Mettbrötchen und All-Inklusive-Urlaub

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Neulich auf dem platten Land, im Regionalexpress zwischen Neumünster und Elmshorn, zwischen grünen Weiden und Kuhfladen von holsteinischen Kühen. Die Sonne geht unter, die Fahrgäste hängen träge dem Tag nach. Noch ist es ruhig. Auf einmal zerreißen ohrenbetäubende scheppernde orientalische Klänge den kollektiven Dämmerzustand. Sie strömen aus leicht antiquierten Boxen, die ein Fahrgast mittleren Alters sorgfältig auf Mülleimer und Armstütze positioniert hat, um seinen Feierabend einzuläuten.

Die Musik raubt mit Verlaub den letzten Nerv. Ein Fahrgast, der bis eben noch in seine Bildzeitung vertieft war, kann nicht einmal mehr den geistigen Ergüssen des Springer-Flaggschiffes folgen. Da muss Abhilfe her. Entschlossen konfrontiert er lautstark den Unruhe-Stifter: „Hör mal! Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir und möchte in Ruhe meine „Zeitung“ lesen.“ So weit so gut und sogar nachvollziehbar, obwohl es Geschmacksache ist, einen Mann um die 50 zu duzen. Es geht jedoch noch weiter „ Wir sind hier nicht in der Türkei.“

Die Musik wird leiser gemacht. Die Bildzeitung auf zwei Beinen setzt sich triumphierend wieder hin. Was lernen wir daraus?Regionalzüge von Izmir nach Narlidere kommen ohne laute Musik der Fahrgäste gar nicht voran. Ich kann mir eine Frage an den „Hero of the Regional-Express“ nicht verkneifen: „Hätten Sie einerGlatze, die an selber Stelle mit den „Die Bösen Onkelz“aufwartet auch einen wertvollen Hinweis auf ihre Nationalität gegeben?“

„Ich bin doch kein Rassist!!“Ich verstehe die Antwort nicht ganz. Meint er nun, dass er keine „Bösen Onkelz“ hört oder die Sache mit der Türkei? Aha, wir haben es also mit einem „Ich habe nicht gegen Ausländer, aber….“-Kaliber zu tun. Türken sollen in der Türkei bleiben, aber im billigen All-Inklusive-Urlaub in Antalya schlägt man sich natürlich trotzdem gern die Plautze voll. Diese oft so dahin gesagten Bemerkungen konstatieren jedoch folgendes. Es scheint, dass eine nicht-deutsche Herkunft von vornherein fünf Strafrunden bedeutet, wogegen ein Fahrgast, dessen Ahnen seit sechs Generationen aus Egenbüttel kommen,einfach eine Ermahnung erhalten hätte. Es wird in zweierlei Maß gemessen.

„Sanfter“ Rassismus –wenn es so etwas überhaupt gibt- oder vergangenes Kolonial-Denken aus Deutsch-Süd- West schleicht sich bewusst oder unbewusst in das alltägliche Leben ein. Von der Lektüre meines Bahnmitfahrers gar nicht zu sprechen. Überschriften der Bildzeitung wie „Warum kriegen Migranten häufiger Hartz IV als Deutsche?“ sprechen für sich. Aber wir sind ja bekanntlich Papst. Wiederso eine Frechheit. Weder ich noch der türkische Fahrgast sind um die Achtzig und tragen einen lächerlichen Hut, der an die Mainzelmännchen erinnert. Überschriften manipulieren und werden dankbar vom gemeinen Bild-Zeitungsleser angenommen und als eigene persönliche Meinung abgespeichert.

Für zahlreiche Mitbürger scheint das Leben ziemlich simpel. Putzfrauen sind türkisch und essen Döner. Mein arischer Bahnsitznachbar, packt derweil ein für ihn politisch korrektes Brötchen mit gutem deutschemSchweinemett und haufenweise Zwiebeln aus….

Auch im Fußball macht dieses merkwürdige Gebaren nicht halt. Werden auf National-Mannschafts-Ebene noch Hochglanz-Multi-Kulti-Werbespots ausgestrahlt, so sieht es in der Oberliga schon ganz anders aus. Ein Speckgesicht grinst in die ARD-Kamera: Sprüche wie „Geht zurück in Eure Scheißtürkei“ , sind doch nicht beleidigend und ganz normal! (www.youtube.com/watch?v=UjqacbHBg-Y)

Ich hab mal gelernt, dass es so etwas wie sanften und nachhaltigen Tourismus gibt. Gibt es auch sanften und nachhaltigen Rassismus? Sanft und nachhaltig wie die Abendsonne im malerischen Schleswig-Holstein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden