Scholz und der Untergang der SPD

Mitgliederentscheid Olaf Scholz und Klara Geywitz oder NoWaBo und Saskia Esken? Bis zum 29.11.2019 haben die SPD-Mitglieder die Wahl!

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Der Untergang der Titanic

Am 14. April 1912 gegen 23.45 Uhr kollidierte die "Titanic" rund 550 Kilometer südostlich von Neufundland mit einem Eisberg. Das damals mit 269 Metern Länge größte Passagierschiff der Welt sank in etwas mehr als zweieinhalb Stunden und riss rund 1.500 Menschen mit in den Tod.

Die Hauptschuld am Untergang der "Titanic" trägt der Kapitän des Schiffes, Edward John Smith (1850-1912). Obwohl er von anderen Schiffen wiederholt vor Eisbergen auf seiner Route gewarnt worden war, drosselte er nicht die Geschwindigkeit des Dampfers und hielt den Kurs bei. Die schnelle Atlantiküberquerung von Southampton nach New York lag im Interesse des Kapitäns wie der britischen Reederei White Star Line, um die Leistungsfähigkeit der "Titanic" unter Beweis zu stellen. Wie Untersuchungen zeigen, hätte eine Reduzierung der Geschwindigkeit um nur wenige Knoten ausgereicht, dem Eisberg auszuweichen und so der todbringenden Kollision zu entgehen.

Am 29.11.2019 könnte die SPD ein ähnliches Schicksal - im übertragenen Sinne natürlich - treffen, wenn einer der Hauptverantwortlichen für den dramatischen Niedergang der SPD gar zum Kapitän gemacht wird.

Der Niedergang der SPD

Seit Willy Brands Kanzlerschaft (1969 – 1974) mit rund 45% Wählerstimmen sank die SPD über die Schmidt-Ära (1974 – 1982) auf rund 40%, dann unter Kanzler Schröder (1998 – 2005) auf 35% und heute auf furchterregende 15%.

Olaf Scholz war daran entscheidend beteiligt :

Als Mitglied im Parteivorstand (seit 2001), als Generalsekretär (2002 – 2004), als Hamburger Innensenator (2001), als 1. Bürgermeister von Hamburg (2011 – 2018), als Bundesminister für Arbeit und Soziales (2007 – 2009) und seit 2018 als Finanzminister der GroKo.

Er hat in Hamburg versagt:

  • bei seinem „Brechmitteleinsatz“ zur Beweissicherung bei Drogendealern als Hamburger Innensenator, der zu einem Todesfall führte und später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als menschenrechtswidrig verurteilt wurde.
  • Bei dem katastrophalen G20-Gipfel in Hamburg; wobei er alle Warnungen im Vorfeld konsequent weglächelte. Mit G20 hat Olaf Scholz eine (seine) ganze Stadt in den Ausnahmezustand versetzt und zugelassen, dass massenhaft durch Polizei und auch Bundeswehr Gesetze gebrochen wurden. (etwa 30 000 Polizisten (!) waren dabei im Einsatz, die statt De-Eskalation das Gegenteil bewirkten)
  • Bezüglich der Absicht, an der Elbe Olympia feiern zu lassen – und damit die Bürger der Hansestadt mit Millionen zu belasten. Glücklicherweise hat die Kampagne OLYMPIA NO dies gestoppt.
  • Bei seiner Umsetzung der Schuldenbremse in Hamburg; denn er ist dafür verantwortlich, dass die Hamburger Verkehrs- Bildungs- und Sozialinfrastruktur extrem unterversorgt ist.
  • Auch bei seinen Privatisierungsprojekten in Hamburg, die z.B. das Gesundheitswesen erheblich verschlechterten.

Er hat als Generalsekretät versagt:

  • Für Hartz IV ist er mitverantwortlich – und damit für den neoliberalen Kurswechsel
  • Konsequenterweise wollte er gar den Begriff des „Demokratischen Sozialismus“ aus dem Grundsatzprogramm streichen.

Er hat als Finanzminister versagt:

