Die AfD und Willy Brandt

Wahl in Brandenburg Bei der Landtagswahl in Brandenburg könnte die AfD zur stärksten Partei werden - und somit das Ende von Rot-Rot herbeiführen.

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Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für die „Märkische Allgemeine Zeitung“ ergibt sich für die Wahl am 1. September in Brandenburg derzeit folgende Situation: die AfD liegt bei 21 , die CDU bei 18, gefolgt von der SPD mit 17 , dann die Grünen mit 16 , und die Linke mit 14 Prozent. Die FDP könnte mit fünf Prozent auf den Wiedereinzug in den Landtag hoffen.

Die Rot-Rote Koalition wäre damit abgewählt.

Und daher schmerzt es besonders, wenn nun die AfD versucht, Willy Brandt, das unumstrittene Idol der SPD, für sich zu vereinnahmen – und so die SPD quasi als überflüssig darzustellen.

Die AfD-Brandenburg zitiert nämlich auf einem Wahlplakat Willy Brandt mit „Mehr Demokratie wagen“ – und ergänzt : "AfD Wählen"!

Willy Brandt wird zwar hier richtig zitiert – aber damit von der AfD funktionalisiert und missbraucht!

Diesem Ansinnen muss entschieden widersprochen werden.

Willy Brand bzw. die von ihm seinerzeit repräsentierte SPD und die AfD passen zusammen wie Feuer und Wasser!

An einigen Beispielen möchte ich dies verdeutlichen.

Zitate aus der Regierungserklärung von Willy Brandt vom 28. Oktober 1989:

„Diese Regierung geht davon aus, dass die Fragen, die sich für das deutsche Volk aus dem zweiten Weltkrieg und aus dem nationalen Verrat durch das Hitlerregime ergeben haben, abschließend nur in einer europäischen Friedensordnung beantwortet werden können…..

Wir wollen die demokratische Gesellschaft, zu der alle mit ihren Gedanken zu einer erweiterten Mitverantwortung und Mitbestimmung beitragen sollen.

Diese Regierung sucht das Gespräch, sie sucht kritische Partnerschaft mit allen, die Verantwortung tragen, sei es in den Kirchen, der Kunst, der Wissenschaft und der Wirtschaft oder in anderen Bereichen der Gesellschaft. Dies gilt nicht zuletzt für die Gewerkschaften, um deren vertrauensvolle Zusammenarbeit wir uns bemühen. Wir brauchen ihnen ihre überragende Bedeutung für diesen Staat, für seinen weiteren Ausbau zum sozialen Rechtsstaat nicht zu bescheinigen……..

Die Bundesregierung wird in den Grenzen ihrer Möglichkeiten zu einem Gesamtbildungsplan beitragen. Das Ziel ist die Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozeß die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten. Die Schule der Nation ist die Schule.

Wir werden ein langfristiges Programm des sozialen Wohnungsbaus aufstellen und mit den Ländern abstimmen. Es wird sich am Bedarf orientieren…..

Die Regierung kann in der Demokratie nur erfolgreich wirken, wenn sie getragen wird vom demokratischen Engagement der Bürger. Wir haben so wenig Bedarf an blinder Zustimmung, wie unser Volk Bedarf hat an gespreizter Würde und hoheitsvoller Distanz. Wir suchen keine Bewunderer; wir brauchen Menschen, die kritisch mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten. Das Selbstbewußtsein dieser Regierung wird sich als Toleranz zu erkennen geben. Sie wird daher auch jene Solidarität zu schätzen wissen, die sich in Kritik äußert. Wir sind keine Erwählten; wir sind Gewählte.

Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an. Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden im Inneren und nach außen.“

Ich ergänze und erweitere das Bild über die Bedeutung von Willy Brandt für die Sozialdemokratie:

Mit Willy Brandt erreichte die SPD 1972 mit 45,8 % das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte.

Und dies mit den klassischen sozialdemokratischen Zielen: demokratischer Sozialismus, soziale Gerechtigkeit, Frieden in der Welt durch engagierte Diplomatie und Umweltschutz: „Erschreckende Untersuchungsergebnisse zeigen, dass im Zusammenhang mit der Verschmutzung von Luft und Wasser eine Zunahme von Leukämie, Krebs, Rachitis und Blutbildveränderungen sogar schon bei Kindern festzustellen ist. Es ist bestürzend, dass diese Gemeinschaftsaufgabe, bei der es um die Gesundheit von Millionen Menschen geht, bisher fast völlig vernachlässigt wurde. Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden! “ Brandt gilt damit als der erste Politiker in Deutschland, der die Umweltpolitik als wichtiges Thema erkannte und propagierte.

Wie wenig die AfD mit alldem am Hut hat, verdeutlichen folgende Fakten bzw. Ereignisse und Zitate:

