"Griechenlandhilfe"

Austerität Was als "Griechenlandhilfe" verkauft wird, ist in Wirklichkeit die Fortführung der Ruinierung eines Landes

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Am vergangenen Freitag hat der Bundestag über das abgestimmt, was „Finanzhilfen zugunsten Griechenlands“ genannt wird : mit 409 Ja-, 226 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen (67 Abg. fehlten) wurde das „Hilfepaket“ angenommen.

Olaf Scholz, der derzeitige Finanzminister , ergänzte und kommentierte diese Abstimmung wie folgt: „Die Fortsetzung des Reformkurses ist von Wichtigkeit, da dieser die Grundlage bildet für ein nachhaltiges Wachstum und nachhaltige öffentliche Finanzen.“ Und: „Wichtig für die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft wird sein, dass Griechenland auch nach Programmende sein Wachstumspotenzial durch fortgesetzte Reformen und die deutliche Verbesserung der Attraktivität des Investitionsstandorts stärkt.“

Alles gigantische Lügen – oder Ignoranz und Fehleinschätzungen!

Was sind die Fakten?

  1. Deutschland hat fast 3 Milliarden Euro Zinsgewinne mit seinen „Hilfszahlungen an Griechenland“ gemacht.
  2. Insgesamt flossen seit 2010 Kredite in der Höhe von über 270 Milliarden Euro nach Griechenland; davon wurden die meisten Milliarden für Schuldendienste verwendet.
  3. Die letzte Tranche von 15 Milliarden soll Anfang August ausbezahlt werden – und dann kann Griechenland angeblich wieder auf den freien Finanzmarkt entlassen werden, um sich selbst zu finanzieren. Allerdings steht das Land noch bis 2060 (!!!) unter Beobachtung und soll die nächsten 42 Jahre lang Primärüberschüsse erzielen, also die Staatseinnahmen vor Schuldendiensten sollen grösser sein als die Staatsausgaben. Das ist völlig absurd.
  4. Damit Griechenland nicht sofort zusammenbricht, wenn es neues Geld auf den internationalen Finanzmärkten suchen muss, wurden gleichzeitig jahrelange Verzögerungen bei Rückzahlungen von Krediten und Zinszahlungen vereinbart, um vor allem Deutschlands Wunsch zu erfüllen, dass das Wort „Schuldenschnitt“ im Zusammenhang mit Griechenland nicht verwendet werden darf. Denn Schäuble hat immer wieder versprochen, dass Deutschland als wichtigster Gläubiger Griechenlands niemals zur Kasse gebeten werden darf – und das gilt natürlich auch für seinen Parteifreund (?) und Nachfolger Scholz.
  5. Weder wird Griechenland bis 2060 Jahr um Jahr Primärüberschüsse erzielen, noch wird es seine Staatsschulden von rund 180 Prozent des BIP, das sind 350 Milliarden, ohne Schulden-Schnitt jemals auf ein erträgliches Maß zurückführen.
  6. Weder die gegenwärtige griechische Regierung, noch der EU-Währungskommissar Pierre Moscovici, noch Olaf Scholz und viele regierungsunkritische Medien, die nun das Ende der Krise hinausposaunen, treffen also auch nur Ansatzweise die konkreten Gegebenheiten und Perspektiven.
  7. Die griechischen Renten wurden Schritt für Schritt um bislang 60 Prozent gekürzt, die nächste Kürzung ab Januar 2019 ist beschlossen. Jede dritte Altersrente liegt bereits heute unter 500 Euro im Monat, bei durchaus mitteleuropäischen Lebenshaltungskosten. Die Einkommen der Menschen, die noch Arbeit haben, sind unter das Niveau von 2003 gefallen. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei rund 20 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei über 45 Prozent. Über 300 000 junge und qualifizierte Griechen sind daher bereits ausgewandert. 40 Prozent aller Griechen können nicht rechtzeitig Miete und Rechnungen zahlen.

Das Gesundheitssystem ist in einem katastrophalen Zustand. Vermutlich sind mehr als 50 000 Griechen in den letzten Jahren gestorben , weil sie sich eine medizinische Behandlung nicht leisten konnten. Drei von elf Millionen Griechen sind nicht mehr krankenversichert. Patienten müssen Bettwäsche und Hygieneartikel ins Spital mitbringen. Oftmals funktionieren die med. Apparate nicht und Medikamente sind nicht ausreichend vorhanden .

Summa sumarum

Acht Jahre Krise und angebliche Hilfe der EU haben ein Land geschaffen, in dem Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung herrschen. Der aufgezwungene „Reformkurs“ - also Austerität, Sozialabbau und Privatisierungen (Fraport, Cosco..) – trägt die Hauptschuld dabei!

Profitiert haben vor allem die Banken und Konzerne; denn 95 Prozent der Griechenland-Kredite in Höhe von 274 Milliarden Euro flossen in den Schuldendienst, auch an deutsche und französische Banken, nicht an griechische Krankenschwestern, Ärzte oder Rentner.

Das härteste Kürzungspaket, das je einer Industrienation seit dem Zweiten Weltkrieg auferlegt wurde, führte dazu, dass die öffentliche Schuldenquote von etwa 120 Prozent der Wirtschaftskraft auf 180 Prozent wuchs, und weitere Kürzungspakete werden die Depression nur noch weiter vertieften.

Der Politiker De Masi charakterisierte - in seinem Diskussionsbeitrag im Bundestag zur „Griechenlandhilfe“ - die gesamte Problematik mit folgendem Bild: „Die Griechenlandrettung funktionierte so, als würde ich zu einem Freund gehen, der eine Taverne betreibt und bei mir Schulden hat, und diesem Freund meine Kreditkarte leihen, um damit seine Schulden bei mir zu bezahlen, würde ihn aber zwingen, mir seine Tische und Stühle zu schenken und den Koch zu entlassen, sodass er kein Einkommen mehr erwirtschaftet, und dennoch darauf bestehen, dass er Monat für Monat die Rate für die neuen Kredite überweist. Eine solche Politik ist völlig verrückt.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden