Es war der Trend des Sommers: Colour-Blocking. So nennt man das mutige Kombinieren knalliger Farben, die eigentlich nicht zusammenpassen. Durch die Schaffung hart abgegrenzter Farbfelder sollen markante Kontraste erzeugt werden. Dazu greift der Trendsetter nicht nur zu verschiedfarbigen Kleidungsstücken, nein, er perfektioniert den Look noch mit dem durchdachten Einsatz strategisch ausgewählter Accessoires wie Handtaschen oder Krawatten. Wurden solche stilistischen Eskapaden vor Kurzem noch als Auslöser von Augenkrebs geschmäht, gar verteufelt, sind sich die führenden Stil-Bibeln nun einig: Egal, ob man sich für Kontraste aus einem benachbarten Farbraum entscheidet (rot, rosa, orange) oder für krasse Gegensätze (pink, blau, gelb), einstimmig lautet die Devise: Hauptsache, es knallt!
Doch woher rührt der plötzliche Mut zur modischen Ratatouille? Sind es die grauen Zeiten, die uns nach Kontrasten dürsten lassen – oder ist es das verzweifelte Streben nach einem individuellen Stil? Wahrscheinlich von beidem etwas. Eins ist aber klar: In diesem Look ist Aufmerksamkeit garantiert.
Das ist auch jenen Stil-Experten nicht verborgen geblieben, die für die Planung der Raumgestaltung des SPD-Parteitags zuständig waren, der bis Dienstag in Berlin stattfand. Die Wand hinter dem Rednerpult erstrahlte dort in intensiv-fliedrigem Magenta, das der Betrachter unweigerlich mit der Trademark-Farbe eines führenden deutschen Kommunikations-Unternehmens assoziierte. Das Rednerpult war dafür traditionell im fruchtigen Erdbeerrot der Partei gehalten. Und wie allgemein bekannt, greift der Genosse bei der Wahl seiner Parteitags-Garderobe praktisch immer zum politischen Bekenntnis-Accessoire, zur roten Krawatte. Betrachtete man die hierbei entstehende Komposition zwischen Schlips, Pult und Hintergrund, so kommt man nicht umhin, die Genossen Gabriel, Steinbrück, Wowereit und Co. als trendige Colour-Blocker zu erkennen. Es beißt in die Augen, aber die Botschaft ist klar: Seht her, ich habe etwas äußerst Wichtiges zu verkünden!
Und nachdem Sigmar Gabriel in seiner montäglichen Rede die Entfremdung der Menschen von der Politik als größten Wahlkampf-Gegner ausgemacht hat, könnte man hinter der trendigen Deko ein ausgeklügeltes Gesamtkonzept vermuten – speziell von ausgefuchsten Farbpsychologen entwickelt, um den Bürgern die Polit-Verdrossenheit auszutreiben. Wegschauen ist nicht mehr länger erlaubt!
Oder aber: Die Farbe der Rückwand sah im Katalog einfach viel roter aus.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.