Pilgern im Zeichen der Gitarre - Phänomen Hard Rock Café

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Seit jeher muss der zivilisierte Mitteleuropäer den Zurückgebliebenen zeigen, was er hat bzw. wo er sich schon überall herumgetrieben hat, auf der großen weiten Welt. Hierfür bedarf es Beweismittel. Natürlich wäre es zu platt, der Umwelt ungefragt Urlaubsbilder unter die Nase zu halten. Der zivilisierte Mitteleuropäer geht und ging auch schon in der Vergangenheit subtiler vor. Man lässt seine Mitmenschen ganz nebenbei und natürlich gänzlich gewollt ungewollt vom eigenen Weltbürgertum wissen.

Was vor einigen Dekaden noch die neue Plakette mit dem Wappen von Oberammergau am Wanderstock für den reiferer Reisenden war, das war der Amsterdam-Aufnäher am Rucksack oder derKorsika-Aufkleber am VW Buggy eben für die damals jüngere Generation. Harmlos.

Derweil wurde 1971 in London die Mutter aller Erlebnis-Gastronomie-Ketten eröffnet, deren Merchandising-Maschinerie noch heute über den gesamten Erdball walzt und das Souvenir-Geschäft revolutionierte: Das Hard Rock Café, kurz „HRC“. Fristete es die ersten Jahre noch ein Dasein als prominente Musik-Bar, so änderte sich dies in den 1980ern, genaugenommen wegen Eric Claptons Gitarre.

Mr. Slowhand wollte sich in dem bei Künstlern beliebten Café einen Stammplatz sichern und ließ daher seine Gitarre an die Wand nageln. Pete Townsend zog nach undließ ebenfalls ein Stück seines Inventarsim Hard Rock Café liegen. Binnen kürzester Zeit wurde das „HRC“Altkleidersack und Auffanglager von Klamotten, ausrangierten Gitarren, Zahnbürsten, Kaugummis, die geschickt platziert mehr und mehr Besucher anzogen. Das Konzept war so erfolgreich, dass in den 1980ern und 1990ern weltweit Hard Rock Cafés eröffnet wurden, die schnell zu so etwas wie Pilgerstätten mutierten. Sehr bezeichnend, dass die ursprüngliche Betreiber-Firma den Namen „Mecca ltd“ trug.

Noch heute steuert eine bestimmte hartnäckige Spezies Mensch ausschließlich die Städte an, die ein Hard Rock Café vorweisen können. Anfang der 1990er übersäten „HRC“-T-Shirts das Stadtbild. Je exotischer desto besser. Während sich bei „HRC“-T-Shirts aus Berlin der kontrollierende Passantenblick mit einem müden Lächeln schnell wieder abwandte, so blieb er an Honululu- oder Honkong -Hemden haften. Ganz ohne „HRC“-Accessoire war man nackt, provinziell, ein kosmopolitisches Nichts.

Für „HRC“-Jünger wird ein neuer Stern am Himmel erstrahlen: in Hamburg. Der Tempus deutet es an: WIRD! Futur! Das „HRC“ Hamburg wird Mitte des Jahres in den Landungsbrücken eröffnet. Es ist somit noch geschlossen. Wo im SommerBurger zwischen ausrangierten Lederjacken serviert werden, wie in jeder anderen der mittlerweile 150 Filialen,wird derzeit zu Schlagermusik aus dem Transistor-Radio gehämmert und gebohrt, dass die Schwarte kracht.

Der aufmerksame Beobachter fragt sich indes, warum der sogenannte„Rockshop“ zwischenBauplanen des zukünftigen Hard Rock Cafés bereits die heißbegehrten T-Shirts mit dem Logo „Hard Rock Café Hamburg“ verkauft, ohne dass dies existiert. Wurden vor der Weltausstellung in Paris im Jahre 1889 auch Miniatur- Eiffeltürme für die Vitrine verkauft? Natürlich liegt die Antwort auf der Hand. Glücklich marschieren Horden herein und die Selben mit Tüten bepackt heraus. T-Shirts, Pins, Teddys, Feuerzeuge werden vom derzeitig nicht existierenden Hard Rock Café erworben. Die Einträgeder neu eingerichteten Facebook-Seite geben Einblicke in die Welt der „HRC“-Jünger. „Bin am Wochenende mit dem ICE nach Hamburg gefahren, um mir die Pins zu sichern!“ „Werde zur Eröffnung kommen, Gruß aus Belgien.“

Auf meine Frage hin, was den Reiz an einem T-Shirt eines nicht existierendenHard Rock Cafés ausmacht, die knappe Antwort: „Das ist einfach Kult, und keiner weiß, dass ich vor der Eröffnung dort war.“ Ich beschließe, mit meinem Wanderstock nach Oberammergau zu pilgern, um dort ein „Hard Rock Café Takatukaland“ zu eröffnen.

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