft. Doris von Sayn-Wittgenstein ist das perfekte Beispiel. Allerdings heißt das nicht, dass die Germanen am Ural züchten wollen. Es ist eigenartig, dass man die Grundfiguration mit einem historischen Programm verwechselt. Weswegen man ja auch so ratlos vor dem Front National steht.
"Da sieht man allerdings auch, dass die Analogie etwas blass ist. Die AfD und die Linke unterhalten keine bewaffneten Formationen."
Die AfD nicht. Die Linke im Sinne des Rotfrontkämpferbundes auch nicht. Indes würden Ihnen AfD'ler jetzt sagen, dass die Jungs, die in Hamburg Weltrevolution gespielt haben und sich vor jedem Parteitag der AfD mit der Polizei Straßenschlachten liefern, dessen Nachfolger sind. Zumindest kann man sagen, dass die politische Linke in Deutschland heute politischen Straßenschlachtmustern weniger fern ist als die Rechte.
"Die AfD hat auch kein Personal von der dunklen Ueberzeugungskraft eines Hitler oder Goebbels."
Jedenfalls nicht in der ersten Reihe, wo die heute Show das mitbekommt.
"Recht haben Sie allerdings damit, dass gewisses Gedankengut der AfD ein gesamtgesellschaftliches Attraktionspotential hat, wie dasjenige der NSDAP ein solches hatte und dass es heute wie damals ein internationaler Trend ist."
Wobei die AfD sich als einen Reparaturbetrieb sieht - Schwerpunkte Euro und Asylmißbrauch - und keinesfalls von irgendwelchen Visionen geplagt ist. Das war bei der NSDAP deutlich anders.
"und dass es heute wie damals ein internationaler Trend ist"
Ja klar. Weil das ökonomistische Gegeneinander des liberalen Menschen (oder mit dem progressiven Kampfbegriff: des neoliberalen) immer noch als Generalpolitmaxime fortwest. Weil allerdings auch linke, "linksliberale" Parteien, auch die SPD, ganz gerne der Entgrenzung, Globalisierung, Vereinheitlichung, den Kulturbrüchen dienen, manchmal ohne es zu merken, ist heute auf einmal manch alte Ideen der Konservativen Revolution en vogue. Weil man es als Wähler durchschauen kann (oder instinktiv spürt), dass man nicht liberal sein kann im ökonomischen Sinne, aber "Neoliberalismus" verflucht, was ein Hobby bspw. der heutigen Sozialdemokratie ist. Versteht man wirklich nicht, was die Polen da gerade machen? Sie wollen eine liberale Richterschaft verunmöglichen. Das Wort klingt so fein. Eine dem Gegeneinander und der Kommerzialisierung dienende Richterschaft verunmöglichen.
Stichwort illiberale Demokratie. DAS ist der Trend. Sogar unabhängig von der Traditionslinie. Ein Melenchon (ein nicht gekaufter Rotsozialist) hat ganz gut abgeschnitten. Ein Orban (Christdemokrat) und eine Le Pen (National-Sozialistin) ebenfalls.
Und weil wir unter einem Blog zur SPD diskutieren: zu den Gründen für die Wahlniederlage dieser Partei zählt aus meiner Sicht sehr wesentlich, dem Liberalismus als Positivbegriff für sich - nicht für die Wähler - entdeckt zu haben. Diesen Fehler machen die Rechten nicht. Das eigenartige bei der AfD ist, dass sie Liberale und Antiliberale anzieht. Vor allem Weidel und Meuthen sind eindeutig liberale Ordnungspolitiker. Bernd Lucke war fast die Karikatur eines solchen.
"Wir scheinen an einer Zeitenwende zu stehen, was die gesellschaftspolitischen Ansichten grosser Teile der Bevölkerung angeht und Deutschland ist in dieser Zeitenwende diesmal eher ein Nachzügler."
