Kurswechsel in der SPD - Jetzt!

Bundesparteitag Saskia Esken (75,9 %) und Norbert Walter-Borjans (89,2 %) wurden mit viel Zustimmung auf dem Parteitag gewählt.

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Shitstorm in manchen Leitmedien und in der eigenen Partei

Jetzt geht es darum, allen Widerständen zum Trotz, den begonnenen Kurswechsel in Fahrt zu bringen; denn es geht um Politik für Menschen, nicht für Märkte. Um Wohlstand für Millionen, nicht nur für Millionäre. Es gilt jetzt, Mut zu machen, für diesen Kurswechsel! Die Argumente gegen die Miesmacher und Bremser (Funktionäre und Mandatsträger in der SPD aber auch viele Journalisten) sind hieb- und stichfest.

Klassenkampf von oben

Von den Gegner*innen dieses Neuanfangs auf den Spuren Willy Brandts wird im Grunde genommen Klassenkampf von oben betrieben. Aktuell macht sich dies fest an der Einschätzung der GroKo. Die Ergebnisse der GroKo-Politik werden als Ganzes schön geredet - und die Kritiker einschließlich des neuen SPD-Vorstandes gar als "Verräter" klassifiziert, so wie dies Gabor Steingart in seinem heutigen (6.12.2019) Morning Briefing tut.

Die SPD als "Verräter"

Ein Sprachgebrauch, der an die kaiserlich orientierte Presse von 1914 erinnert, als es darum ging, das deutsche Volk für das Massenmorden des 1. Weltkrieges zu motivieren. Die Sozialdemokraten ließen sich so überreden, und stimmten den Kriegskrediten - und damit auch dem 1. Weltkrieg - zu.
Was Herr Steingart u.a. GroKo-Fighter*innen in ihrem wilden Tanz gegen die neu erwachte SPD unterschlagen, sind folgende Fakten:
1. der SPD-Parteitag stimmte 2017 einer erneuten Groko nur zu, wenn es eine Halbzeitbilanz Ende 2019 gibt, wobei entschieden wird, ob es aus Sicht der SPD - bei einer positiven Bilanz - mit der Groko weitergehen soll.

2. In Sachen Rente sieht es nicht gut aus, im Vergleich zu Österreich oder Frankreich; denn
- der Bezug der regulären Altersrente Rente nach 45 Jahren stieg seit 2012 stufenweise von 65 Jahre auf 67 Jahre an;
- als Bruttorente erhielten - laut einer Statistik der Deutschen Rentenversicherung - männliche Rentner Ende 2017 durchschnittlich 1.095 Euro, wenn sie in einem der alten Bundesländer lebten;
- In den neuen Bundesländern lag die Durchschnittsrente 2017 hingegen bei 1.198 Euro im Monat;
- rentenberechtigte Frauen bekamen in den neuen Bundesländern 2017 eine durchschnittliche Rente von 622 Euro, während der Rentendurchschnitt der Rentnerinnen in den alten Bundesländern 2017 bei 928 Euro lag;
- die vor kurzem beschlossene Rentenreform führt bei einem Teil den armen Rentnerinnen und Rentner vermutlich lediglich zu einer Erhöhung von 80€ - dies nach 35 Jahren Arbeit!

3. Das Klimapaket der GroKo ist völlig unzureichend und unsozial dazu. Zahlreiche unabhängige Wissenschaftler bestätigen dies - ebenso auch das Umweltbundesamt.

4. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander

5. Die Infrastruktur verkommt

6. Bildung und Forschungs-Gelder werden gekürzt; der Militärhaushalt erhöht, der nur den Rüstungskonzernen hilft.

7. Die Außenpolitik wird militarisiert (AKK und Maas im Duett), statt diplomatisiert.

Tendenziell ist dies dem Konzept des Neoliberalismus geschuldet, also dem triadischen Ballett Sozialabbau, Deregulierung und Privatisierungsorgien, das einseitig die Interessen der Reichen bedient. Die "Sozialisten" Blair und Schröder" tanzten diesen Tanz ekstatisch zusammen mit der Geldoligarchie - und schwächten damit auch ihre Parteien weit über die Schmerzgrenze hinaus! Aber auch die CDU befindet sich dabei auf der Tanzfläche: Frau Merkel nennt dies "marktkonforme Politik".

Joseph E. Stiglitz zum Neoliberalismus

Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Stiglitz brachte das Versagen dieses Wirtschaftsmodells wie folgt schon vor einigen Jahren auf den Punkt (in: Blätter für deutsche und internationale Politik, August 2012):
"Wir zahlen einen hohen Preis für unser großes und zunehmendes Maß an Ungleichheit, und weil diese Entwicklung wahrscheinlich anhält – wenn wir nichts dagegen unternehmen –, wird auch der Preis, den wir zahlen, wahrscheinlich steigen. Die Menschen in den mittleren und insbesondere in den unteren Einkommensgruppen wird es vermutlich am härtesten treffen, doch auch (....) unsere Gesellschaft, unsere Demokratie – wird einen sehr hohen Preis dafür zahlen. Denn Gesellschaften mit großem Verteilungsgefälle funktionieren nicht effizient, ihre Volkswirtschaften sind instabil und langfristig nicht tragfähig. Wenn eine Interessengruppe zu viel Macht hat, kann sie die Politik für ihre Interessen einspannen, so dass diese nicht länger dem Gemeinwohl dient. Setzen die Reichsten ihre politische Macht dazu ein, von ihnen kontrollierten Unternehmungen überzogene Vorteile zu verschaffen, werden dringend benötigte Einnahmen in die Taschen einiger weniger umgeleitet, statt der Gesellschaft insgesamt zugutezukommen." Angesichts dieser wohl schwer abstreitbaren Analyse dieses brillanten und unabhängigen Wissenschaftlers, ist es kaum möglich, die dümmlichen Kommentare in Teilen unserer Leitmedien zur neuen Führung der SPD ernst zu nehmen. Es sei denn, man betrachtet sie als "Klassenkampf der Herrschenden und Reichen" - so wie dies Warren Buffett, amerikanischer Unternehmer und Investor, einmal formulierte: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“ — Original engl.: ”There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.” ; im Interview mit Ben Stein in New York Times, 26. November 2006.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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