Kein Geld

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Armut ist ein heißes Eisen, oder? Aus welchem Grund mühen sich die Sprachbegradiger, dieses Wort weitweg und tieftief endzulagern. Nach kurzzeitigem Betroffenheitskult ist heuer coolness angesagt. Das ist etwa das mit den drei Affen: Der Briefbeschwerer kann bis 20.25 Uhr bei e-bay ersteigert werden, tut aber jetzt nichts zur Sache.

Wenn, laut FAZ-Wirtschaftsjournalistin Kloepfer im DLF-Gespräch 9:30 am 21.o6., zirka 13%-18% in diesem Land arm sind - wo halten sie sich auf?

Zu Zeiten, da sich die Süddeutsche noch um den Zustand in diesem Land sorgte, lang ist's her, gab's gelegentlich lesenswerte Reportagen, z.B. über "Mecklenburg-Vorpommern: Wo in Deutschland am meisten Alkohol versickert". Süddeutsche vom 5. November 1997. Thorsten Schmitz. Gut, er arbeitet heute als Korrespondent seiner Zeitung in Israel. Und diese beinahe persönlichen, ja, das Herz rührenden Reportagen über die Zustände in diesem Land - die gibt's nicht mehr?

Ich gehe so fünfhundert Meter, dann bin ich vor einem idyllischen Teich [ja, ich gehe spazieren, Spazierengehen ist in hier im Blog, ich hab's wo gelesen, auch Musik gehört, vielviel danke für eure links, für Woolly Boolly], auf der kleinen Insel nistet ein Fischreiher, den seh ich manchmal so bei leichter Abenddämmerung. Dass der sich so nah an die große Stadt traut. Die Stadt hat ein gutes Stück Gelände beim Teich, bebaut mit Sozialwohnungen, verkauft und dort lebt seit einigen Monaten die neue Klientel - z.B. 88 qm für 259.900 € und 131 qm für 369.900 € [bin hingefahren und hab's aufgeschrieben, investigativer Journalismus, oder, na gut, ansatzweise, mit meinem Fahrrad gefahren, wie haben mich die Nachbarn gelobt, sowas macht mich glücklich].

So läuft's. Soziale Degradierungsprozesse. Kaltblütig abgewickelt. Abgewickelt? Wohin verschlägt's die Opfer? Coolness ist angesagt.

Unterscheidet sich Deutschland noch von den USA, wo Armut erschreckend verbreitet ist [ja, Süddeutsche, das wäre gutes Thema für ReportageN, überaus ergiebig] und die "Opfer" sich selbst die Verantwortung für ihre Situation zuschreiben - nein, nicht den gesellschaftlichen Strukturen und der Verteilung von Reichtum. Bislang nicht.

Zurück. Wie es bei uns aussieht. Wo [Strukturen] und bei wem [Personal] liegt Verantwortung für die verbreitete Armut in diesem Land, in diesem! Politiker, erhebt eure Stimmen! Volksparteien! Zeit, darüber zu reden! Sich Gedanken zu machen!

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Geschrieben von

Dreizehn

Lebe in einem Winkel der Stadt, lese, schreibe gelegentlich.

Dreizehn

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