Derya Yıldırım & Graham Mushniks Album mit türkischen Kinderliedern: Musik zur Zeit

Pop „Hey Dostum, Çak!“ – „Gib mir Fünf!“ von Derya Yıldırım & Graham Mushnik interpretiert türkische Wiegenlieder und Volkslieder neu. Nicht nur für Kinder und auch für Leute, die kein Türkisch sprechen
Ausgabe 07/2023
Kinderlieder, visuell neu interpretiert
Kinderlieder, visuell neu interpretiert

Foto: Tchane

„Kinder sind die Zukunft, und dieses Album ist ein Manifest“, schreibt die Hamburger Anatolian-Folk-Sängerin und Songwriterin Derya Yıldırım auf ihrem Instagram-Profil zu ihrem neuen Album Hey Dostum, Çak! („Gib mir fünf!“), das nun beim Independent-Label Buback des Malers Daniel Richter erscheint.

Aber halt, Kinderlieder? Und dann noch auf Türkisch? Aber ja, denn mit dem französischen Keyboarder und Produzenten Graham Mushnik ist ihr ein feines Potpourri an populären Wiegenliedern und Volksliedern und, ja, auch bekannten Popliedern gelungen, die jede Türkeistämmige über, na sagen wir, 30 Jahre kennt und liebt. Die beiden Musiker*innen lernten sich 2014 kennen und sind Mitglieder der internationalen Band Grup Şimşek, die mit feinstem anatolischen Retro-Funk sonst für Begeisterung beim erwachsenen Crossover-Publikum sorgt. Mit der überholten Kategorie „Weltmusik“ mag man das gar nicht betiteln, was Yıldırım und Mushnik hier zaubern. Denn auch Yıldırım wehrt sich vehement gegen diese Kategorisierung, die eine unnötige Exotisierung von außereuropäischer Musik vornehme.

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Die zwölf Tracks des Albums beginnen mit Ilgaz, einem bekannten Volkslied der Gruppe Moğollar aus den 1960ern. Mitreißend ist auch Mini Mini Bir Kuş, das jedes (türkischsprachige) Kind mindestens mit zwei Jahren auswendig kann, genau wie das ebenfalls sehr bekannte Arkadaşım Eşek des verstorbenen Rockmusikers Barış Manço. Das Album bietet aber auch ruhigere Rhythmen und melancholische Klänge, wie etwa Ey Çoban, in dem ein Hirte, der seine Herde verliert, besungen wird. Ungewöhnlich ist die Zusammensetzung der Instrumente: Neben der klassischen Langhalslaute Bağlama, die Derya Yıldırım vergnügt spielt, wummern die wuchtigen Schläge der Darbuka-Trommel und wechseln sich mit Flötenklängen und Synthesizerklängen ab. Nicht zu vergessen sind muntere Einspieler wie Vogelgezwitscher und Rapeinlagen.

Die Idee für dieses Album hatte die Musikerin, die mittlerweile in Berlin lebt, während der Corona-Pandemie. Im Sommer 2021, als es kaum möglich war, mit ihrer Band zu touren, zog sich die Sängerin für einige Wochen auf das Dorf ihrer Großeltern in Anatolien zurück. Mit der Dorf-Atmosphäre und einem Mini-Keyboard habe sie jeden Tag an den Liedern gearbeitet. Aufgenommen hat Yıldırım das Album allerdings mit ihren Cousinen und Cousins von vier bis zwölf Jahren in deren Kinderzimmer in Herne. Und wenn man sehr genau hinhört, singen die Kids mit einem winzigen deutschen Akzent, was das Hörvergnügen noch familiärer macht.

Aber ist das Album somit nur etwas für Kinder und Erwachsene mit Türkischkenntnissen? Aber nein. Denn durch Yıldırıms Sopranstimme und die melancholisch-fröhliche Atmosphäre der Lieder lässt sich die zarte Schönheit der Kinderlieder auch ohne die entsprechenden Sprachkenntnisse erahnen. Auch wenn es natürlich ein größeres Vergnügen ist, mitzusingen und ein wenig in seinen eigenen Kindheitserinnerungen zu kramen.

Doch für alle Menschen, die leider kein Türkisch können, finden sich im Booklet zwei Gimmicks. Zum einen die ins Deutsche übertragenen Songtexte – sorgsam übersetzt von der Schriftstellerin Duygu Ağal, sowie ein beeindruckend buntes Artwork mit musizierenden Tierwesen der kolumbianischen Künstlerin Glinda Torrano.

Anfang Februar war Derya Yıldırım auf Tour in der Türkei und konnte neben ihren Auftritten dort fast nur noch Hilfeaufrufe zum Erdbeben auf Instagram teilen. Aber mit diesem Album hat sie schon fast hellseherische Fähigkeiten bewiesen: Vielleicht ist es gerade die beste Zeit, um ein Kinderliederalbum auf Türkisch zu veröffentlichen.

Hey Dostum, Çak! Music for children and other people Derya Yıldırım & Graham Mushnik Buback 2023

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Geschrieben von

Ebru Taşdemir

Redakteurin „Politik“

Ebru Taşdemir studierte Publizistik und Turkologie an der FU Berlin und arbeitete als freie Autorin für verschiedene Medien. 2017-2019 war sie Redakteurin bei der deutsch-türkischen Medienplattform taz.gazete. Von 2019 bis 2022 war sie Chefin vom Dienst im Berlin-Ressort der taz. Sie ist Mitglied der Nominierungskommsission Info und Kultur des Grimme-Preises und Kolumnistin der Reihe „100 Sekunden Leben“ im Inforadio des rbb. Beim Freitag ist sie mit den großen und kleinen Fragen rund um Feminismus, Gender, Teilhabe und Migration betraut.

Ebru Taşdemir

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