Nun ist das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Immunität des katalanischen Unabhängigkeitsbefürworters Oriol Junqueras also verlesen worden: Mit der Wahl zum Abgeordneten des Europäischen Parlaments habe dieser von Ende Mai dieses Jahres an, also seit mehr als einem halben Jahr, Immunität genossen und hätte umgehend aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen.
Um das zu verhindern, hatte seinerzeit der Oberste Gerichtshof in Madrid (Tribunal Supremo) ihm das Verlassen des Gefängnisses verweigert, um bei der obersten spanischen Wahlbehörde die Formalitäten zur Anerkennung des Abgeordnetenstatus abzuwickeln. Wie der EuGH jetzt feststellt, waren diese Formalitäten aber gar nicht notwendig: Der gegenwärtig nach wie vor inhaftierte Junqueras erlangte den Abgeordnetenstatus sozusagen automatisch dank der zwei Millionen Katalanen, die ihn gewählt hatten.
Diese peinliche erneute Bloßstellung der spanischen Justiz hatte diese im Übrigen selbst provoziert. In der bekannten Mischung aus Arroganz und Inkompetenz hatte der Richter Marchena, Präsident der Strafkammer, die die katalanischen „Separatisten“ zu langjährigen Haftstrafen verurteilte, selbst diese Klärung der Immunitätsfrage durch den EuGH angefordert, gegen das Votum von Staatsanwaltschaft und der Vertreterin der „Abogacía General del Estado“, der von der Regierung ernannten Obersten Justizbehörde.
Wie geht es weiter?
Wie geht es nun weiter? Seit die jetzt zum Urteil erhobene Einschätzung durch den Polen Maciel Szpunar, Generalanwalt des EuGH, vor einigen Wochen bekannt worden ist, ging der Schreck schnell in eine Abwiegelungsstrategie über: Es wäre ja gar nicht zwingend, dass der EuGH den Argumenten des Generalanwalts folge, wenn das auch in 80 Prozent der Urteile der Fall ist. Außerdem wäre Junqueras ja inzwischen rechtskräftig zu 13 Jahren Haft verurteilt. Dabei wurde noch nicht einmal die sich logisch eigentlich aufzwingende Frage gestellt, welche rechtliche Basis ein Urteil in einem Prozess haben kann, der eigentlich Ende Mai hätte suspendiert werden müssen.
Als diese Frage allmählich immer unvermeidbarer wurde, ging die Suche nach juristischen „Tricks“ los: So könnte man etwa Junqueras kurz freilassen, dann schnell die Aufhebung seiner Immunität durch das Europäische Parlament beantragen und ihn dann gleich wieder einsperren – ein nicht ganz unbegründete Idee, ist doch das Urteil des EuGH auch eine Ohrfeige für das Straßburger Parlament, dessen Präsident der Linie der spanischen Justiz zur Verbannung von Junqueras und anderen katalanischen Abgeordneten aus dem Europäischen Parlament widerstandslos folgte. Kein Wort darüber, dass in der nun geklärten juristischen Situation die Aufhebung der Immunität keinesfalls sicher wäre und schnell „durchgezogen“ würde, zieht man die Entscheidungskompetenz der Abgeordneten und Einspruchsmöglichkeiten des Betroffenen in Betracht. Aber auch dieses Problem wird von der spanischen Justiz und den Medien heruntergespielt, Motto: Der spanischen Justiz entgeht keiner, und wenn auch das Ende der fünfjährigen Legislaturperiode abgewartet werden muss, um Junqueras wieder „einzufangen“.
Was Puigdemont sagt
Ernster werden inzwischen die Folgen gesehen, die das Urteil für den im belgischen Exil befindlichen katalanischen Expräsidenten Carles Puigdemont hat. Dieser konnte ja bisher wegen „Abwesenheit“ nicht rechtskräftig verurteilt werden, und das Urteil des EuGH garantiert daher ab sofort seine Immunität. Damit dürfte auch das Überstellungsgesuch der spanischen Justiz an Belgien endgültig erledigt sein, Er hat bereits angekündigt, an der nächsten Sitzung des Präsidiums seiner Partei JxCat in Barcelona teilzunehmen. Bleibt abzuwarten, was sich da der spanische Staat noch einfallen lässt.
