Und wenn sie nicht gestorben sind...

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Und wenn Sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. So enden traditionell die bekannten Märchen. Traditionell auch, dass in fast jedem Märchen ein schöner Prinz oder eine liebliche Prinzessin mitmischen. Der große Showdown ist dann die königliche Hochzeit mit anschließender Geburt eines rosigen Kindes. Die Schurken der Geschichte werden wahlweise verbrannt, gevierteilt oder aufgegessen. Das Weltbild ist wieder zurechtgerückt, und alle leben glücklich bis ans Lebensende. So geht das. Grimms Märchen funktionieren genauso wie die alljährlich wiederkehrende Sissi-Weihnachtstrilogie.

Objektiv betrachtet ist der Adel heutzutage erst einmal nur da, ohne jegliche Funktion. Familie Windsor repräsentiert natürlich das Land. England ohne Queen wäre wie England ohne Porridge. Es werden alte Kolonien, Minenfelder, chilenische Fischerdörfer, Altersheime besucht. Andererseits feiern die Royals bereits seit Generationenim High-End-Style ihr königliches Leben ab. Natürlich auf Kosten der Steuerzahler, die es den Blaublütlern noch mit Fahnenschwenken und Hofknicks danken. Wären die parlamentarischen Monarchien ohne den „Monarchie-Teil“ ärmer, chaotischer oder unvollkommener? Gut, die Briefmarken und Banknoten würden anders aussehen, aber sonst? Monarchie, ein Luxus , den sich manche Länder einfach leisten.

Auch die eigentlich parlamentarische Bundesrepublik gibt sich gerne royalistisch. Sieben Millionen Zuschauer verfolgten 2010 die sechsstündige ZDF-Fernseh-Übertragung der königlichen Hochzeit in Schweden. Der Marktanteilvon 36,6 % brachte das öffentlich rechtliche Fernsehen zum Jubeln. Damit nicht genug. Auch hier zu Lande sprießen Adels-Experten wie Zepter aus dem Boden, verdienen mit Fernsehberichtserstattungen gutes Geld und hyperventilieren schon heute, wenn sie nur an die königliche Hochzeit im kommenden April denken.

Der Adel, ob Hoch-Adel, Niedrig-Adel, gekaufter oder korrupter Adel scheint von jeher eine merkwürdige Anziehungskraft auszuüben, so dass die Regenbogen-Presse ohne die Hochglanzseiten von adligen Charity-Veranstaltungen mit Schlauchbootlippen gar nicht existieren könnte. Geschichtliche Begebenheiten, in denen der Adel nicht ganz so gut abgeschnitten hat, sind schon lange vergessen, der adlige Glanz ist indes noch da.

Umfragen haben ergeben, dass immerhin 6 % der Befragten unseren Verteidigungsminister für einen guten Politiker halten, weil blaues Blut durch seine Adern fließt. Macht es jemanden zum besseren Menschen, wenn der Geburtsort genauso heißt wie der eigene Nachname? Scheinbar. Glückwunschbekundungen der 56.000 Freunde auf der Guttenberg-Facebook-Seite zu seinem familiären Afghanistan-Besuch im Dezember nehmen teilweise sehr unterwürfige Züge an und sind mit interaktiven Hofknicksen vergleichbar.

Es geht übrigens noch eine Spur royalistischer. Maxime der Kaisertreuen Jugend ist es zum Beispiel, durch ein Kaiserreich reloaded ein besseres Ansehen Deutschlands in der Welt zu erreichen. „Die positiven Vorbilder in anderen Ländern sind unser Antrieb!“, so heißt es auf der Homepage www.kaisertreue-jugend.org/frame.html

Frau Gabriele Topf hat 2008 im hohen Alter von 96 Jahren verdient die Ehrenmitgliedschaft der Kaisertreuen JugendDeutschlands verliehen bekommen. Frau Topf war die letzte Sekretärin von Kaiserin Hermine, der zweiten Frau Kaiser Wilhelm II. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie auch noch heute.

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