Vergesst nicht: Wir brauchen Europa!

Griechenland-Krise In Europa stehen die Zeichen auf Spaltung. Wer daran Schuld hat, wird einst die Geschichtsbücher interessieren. Zunächst gilt es die Erosion unserer Werte zu verhindern

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Vergesst nicht: Wir brauchen Europa!

Foto: Sakis Mitrolidis/AFP/Getty Images

„Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde eine Hoffnung für viele. Sie ist heute eine Notwendigkeit für uns alle.“ Das hat Konrad Adenauer in einer Regierungserklärung am 15. Dezember 1954 gesagt. Welche Gründe könnte man haben, „das erfolgreichste Friedensprojekt der Geschichte“, wie Guido Westerwelle die europäische Integration nannte, auf die Klippen zuzusteuern? Da fallen einem nur wenige ein. Aber natürlich findet man welche, wenn man sich nur genug anstrengt. Beim Geld hört die Freundschaft bekanntlich auch auf. Doch die Griechen sind nicht nur unsere Freunde, sie sind unsere Verbündeten. Der französische Schriftsteller Victor Hugo träumte bereits im Jahr 1849 von den Vereinigten Staaten von Europa und verkündete bei dem Friedenskongress in Paris: „Der Tag wird kommen, an dem Ihr Frankreich, Ihr Russland, Ihr Italien, Ihr England, Ihr Deutschland, Ihr alle Nationen des Kontinents – ohne Eure unterschiedlichen Eigenschaften und Eure glorreiche Eigenheit zu verlieren -, Ihr Euch in einer höheren Einheit eng verschmelzen werdet und dabei die europäische Brüderlichkeit bilden, genau so wie die Normandie, die Bretagne, der Burgund, Lothringen, das Elsass, alle unsere Landteile sich in Frankreich verschmolzen haben.“ Auch Politiker wie Winston Churchill oder Helmut Kohl können als Verfechter dieser Idee bezeichnet werden. Doch im Moment scheint es, als würde uns die Puste ausgehen und wir hätten längst den Wert eines Zusammenschlusses der europäischen Völker vergessen. Totaler Filmriss. Der darauffolgende Kater wird eine Flucht ins Nationale und die Reduktion des europäischen Wir-Gefühles mit sich bringen. Doch schon Francois Mitterand wusste: „Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg!“ Also kann das Projekt Europa nur gemeinsam und mit genügend Rücksichtnahme auf die Partner gelingen. Doch stattdessen ist der Umgang mit Griechenland und ihrer Regierung infernalisch. Gregor Gysi stellte vor Kurzem bei einer Rede im Bundestag fest, dass es schließlich keine linke Regierung gewesen wäre, die das Schlamassel im Mittelmeeranrainerstaat angerichtet hätte, sondern die „Schwester- und Bruderparteien von CDU/ CSU und SPD, nämlich die Konservativen und die Sozialdemokraten“. Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber scheinbar war es notwendig dies noch mal zu betonen. Dem Kabinett von Alexis Tsipras hat man von Anfang an keine Chance gegeben und seinen Mitgliedern ist man höchstens mit Häme begegnet. Wir erinnern uns: Kommissionschef Jean-Claude Juncker, jener Mann, der Ungarns Premier Viktor Orbán, einem Zyniker vor dem Herrn, mit den offensichtlich ironisch gemeinten Worten „The dictator is coming“ begrüßte, hat bei einem Treffen dem griechischen Premier eine leichte, wohl freundschaftlich gemeinte Ohrfeige gegeben. Juncker mag den jovialen Umgang mit vermeintlich schwächeren Kollegen. Francesco Giammarco schreibt dazu in der FAZ: „Durch Körperlichkeit ordnet Juncker Machtverhältnisse.“ So ist das. Aber so darf es nicht sein. Immerhin wurde Tsipras in einem Land mit knapp 11 Millionen Einwohnern durch einen demokratischen Prozess in das Amt des Ministerpräsidenten gehievt. Ein wenig Demut würde dem Luxemburger besser stehen. Und unserer Kanzlerin natürlich auch. Doch Merkel lässt Hellas ins Messer laufen und ist davon überzeugt, dass das Europa von heute resilient genug sei, um "mit einer solchen krisenhaften Situation umzugehen“. Da macht jemand gute Mine zum bösen Spiel. Doch der Tag wird kommen, an dem wir es bereuen. Wir brauchen Europa!


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Geschrieben von

Dorian Baganz

Redakteur „Politik“, „Wirtschaft“, „Grünes Wissen“

Dorian Baganz, geboren 1993 in Duisburg, studierte Politik und Geschichte in London, Berlin sowie in Oslo. 2019 war er als Lokalreporter für die Süddeutsche Zeitung im Umland von München tätig. Seit 2022 ist er Redakteur beim Freitag und schreibt dort vornehmlich über Klimathemen und soziale Umbrüche. Gemeinsam mit Pepe Egger baute er ab 2022 das Nachhaltigkeitsressort „Grünes Wissen“ auf. Dort veröffentlicht er längere Reportagen, u.a. über geplante Gasbohrungen vor Borkum oder ein Wasserstoffprojekt in der Nordsee.

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