Emotionale Nationalhymne

Mitsingen Bisherige Nationalspieler sollten nur gut Fußball spielen können. Muss Özil also seine Vaterlandsliebe zeigen, weil er so heißt und keinen deutschen Stammbaum besitzt?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Voll ok
Voll ok

Foto: Dan Mullan/Getty Images

Solange die Experten des Fußballs, die an sich für ihre objektiven Kommentare geschätzt werden sollten, sich selbst in die Diskussion der nationalen Hymne nicht eingemischt hätten, war sie für mich nur eine weitere Erscheinung der Hetze aus dem rechten Lager gegen Özil. Gegen eine solche Hetzdiskussion bin ich mittlerweile etwas immun geworden. Es hat mich nur überrascht, dass nun auch die Medien und ehemalige Nationalfußballer diese Frage mit einem Elan mitdiskutierten, dass da gewiss viele der Deutschen, die nicht des kaukasischen Ursprungs sind, an ihrer eigenen Loyalität zu Deutschland zweifeln würden.

Also machte ich mich auf die Suche nach dem Ursprung der deutschen Nationalhymne und stellte etwas Belustigendes fest. Überrascht war ich über Herrn Konrad Adenauer, der in der Nachkriegszeit bei einer Sportveranstaltung die stillschweigend angenommene Hymne Deutschlands zumindest gehört hatte, denn es gab damals keine offizielle. Die Frage, die ich mir beim Lesen der Worte dieser Hymne stellte, war, ob Konrad sie mitgesungen hatte?

Der Text des sogenannten Trizonesien-Songs, eines Karnevalsliedes, liest sich folgendermaßen:

„Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien,
Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!
Wir haben Mägdelein mit feurig wildem Wesien,
Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!
Wir sind zwar keine Menschenfresser, doch wir küssen um so besser.
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien,
Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!“ (aus Wikipedia)

Neben der feurig wilden Magd Hei-di sind hierin auch weitere Fakten des damaligen Deutschen aufgeführt, z.B., dass er kein Menschenfresser war. Diesen Nachteil habe der Deutsche damit ausgeglichen, dass er gut küssen konnte. Sowas hat Herr Konrad Adenauer hoffentlich nicht mitgesungen. Man kann bei diesem Text nur schmunzeln, egal wieviel einige Menschen hineininterpretieren wollen.

Zurück zur Diskussion und Forderung: Özil solle nicht in die DFB-Elf, weil er die heutige Nationalhymne nicht mitsinge.

Özil als Sportler soll aber die deutsche Staatsbürgerschaft haben und gut im Fußball sein. Das sind die Hauptbedingungen. Das Mitsingen der Nationalhymne hat bis vor kurzem im Fußball keine Rolle gespielt. Er muss seine Vaterlandsliebe nicht beweisen, vor allem muss er diese nicht den Banausen aus dem rechten Lager beweisen. Es soll nicht sein Intellekt gemessen werden, es soll nicht seine Gesangsfähigkeit gesehen werden, es soll nicht sein Aussehen bewertet werden, denn dann würden viele der bisherigen Nationalspieler schlichtweg durchfallen. Viele der bisherigen Nationalspieler waren nicht nur total unansehnlich, sie waren auch noch intellektuell im Minusbereich. Alles, was sie je sagten, konnte genauso gut nicht gesagt sein. Aber sie konnten Fußball spielen. Das war ihre einzige Chance. Warum sollte das bei Özil anders sein? Muss er nun seine Vaterlandsliebe zeigen, weil er Özil heißt und keinen deutschen Stammbaum besitzt? Lieben alle anderen ihr Vaterland, die mitsingen oder einen nicht fremd klingenden Namen haben?

Eine solche Aufforderung ist nichts anderes als ein weiterer versteckter Versuch, den Rassismus noch salonfähiger zu machen. Dieser Versuch kommt aus der rechten politischen Ecke und gehört genauso zum vorgekauten Argument: „Das müssen wir doch wohl sagen dürfen“.

Der ehemalige Fußballspieler Effenberg ist da reingefallen und forderte auch den Liebesbeweis zum Vaterland. Dann kommt da auch noch ein Witzbold namens Pocher und erzählt, dass Özil wohl eher für die Türkei als für Deutschland spielen würde, wenn die Türkei erfolgreicher wäre. Wow, was für eine erlauchte Weisheit! Klar wird ein Fußballer in der Mannschaft spielen, wo er besser aufgehoben ist, wenn er die Chance dazu bekommt.

Die Diskussion um Hymne und Özil hat mit der Weltmeisterschaft nichts zu tun, und auch nicht mit dem Fußball. Sie ist eine Hintertür für Meinungsmache der rechtspopulistischen Parteien, deren Hauptwähler soviel Zeit haben, dass sie durch die elektronischen Medien gewisse Themen in die öffentliche Diskussion bringen können. Wenn dann auch die übrigen Medien diese Diskussionen mitführen und damit den Eindruck erwecken, als interessiere sich das ganze Land dafür, dann ist es eine besorgniserregende Situation. Als funktionierende Gesellschaft müssen wir diesen versteckten Rechtspopulismus erkennen und ihn nicht ohne Widerstand zulassen.

Das Grundgesetz ist bindend und beweisend für die Vaterlandsliebe, sofern man diese überhaupt beweisen oder zeigen muss. Hoffentlich gewinnt Deutschland die Weltmeisterschaft des Fußballs in diesem Jahr. Dann würde die Mehrheit eh nicht die Nationalhymne singen, vielmehr wird unter Alkoholeinfluss das feurige Wesien der Gut-Küsser besungen:

Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dr. Mohammed Sarfraz Baloch

Ein Neurochirurg mit Herz • Deutschland ist meine Heimat • Abteilungsleiter • Saving lives & helping people • Deutscher Muslim • Schreibe privat •

Dr. Mohammed Sarfraz Baloch

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden