Grüner wird's nicht

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Vom Fluch die Umwelthauptstadt Europas zu sein

Nein, ich habe keinen grünen Daumen. Pflanzen gehen bei mir aus Prinzip oder stummen Protest ein. Schade, ich mag Pflanzen. Letztens habe ich mir sogar eine Reportage über einen Landschaftsgärtner aus Kalifornien angeschaut. Grüner Rasen im Vordergarten ist für den gemeinen Amerikaner nämlich ein genauso wichtiges Statussymbol wie „naddel-esque“weiße Zähne. Je nach Größe des Geldbeutels wird somit in Gras investiert. Sprinkleranlagen, die auch noch unter heißen Sonne Südkaliforniens ein sattes Grün zaubern, das selbst Dithmarscher Kühe vor Neid erblassen ließe. Was tun jedoch amerikanische Bürger, die es sich nicht leisten können, abertausende Dollar in die Bewässerung ihrer Rabatten zu investieren? Wir wären nicht in Amerika, wenn es nicht auch für diese missliche Lage eine Lösung gäbe. Das verdorrte, braune Gras –eher an die Sahelzone erinnernd- wird angesprüht mit eigens für dieses Problem entwickelter Rasenfarbe. Zumeist wird Schein oder Sein sowieso nicht hinterfragt.

Auch in der alten Welt macht sich eine ähnliche Vorgehensweise breit:in der neu gekürten Umwelthauptstadt Hamburg. Nein, Hamburg besprüht seine zweifellos zahlreichen Parkanlagen nicht mit Rasenfarbe. Auch das grüne Kupferdach des Rathauses ist eher Zeugnis einer aufgrund der bekannten Witterung natürlich gewachsenen grünen Patina. Hamburg hat den Titel Umwelthauptstadt Europaswohl für die Vorreiterrolle u.a. beim Emissions- und Klimaschutz sowie beim flächensparenden Bauen erhalten.Wobei flächensparendes Bauen auch heißt, Pausenhöfe werden auf Schuldächern gebaut und erinnern eher an Knastausläufe. Die Fläche für einenSchulhof parterre war zu wertvoller Baugrund. So geschehen in der Hafencity.

Natürlich freue ich mich über eine grüne Stadt, halbwegs frische Luft und ein gesundes Umweltbewusstsein. Ich versuche Strom zu sparen und Müll zu trennen, fahre Fahrrad. Und dennoch brenne ich mir nicht den Umweltengel auf die Stirn.

Welchen Sinn erfüllt also ein Titel? Die Auszeichnung „ Umwelthauptstadt Europas“ wird natürlich dankend von Hamburg-Vermarktern aufgenommen und zieht sich wie ein grüner Faden durch die ökologisch gebleichten PR-Magazine der Stadt. Der Info-Pavillon am Hamburger Hauptbahnhof gibt sich alle Mühe, Hamburg im grünen Licht erstrahlen zu lassen. Sogar ein CO2-Rechner misst den persönlichen CO2-Austoss der Hamburger Bürger pro Jahr und sorgt für ein schlechtesGewissen. Im freundlichen Grün liegen Infobroschüren mit Vorträgen, Aktionen, Festivals zum grünen Jahr aus. Veranstaltungen, die durchaus interessant sind und das Umweltbewusstsein schärfen, aber andererseits für die grüne PR-Walze der Stadt instrumentalisiert werden. Am kommenden Wochenende finden ein Einsatz auf einer Streuobstwiese außerhalb Hamburgs sowie eine Fahrradtour rund um Finkenwerder statt.

Es könnte jedoch sein, dass die Radler von circa 60.000 Harley Davidsons überrollt werden, die auch dieses Jahr wieder die traditionellen Harley Days am Hamburger Großmarkt aufsuchen. Ein Event, das man vergebens in der ökologischen Infobroschüre findet. Dieses Jahr ist zudem erstmalig die Begegnung mit 40.000 gläubigen Christen geplant, die zufällig auch ihr Moped mitgebracht haben. Der alljährlich stattfindende„Motorrad-Gottesdienst“ am Michelfeiert eine ökumenische Begegnung mit den Harley-Jüngern. Nachmittags ist eine gemeinsame Wallfahrt nach Hennstedt-Ulzburg auf den Parkplatz eines großen Möbelhauses geplant. Der Info-Pavillon am Hamburger Hauptbahnhof wird alle Hände voll zu tun haben. Die motorisierten Hamburg-Besucher brennen bestimmt darauf, den Co2-Ausstoß von zusätzlichen 100.000 Motorrädern an einem Wochenende zu erfahren. Der Titel „Umwelthauptstadt Europas“ muss nicht unbedingt ein Segen sein, wenn er mit den sonst so forcierten Mega-Events der Stadt kollidiert.

Zurück zum Rasen. Die Image-Broschüre „Auf nach Hamburg“ wirbt unter anderem mit einem sehr hübschen Alster-Panorama-Bild, aufgenommen in der Abenddämmerung von einer saftig grünen Wiese. Eine Wiese, die an lauen Sommerabenden eher an die Sahelzone erinnert, wenn man überhaupt noch einen Blick auf das verdorrte Gras zwischen den unzähligen Einweg-Grills erhaschen kann.Ob der amerikanische Rasenfarben-Fabrikant auch ins Ausland liefert?

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