Linker Konservatismus

Wahlkampf Linke Politik ist immer zukunftsgerichtet. Wieso aber ein Blick in die Vergangenheit gelegentlich sinnvoll sein kann.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Linker Konservatismus

Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images

Konservatismus wird allgemein als die Bewahrung des Bestehenden oder die Wiederherstellung von früheren gesellschaftlichen Ordungen verstanden. Wenn man Vertreterinnen und Vertreter der Linken in diesen Tagen in Talkshows oder Wahlveranstaltungen zuhöhrt, begegnet man dem Wunsch nach letzterem überproportional oft. Offensichtlich ist das im Rahmen der Agenda 2010 Kritik und der Forderung nach Abschaffung der Hartz-Gesetze, also die Wiederherstellung des Sozialstaats, so wie er vor 2003 existiert hat. Weiter zu nennen, wäre die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die bekanntlich unter Kohl noch Bestand hatte. Doch geht die Sehnsucht nach der guten alten Zeit noch weiter zurück in die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik, wo die soziale Marktwirtschaft angeblich noch ihrem Namen gerecht war. Die Forderung nach Abschaffung von Leiharbeit bzw. wenn überhaupt, dann die Verteuerung dieser auf 110% des Arbeitslohnes der für fest angestelle ArbeitnehmerInnen gilt, wird immer mit Bezug auf diese "gute alte" Zeit genannt. Man könnte die Liste mit ähnlichen Forderungen weiterführen, es wird eines deutlich: Wo linke Politik immer zukunftsgerichtet war, macht es heute den Eindruck, dass man nostalgisch an der Vergangenheit zerrt und diese versucht wiederzubeleben.

Natürlich zeichnet sich dieser Prozess schon länger in der Partei ab. Genauer gesagt seitdem sie sich dem Reformierungskurs der Sozialdemokratie verschrieben hat. Doch dieser wurde erst möglich, da die LINKE in ein Vakkum gestoßen ist, welches die SPD mit ihren neoliberalen Ausschweifungen unter Schröder hinterlassen hat und bis heute (leider) nicht versucht, wieder zu füllen. Nur zu gerne betonen deshalb führende VertreterInnen der Linken, dass viele Punkte im Wahlprogramm, nur alte Forderungen der SPD sind, die selber vom rechten (oder linken?) Glauben abgefallen ist. Im Zuge des Neoliberalismus der letzten drei Jahrzehnte sind Dinge, die mal selbstverständlich waren, abgeschafft worden. Doch diese Erkenntniss prägt leider zu selten das Bewusstsein der Bevölkerung.

Kein Naturzustand

Die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse der Bundesrepublik sind nicht naturgegeben und unveränderbar, auch wenn von herrschender Seite oft dieser Eindruck erweckt werden soll. Gerade der jungen Generation soll dieser angebliche "Naturzustand" vermittelt werden, da sie es doch anders nicht kennt. Allein deshalb lohnt es sich, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, um zu sehen, dass es auch schon mal anders war. Jegliche Forderungen die die LINKE stellt, werden oft von breiten Teilen der Bevölkerung und den Medien als Träumerei und naiv abgetan. Hat sich die Ideologie der Alternativlosigkeit schon so stark in den Köpfen verankert, dass man die eigene Geschichte vergisst? Die Sozialisation in den bestehenden neoliberalen Strukuren, führt zu einer Ahnungslosigkeit, wie eine alternative Gesellschaftsordnung aussehen könnte. Was der marxistische Theoretiker Herbert Marcuse mit seinem Werk "Der eindimensionale Mensch" zu Zeiten der 68er beschrieb, scheint heute unverändert zuzutreffen. Das aktuelle Problem, welches wir in Deutschland beklagen - also vermehrte Armut auf der einen und immer weiter wachsendes Vermögen auf der anderen Seite - ist unter anderem eine konkrete Folge real - politischer Entscheidungen. Das muss jedem bewusst sein, wenn man über die bestehenden Verhältnisse nachdenkt. So simpel es klingt, so oft ist es nicht der Fall. Beispiel Olaf Scholz (SPD):

In der Sendung von Anne Will betitelte dieser Sarah Wagenknecht als Verschwörungstheoretikerin, weil sie genau auf diesen Umstand aufmerksam machte. Als Gegenargument brachte Scholz, dass es allein an der Globalisierung liege. Damit hat er jedoch nur zum Teil recht. Natürlich sorgt ein globalisierter Kapitalismus dafür, dass ArbeiterInnen auf der ganzen Welt miteinander konkurrieren und die Produktion ins Ausland verlagert wird. Doch zeigen Länder wie Frankreich (zumindest bis jetzt) oder Schweden, dass man diese Entwicklung auch ohne radikale Einschneidungen der Sozialsysteme begegnen kann.

Zukunft und Vergangenheit im Blick behalten!

Selbstverständlich ist die Vergangenheit nicht die Lösung aller Probleme der Gegenwart. Doch scheint es sinnvoll zu sein, um in der politischen Debatte die Legitimation für die oben genannten Forderungen zu erreichen. Trotzdem sollte man immer zusätzlich die Zukunft im Blick behalten. Durch die Digitalisierung wird es zu einer grundlegenden Veränderung der Arbeitswelt kommen. Gewerkschaften und Politik werden ihre neue Rolle erst finden müssen, was zu radikalen Veränderungen der bisherigen Strukturen führt. In diesem Bereich ist ein falsch verstandener Konservatismus gefährlich. Das in der politisch Linken beispielsweise das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) kontrovers diskutiert wird, ist dafür ein gutes Zeichen. Wie so oft: Die Mischung macht's.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

dreher

Student an der Universität Stuttgart.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden