Das absolut Böse

Rechts Deutschland ist stolz auf seine Erinnerungskultur. Wieso aber die permanente Aufklärung über den Nationalsozialismus nicht zwangsläufig vor neu-rechter Ideologie schützt

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Statt Glatze und Springerstiefel trägt man nun schnittigen Undercut und Sneaker
Statt Glatze und Springerstiefel trägt man nun schnittigen Undercut und Sneaker

Foto: IPON/Imago

Man schaltet den Fernseher abends an und zappt die Sender hoch und runter. Plötzlich alte Schwarz-Weiß Aufnahmen. Was ist das? Während diese Frage im Kopf aufploppt wird sie schon beantwortet. Auf Kommando erscheint er auf dem Bildschirm. Hitler. Es geht also mal wieder um den Nationalsozialismus und dem damit verbundenen zweiten Weltkrieg. Die Dokus, die meist in den hiesigen Nachrichtensendern laufen, haben einen Zweck. Sie sollen über die schreckliche Herrschaft der Nazis, über den Krieg, die Shoa, ja über den Faschismus an sich und all seine verherenden Auswirkungen aufklären und informieren. Mal angenommen die Dokumentationen werden diesem Anspruch gerecht, was nicht immer der Fall ist, ist es doch verwunderlich, dass trotz der permanenten Aufklärung über den Nationalsozialismus in den Schulen, im Rahmen von Gedenkstätten, in den Medien und durch Zeitzeugen im Jahr 2018 die AfD mit 12,6% als Speerspitze einer Bewegung in den Bundestag einzieht, die sich "Neue Rechte" nennt.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Doch ist es wirklich so verwunderlich? Liegt nicht genau in der Bezeichnung dieser Bewegung der springende Punkt? Wer sich "Neu" nennt, bricht mit etwas Altem. Bestes Beispiel dafür sind die sogenannten Identitären. Diese neurechte Bewegung grenzt sich bewusst von Methoden, Vokabular und Auftreten rechter Kameradschaften ab. Statt Glatze und Springerstiefel trägt man nun schnittigen Undercut und Sneaker, statt "Ausländer raus!" ruft man "Remigration!", statt Rechtsrock wird nun identitärer Hip-Hop gehört und anstelle von abendlichen Jagden auf Migranten wird ein Spaß-Aktivismus à la 68' angeboten. All das geschieht aufgrund der Tatsache, dass rechte Forderungen verbunden mit den genannten Merkmalen der "alten" Rechten, keine breiten Schichten in der Gesellschaft erreichen. Eine positive Rückbesinnung auf den Nationalsozialismus mit all seinen Symbolen (Hitlergruß, Hakenkreuz, Uniform etc.) oder das Auftreten von Neonazis in den 80-90er Jahren, ist zu Recht gesellschaftlich geächtet und disqualifiziert von jeder Diskussion. Damit hat die anfangs skizzierte Aufklärungskampagne und Erinnerungskultur Erfolg. Doch verbirgt sich darin eine Dialektik. Es macht uns blind gegenüber neu-rechter Ideologie, wenn wir immer nur den Vergleich zum Nationalsozialismus ziehen. Hitler immer als das absolut Böse zu sehen, lässt neu-rechte Hetze auf den ersten Blick nicht so schlimm daherkommen. Es scheint eine Einstellung vorzuherrschen, die nach dem Motto verfährt: "Solange die keinen Hitlergruß machen, ist das doch nicht so schlimm". Nun wird die Lösung des Problems natürlich nicht darin liegen, den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Viel mehr sollte rechte, faschistische und rassistische Ideologie in der gesamten Bandbreite gesehen und nicht verkürzt auf die Zeit von 1933-1945 zugespitzt werden. Genau weil letzteres oft der Fall ist, wird die AfD mehr oder weniger als normale Partei in Deutschland anerkannt. Anscheinend reicht eine offizielle Distanzierung zum Nationalsozialismus in der Bundesrepublik schon aus um als legitime politische Kraft im rechten Spektrum zu gelten. Es muss außerhalb dieser oft so leichten Schablone gedacht werden und die AfD als genau diesen Wolf im Schafpelz erkennbar machen, welcher die Partei eigentlich ist. Da hilft es übrigens auch nicht Anhänger und Politiker der AfD pauschal als Nazis zu betiteln. Das wird zum einen den Gräueltaten der Nationalozialisten nicht gerecht und verharmlost diese. Außerdem legt man damit selber die Schablone der NS-Zeit auf die AfD und sorgt weiterhin dafür, dass sich der Diskurs nur auf diese Zeit beschränkt und ein ganzheitliches Bild von rechtsextremer Ideologie nicht gezeichnet werden kann.

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Geschrieben von

dreher

Student an der Universität Stuttgart.

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