Das war während der ersten antiliberalen Welle in den 1920ern und 1930ern aber auch so. Das Experimentierfeld der Linken damals die Sowjetunion, das er Rechten Italien, dessen Beispiel Deutschland in der Grobvariante und mit Unsinnszutaten (statt dem Staat rückte die Rasse in den Mittelpunkt) übernahm. Heute hat die Linke kein Experimentierfeld, wenn man von Venezuela einmal absieht, auch weil sie in 95% der Fälle dem Liberalismus dient und als Alternative ausfällt (worüber sich die netten Leutchen, die im Dieste des Geldes angeblichen "Neoliberalismus" bekämpfen wollen wie Don Quixote die Windmühlen sich erstaunt die Augen reiben - siehe das Blog da oben). Die Rechte experimentiert in Osteuropa. Und sie fetzt sich darum, welche den Hut aufhat. Das war um 1930 auch so und die Konservativen haben verloren bis spätestens 1934. Heute stehen ihre Aktien besser. In Ungarn wird die Jobbik-Partei heutezugunsten von Fidesz gerade finanziell ausgetrocknet.
Wenn der Homo Oeconomicus und sein Schuldengeldsystem noch einmal durch Schwarze Freitage (oder Euro-Crashs) in Europa politisch unter die Räder kommen (er arbeitet tagtäglich daran), kommt er sehr wahrscheinlich kein zweites mal zurück. Dieses Glück hatte er im Lichte betrachtet doch nur, weil auf Kriegsfronten die wirtschaftshistorische Ablösung zeitlich schnitten. Das liberalkapitalisische System hatte in den 1920er und 1930er Jahren in Kontinentaleuropa erst politisch, dann bis 1940 auch militärisch verloren, dann aber, auf einer Insel ausharrend das Glück, dass sich die groben Kollektivismen der damaligen Zeit schließlich gegenseitig an die Gurgel gingen.
Allerdings belauern sich heute keine hochgerüsteten Nationalstaaten mehr in Europa. Es liegen Natostrukturen drüber.
DAS ist so ungefähr der Hintergrund, vor dem "bunter werden" der liberalen Abschrumpf-SPD ein klein bisschen albern wirkt.
"Es ist ein wenig naiv, anzunehmen, dass die SPD dem abhelfen kann, indem sie Merkel wieder Pfötchen gibt."
Die SPD kann dem überhaupt nicht abhelfen. Wenn Sie mit den Liberalen marschiert, sind die Rechten stärker, weil das Antiliberale im Trend liegt. Wird sie selbst illiberal (was nicht rechtsstaatsfeindlich heißt , sondern ökonomismusskeptisch), sind die Rechten bessere Patrioten (auch so ein Trend) und überhaupt weniger in den materialistischen Kategorien enggeführt. Das marxistische Erbe wiegt als intellektuelle Engführung sehr schwer. Gibt es irgendein Probem, lautet die Analyse der SPD: Die Leute sind arm. Der härteste Salafisus ist für deutsche Linke ein Armutsproblem. Bin Laden war Milliardär! Fragen Sie mal eine Sozialdemokraten, was eine Seele ist oder eine Kultur. Die Rechten theoretisieren zwar weniger herum, sind intellektuell aber deutlich breiter unterwegs als eine Formation wie die SPD, auch wenn deren Anhängerschaft sich selbst als Oberchecker ansieht, das aber nicht ist und die intellektuellen Engführungen selbst nicht bemerkt.
Mein Rat an die SPD wäre es, eine Harmoniepartei zu werden. DAS wäre den Rechten überlegen. Aber das groteskliberale Arbeiterwohlfahrtsgetue ist einfach erbärmlich.
Für diese großen Linien spielt es indes keine Rolle, ob die SPD in die Groko geht oder nicht. Sie hat ein ideelles und ein intellektuelles Problem, als Resultante inzwischen auch ein moralisches. "Gift" ist die Groko nicht wegen Person Angela Merkel, sondern wegen des Programms und der Ziele der Angela Merkel.
Es ist sehr aufschlußreich für den Zustand der SPD, dass diese in Wahrheit eine Haßliebe mit Merkel verbindet. Sie finden die Überzeugungen der Kanzlerin besser als ihren Politikstil.
Wo man Wahlen gewinnt, sieht man das im Zweifel andersrum.