  • Er führt die Austeritätspolitik, genannt „schwarze Null“, seines Vorgängers Schäuble nahtlos fort – mit verheerenden Folgen. Beispiele dazu: Finanzminister Scholz setzt bei Bildung den Rotstift an. Der Etat für Bildung und Forschung im Bundeshaushalt soll 2020 um rund 69 Millionen Euro auf 18,2 Milliarden Euro sinken. Ein Drittel des Bundesstraßennetzes und jeder sechste Autobahnkilometer sind substanziell marode. Auf 11813 Kilometer Bundesstraße wurden tieferliegende Schäden festgestellt. Auf 5481 Kilometer ist die Fahrsicherheit beeinträchtigt. In Schulen, in Krankenhäusern, beim Klima, beim Bahnnetz und bei schnellem Internet ist der Mangel ebenfalls unakzeptabel. Der Rüstungshaushalt dagegen wurde um fünf Milliarden erhöht. Prämien bei den E-Autos werden auch für Nobelkarossen gezahlt werden, ohne Einkommens- oder Bedürftigkeitsprüfung. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll gesenkt werden; ein Geschenk für die Arbeitgeber – und ein Verlust für die Bundesagentur für Arbeit! - Und: Scholz beschreibt sein Versagen als verantwortlicher Finanzminister - scheinbar hilflos und apathisch - mit den Worten "die fetten Jahre sind vorbei"!

Von Scholz ist als Politiker und Parteivorsitzender daher auch nicht zu erwarten, dass er:

eine Korrektur bzw. Abschaffung von Agenda 2010 und Hartz IV anstrebt; den Ideologen des Neoliberalismus Paroli bietet – und mehr auf die Wirtschaftspolitik des Keynesianismus setzt; den Wiederaufbau der Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Rente - gegen Altersarmut – vorantreibt; für die Ökologische Wende alles tut, was die Klimakatastrophe abmildert oder gar stoppt; eine Wende in der Verkehrspolitik, den Ausbau des Schienenverkehrs, des öffentlichen Nahverkehrs und Verkehrsvermeidung vorantreibt; eine Regionalisierung der wirtschaftlichen Tätigkeit in Europa und in der Welt intendiert; für eine Reparatur und Neuaufbau der Infrastruktur steht; eine aktive Beschäftigungspolitik, eine Absage an unsichere Arbeitsverhältnisse und eine Anhebung des Mindestlohns betreibt; sich einsetzt für einen Kampf gegen die Steueroasen und die Steuerbetrüger; die Wiedereinführung der Vermögensteuer und einer wirksamen Erbschaftsteuer glaubhaft vertritt.

Beifall der Elite

Mittlerweile gibt es eine breite Allianz von Scholz-Unterstützern aus der „Elite“ und ihrer journalistischen Helfer*innen, die das auch alles anscheinend nicht wollen:

die derzeitigen SPD-Minister Maas, Giffey und Heil;

Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil(SPD) ; die ehemaligen Mitbewerber Pistorius/Köpping; die Ex-Parteivorsitzenden Schulz und Müntefering; die Arbeitgeberverbände - und z.B. die Springer-Medien rühren fleißig die Werbetrommel für Olaf Scholz.

Die Kanzlerin bzw. die CDU-Führung lassen ihn gewähren, wenn er ankündigt(!) Steuerbetrüger mit einer Sondereinheit zu jagen, ein Entschuldungsprogramm für 2.500 Kommunen zu entwickeln. Oder stolz auf die beschlossene Grundrente verweist, die nicht wirklich viel für die Betroffenen ändert (für 1,5 Millionen Menschen 80 Euro im Monat mehr – mit der Grundsicherung sind das 880 Euro im Monat zusammen). Eine Finanztransaktionssteuer ankündigt, die nur Kleinanleger betrifft, während die eigentlichen Zocker an den Finanzmärkten verschont bleiben; eine „Taskforce“ gegen kriminelle Cum-Ex-Geschäfte schaffen will, die es schon lange hätte geben müssen (seit 1992). Einen Sieg in Sachen Abschaffung des Soli verkündet: für rund 90 Prozent der Zahler, weitere 6,5 Prozent sollen ihn noch teilweise entrichten, je höher das Einkommen, desto mehr. Nur die reichsten 3,5 Prozent (!) werden weiterhin voll zur Kasse gebeten.

Eine optimale Wahlhilfe für Olaf Scholz, der so gesehen, Parteivorsitzender von Merkels Gnaden werden könnte!

Eine sozialere bzw. eine linke SPD - für die Saskia Esken und NoWaBo stehen - kann die „Elite“ nur mit Scholz (und seiner Partnerin Klara Geywitz) verhindern, der nach der Vorsitzendenwahl wieder vieles von dem, was er jetzt ankündigt, vergessen wird.

Und für die "Überlebenden" dieser Katastrophe - die es übrigens auch bei dem Untergang der Titanic gab - bietet sich dann an, die von unserem Bundespräsidenten betriebene Zangsvereinigung mit der CDU/CSU als Dauerlösung zu installieren. Da den C-Parteien das C ja bekanntlich gestohlen wurde, und das D eigentlich auch nicht mehr so richtig passt, bietet sich daher eine Neubenennung an - nämlich NLU, d.h. Neoliberale Union.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Erich Becker

Buch- und Theater-Autor

Erich Becker

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