  • Alexander Gauland möchte wieder „stolz […] sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ – Einschließlich der Kriegsverbrechen und Angriffskriegen mit vielen Millionen Toten. (siehe hierzu : Welt vom 14.09.2017)
  • Alexander Gauland treibt diese Verharmlosungsstrategie des Nationalsozialismus weiter durch seine Bezeichnung der NS-Diktatur als „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“. (siehe hierzu: Welt vom 2.06.2018)
  • Bernd Höcke fordert eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“, was wohl bedeutet, die Zeit des Nationalsozialismus positiv zu betrachten.(siehe hierzu die Zeit vom 18. Januar 2017)
  • Gauland hat Nationalspieler Boateng rassistisch beleidigt und gesagt, die Deutschen empfänden ihn als „fremd“ und wollen ihn „nicht als Nachbarn“ haben.(siehe hierzu: FAZ vom 29.05.2016)
  • Thomas Göbel, AfD-Sachsen, sagte in Hinblick auf Ausländer, dass Deutschland „unter einem Befall von Schmarotzern und Parasiten“ leide, die dem deutschen Volk „das Fleisch von den Knochen fressen“. Zum Vergleich: Juden wurden im NS als „Parasiten“ bezeichnet. (siehe hierzu: Tagesspiegel vom 21.09.2017)
  • Siegbert Droese, AfD-Bundestagsabgeordneter, ließ sich mit der rechten Hand am Herzen vor dem Führerbunker ( „Wolfschanze“) fotografieren. (siehe hierzu: Frankfurter Rundschau vom 5.02.2018)
  • André Poggenburg (AfD-Landeschef und Spitzenkandidat Sachsen-Anhalt): „Wie krank im Geschlecht und im Geiste, wie unnatürlich verkommen ist diese rot-grüne Gefolgschaft? Deutschland schafft sich gerade selbst ab.“ (FAZ, 16.10.15)
  • Armin Paul Hampel (AfD-Chef Niedersachsen): „Ich will das auf keinen Fall herunter spielen, aber es ist doch klar, dass ein Gutteil dieser angeblichen Brandanschläge von den Flüchtlingen selbst kommt, meist aus Unkenntnis der Technik. Mal ehrlich, viele von ihnen dürften es gewohnt sein, in ihren Heimatländern daheim Feuer zu machen.“ (Der Spiegel 51/2015, S. 25)
  • Die AfD Kreis Dithmarschen nahm die Ermordung des Regierungspräsidenten und Politikers Walter Lübcke am 2.06.2019 zum Anlass, um zu demonstrieren, wes Geistes Kind sie ist: „Mord???? Er wollte nicht mit dem Fallschirm springen...“ hieß es auf Facebook – mit einem einigermaßen unzweideutigen Verweis auf den Suizid von Jürgen Möllemann 2003. Verantwortlich für die Seite zeichnet laut Impressum Mario Reschke. (siehe hierzu: Frankfurter Rundschau vom 7.06.2019)
  • Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat im ZDF-Sommerinterview einen AfD-Tweet seiner Parteikollegin Verena Hartmann verteidigt. „Dass Menschen da hochemotional reagieren und vielleicht einmal einen falschen Satz raushauen, dafür habe ich ein bisschen Verständnis", so Meuthen. Hartmann hatte nach dem Tod eines Jungen am Frankfurter Hauptbahnhof folgenden Satz getwittert."Frau Merkel, ich verfluche den Tag Ihrer Geburt“! Anlass war der Tod eines Jungen, der von einem Mann am Frankfurter Hauptbahnhof vor einen Zug geschubst wurde. Und: der mutmaßliche Täter, ein Mann aus der Schweiz, kommt ursprünglich aus Eritrea. Diese Tat wurde schändlicherweise dazu benutzt, um gegen die Migrationspolitik der Kanzlerin im Jahr 2015 im Nachhinein Stimmung zu machen.(siehe hierzu: Merkur vom 11.08.2019)

Zur Abrundung noch einige Zitate aus dem Wahlprogramm der AfD Brandenburg:

  • „Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert. Die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung beruht auf bisher unbewiesenen hypothetischen Klimamodellen. Das „Erneuerbare-Energien-Gesetz (eeG)“ ist staatliche Planwirtschaft und eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft.
  • Die überhasteten Ausstiegsbeschlüsse aus der Kernkraft von 2002 und 2011 waren sachlich nicht begründet und wirtschaftlich schädlich. Solange die Stromversorgung nicht ausreichend gesichert ist, setzt sich die AfD dafür ein, eine Laufzeitverlängerung der noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke übergangsweise zu gestatten.
  • Den weiteren Ausbau der Windenergie in Deutschland lehnen wir ab. Er bringt mehr Schaden als Nutzen.
  • Die AfD ist strikt gegen verkehrspolitische Schikanen, mit denen ein Umstieg auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr erzwungen werden Die Autofahrer werden auf Deutschlands Straßen durch immer mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen behindert.
  • Wir wollen auf breiter Front deregulieren und Bürokratie abbauen.
  • Vollständige Schließung der EU-Außengrenzen.
  • Für eine zeitgemäße Medienpolitik: Rundfunkbeitrag abschaffen. Die Zwangsfinanzierung des öffentlichen Rundfunks ist umgehend abzuschaffen und in ein Bezahlfernsehen umzuwandeln
  • Wir wollen, dass an unseren Schulen wieder Leistung und Disziplin einziehen.
  • Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte aufzeigt.
  • Waffenrecht muss nicht verschärft werden. Die AfD widersetzt sich jeder Einschränkung von Bürgerrechten durch eine Verschärfung des Waffenrechts.

Dies sollte genügen, um die Unvereinbarkeit der Ziele einer Sozialdemokratie im Sinne Willy Brands und den Zielen der AfD zu verdeutlichen: Soziale Demokratie, intakte, zukunftsfähige Umwelt, lebensfrohe, mündige, kritische, rationale und weltoffene Bürger, Frieden nach Innen und Außen auf der einen Seite sind nicht kompatibel mit Hasspredigern, Rassisten und Ignoranten!

So gesehen bleibt die Hoffnung, dass der Wähler/die Wählerin in Brandenburg, nicht auf die offensichtlichen Lügen und Halbwahrheiten der AfD hereinfällt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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