"Wenn es überhaupt ein Gegenmittel gibt, dann doch wohl nur durch eine echte Korrektur des bisherigen Kurses. Das geht mit Merkel sicher nicht."
Das stimmt. Allerdings wird die SPD in der Opposition auch nicht mal eben hunderfünfzig Jahre politischer Geistesgeschichte nachholen können.
"Für diese großen Linien spielt es indes keine Rolle, ob die SPD in die Groko geht oder nicht. Sie hat ein ideelles und ein intellektuelles Problem, als Resultante inzwischen auch ein moralisches."
Da haben Sie wohl Recht.
>>Sie hat ein ideelles und ein intellektuelles Problem, als Resultante inzwischen auch ein moralisches.<<
Einige Leute haben sicher ein Problem mit der "S"PD, weil sie ihre Erwartungen permanent enttäuscht und mittlerweile auch nicht mehr als "kleineres Übel" gesehen werden kann. Das heisst aber nicht, dass die "S"PD (ausser Marco Bülow) ein Problem mit sich hätte.
@Banana King
Vielen Dank für ihren tollen Kommentar! Wenn Sie hier Artikel schreiben, sagen Sie bescheid :).
LG
>>Die dt. Sozialdemokratie hat keine Richtung mehr seit sie sich auf die Seite des Kapitals geschlagen hat.<<
Naja, sie ist eben von der Partei der besitzlosen Arbeitskraftverkäufer zur Partei der arbeitskraftkaufenden Produktionsmittelbesitzer geworden. Es gab aber mehrere Abspaltungen von Leuten, die den Richtungswechsel nicht mitvollziehen wollten: Die WASG-Gründer, und vor ca. 100 Jahren schon diejenigen, die den Richtungswechsel von der Friedens- zur Kriegspartei nicht mitmachen wollten. Es ist also nicht so, dass es ausser dem mittlerweile schon sehr streng riechenden Zombie "S"PD nichts gibt.
Der Gang in die "Mitte" war der Untergang. Doch Selbstzerstörung ist angesagt, en gros et en petit. Das Anthropozän! Als Macron noch Wirtschaftsminister unter Hollande war sagte er:"Der status quo führt in die Selbstzerstörung!" Richtig! Und heute, als Präsident, ist er genau dabei es weiter zu tun. Oder nehmen wir Trump. Er tut alles,damit sie es bald hinter sich bringen, das Ende. Amerika first! Ja, genau, bitte, sie zuerst game over! Das westliche Paradigma ist am Ende und will es nicht zugeben. Wir sind dran! Ja, genau, lieber Club of Rome, so ist es. Bei einer solchen Weltlage ist die SPD ein petitesse. Groko ist nicht Verantwortung übernehmen, sondern Zustimmung zu Weiter so! Der Souverän hat das abgewählt. Nehmt ihn ernst, sonst seid ihr bald Geschichte. Ja, an der Saarschleife nahm die SPD lieber Schröder als Lafontaine. Der kapitale Fehler der Sozialdemokratie! Wo ist er heute, der Alphatier-Basta-Frauen-Ex-Kanzler? In Russland! Der Mann aus Würselen ist nicht der Retter der SPD. Heute Groko und dann ein zwei Jahre so tun als ob und dann peng -raus aus der Regierung und rein in die vorgezogenen Neuwahlen? Ist das das Kalkül? Hilfe! Die Welt schaut zu, was der Exportweltmeister so tut. Frau Merkel will nur in die Geschichte eingehen, ohne Schrammen. Von der einst mächtigsten Frau der Welt zur heute klein-klein Schacherin? Ich bitte sie...
Die gehen nicht nur in die Vorstellungen, die applaudieren auch noch frenetisch ohne zu Wissen, um was es eigentlich geht. Denn wichtig ist allein, daß man ins Theater geht oder eine Dauerkarte hat oder wie man sich gekleidet ist. Gesprächstoff für die Pausen muss natürlich auch da sein, z.B. wie lustich der Nuhr gestern im TV wieder mal war oder was bei Lanz geschwafelt wurde...
Die SPD wird zusammen mit dem Euro untergehen.
Sie bietet in Koalition mit der Union ein unverfehlbares Ziel für
die AFD. Das hat sie mit den Vereinigten Staaten von Europa gemein.
Amerikanische Verhältnisse in Europa ist sicher nichts, was die Bürger sich wünschen.
"Bismarck und Hitler überstanden, aber an Merkel zugrunde gehen?"
Eine reichlich primitiv-bösartige Zwischenzeile. Was soll das? Die SPD ist nicht "an Merkel" zugrunde gegangen. Sie hat ihr nichts entgegen zu setzen gewusst. Dieses Bild als sei die Bundeskanzlerin "ein Vampir" bedient auch noch reichlich misogyne Assoziationen. Ich warte auf die Zeile: Merkel ist Deutschlands Unglück.
" Ich warte auf die Zeile: Merkel ist Deutschlands Unglück. "
Dann wollen wir mal hoffen, dass Sie diese Zeile nicht doch noch lesen müssen.
Angela Merkel war sicher eine Zeit lang ein Glücksfall. Das ist sie aber inzwischen schon nicht mehr, und wenn sie so lange wie ein Generalsekretär einer kommunistischen Partei an der Macht bleiben will, wird sie unweigerlich irgendwann zum Unglück werden.
Ich habe mir den Parteitag der SPD zum Teil angesehen, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Am Anfang war schon klar, worauf es hinaus laufen würde. Martin Schulz ist ja ein netter Mann, mehr aber auch nicht. Ich weiss allerdings auch nicht, wen ich mir sonst als Erneuerer vorstellen könnte. Außer Kevin Kühnert und die Jusos, von denen ja nicht mal ein einziger Gedanke am Ende die Mehrheit erhielt.
Scholz!? Oppermann geh du voran?! Ach nee. BätschiNahles?! Der Parteitag erinnerte ein bisschen an ein verschämtes Familientreffen, man weiss, es muss etwas Grundlegendes geschehen, eine Familientherapeut muss her, es muss Wahrheit gedacht und gesprochen werden, aber dann haben doch alle Angst vor der Wahrheit. Die Wahrheit, die ua lautet: Hartz 4, InsiderBlase, Niedriglohnsektor, mangelnde Repräsentation des "Prekariats". Im Ruhrgebiet haben ehemalige SPDWähler die AfD gewählt, in Dortmund zB, ja was will uns das sagen? Ich sehe es auch so, dass Schröders Agenda 2010 und das BlairPapier den Niedergang der Sozialdemokratie eingeläutet hat. Wir sehen uns auf der nächsten Beerdigung.
Merkel übrigens macht, was sie immer macht: schaut schweigend zu, wie die SPD sich zerlegt. Haha. Amen.
KoKo ist eine Gute Erfindung der SPD das dieses der Union nicht genehm ist war klar.Die SPD nimmt mit der KOKO alle Mitglieder dem Parlament in die Pflicht und das ist auch Gut so.Noch einfacher wäre es eine Regierung zu Bilden wenn Merkel endlich ihren Hut nimmt.Deutschland hat 61,5 Wahlberechtigte davon haben 49,5 Merkel /CDU/CSU nicht gewählt.Merkel ist nicht in der Lage eine Regierung zu Bilden schon traurig für Deutschland.Wer mit Merkel Koaliert wacht mit einem Totalschaden wieder auf.
VERANDWORTUNG!
"Wollen die Genossen in Deutschland ihren Niedergang aufhalten? "
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Einige Rest-Linke und die Jusos wohl schon.....die Seeheimer innerhalb der sPD sehen ihre Zukunft wohl eher im Ruhestand, in der cdU oder in den Aufsichtsräten der von ihnen und ihrer neoliberalen Politik seit Beginn der Kanzlerschaft Schröder gepamperten deutschen und Internationalen Großunternehmen...gepampert wohlgemerkt auf Kosten des ureigenen Wählerklientels und der Glaubwürdigkeit der Partei.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/spd-die-zombie-partei-augstein-kolumne-a-1046004.html
MfG
biggerB