Was die spanische Presse betrifft: ebenfalls emsiges Suchen nach Auswegen und Tricks oder aber üble Tiraden gegen die europäische Justiz. So titelt die Zeitung El Español „Junqueras und die polnische Rache an Spanien“. Das Blatt hatte herausgefunden, dass die spanische Richterin im EuGH seinerzeit an einem Verfahren gegen die Justizreform der polnischen Regierung beteiligt war.
Was keinem einfällt, ist, einmal darüber nachzudenken, was die spanische Justiz von den Kriterien trennt, die für die 28 Richter des EuGH einen Rechtsstaat ausmachen.
Kommentare 8
"Was keinem einfällt, ist, einmal darüber nachzudenken, was die spanische Justiz von den Kriterien trennt, die für die 28 Richter des EuGH einen Rechtsstaat ausmachen."
Vielleicht liegt es daran, dass es noch weitere EU-Staaten gibt, die diesen Kriterien nicht (mehr) gerecht werden.
Weil die Schotten von den Engländer unterworfen wurden, die Katalanen aber Spanier sind. Katalonien ist so spanisch wie Bayern deutsch ist. Es mag ein bisschen speziell sein mit seinem Dialekt, seiner Zugehörig erst zum Kalifat und dann zum Frankenreich und seiner Seefahrtgeschichte im Mittelmeer, aber genuin anders ist es nicht. Man kann die Geschichte Spaniens ohne Katalonien nicht erzählen. Die Katalanen sind über die Grafschaft Barcelona und deren Aufgehen im Königreich Aragon, das sich schließlich auf immer mit Kastilien verband, ein integraler Bestandteil der Geschichte Spaniens. Dass die Mentalitäten nicht harmonieren, das stimmt, aber das ist mit regionaler Autonomie und etwas Augenmaß deutlich besser gelöst als mit blindwütigem Separatismus.
Weil die Schotten von den Engländern unterworfen wurden, die Katalanen aber Spanier sind. Katalonien ist so spanisch wie Bayern deutsch ist. Es mag ein bisschen speziell sein mit seinem Dialekt, seiner Zugehörig erst zum Kalifat und dann zum Frankenreich und seiner Seefahrtgeschichte im Mittelmeer, aber genuin anders ist es nicht. Man kann die Geschichte Spaniens ohne Katalonien nicht erzählen. Die Katalanen sind über die Grafschaft Barcelona und deren Aufgehen im Königreich Aragon, das sich schließlich auf immer mit Kastilien verband, ein integraler Bestandteil der Geschichte Spaniens. Dass die Mentalitäten nicht harmonieren, das stimmt, aber das ist mit regionaler Autonomie und etwas Augenmaß deutlich besser gelöst als mit blindwütigem Separatismus.
Fehlt nur noch, dass Baskisch auch ein Dialekt des Spanischen ist
Fehlt nur noch, dass das Baskische (euskera) auch ain Dialekt des Spanischen ist.
Schlimm genug dass Korsika und Neapel, damals auch Teil des Königreichs Aragon, nicht mehr zu Spanien gehören.
"Weil die Schotten von den Engländer unterworfen wurden, die Katalanen aber Spanier sind. Katalonien ist so spanisch wie Bayern deutsch ist. Es mag ein bisschen speziell sein mit seinem Dialekt."
Die Katalanen wurden also nicht ihrer (zuvor gut 500- jährigen) Selbsständigkeit und Eigenverwaltung beraubt, ihre Sprache nicht (wie z.B. das gälische von den Engländern) verboten? Die bairischen Dialekte unterscheiden sich von der heutigen deutschen Standardsprache gehörig (sind auch älter als diese). Katalanisch war und ist aber (ebenfalls und noch deutlicher) eine eigenständige Sprache und unterscheidet sich von der spanischen ungefähr so wie die deutsche von der holländischen. Katalonisch wurde schon gesprochen, als es Spanien als Staat noch gar nicht gab.
Nachtrag:
"die Katalanen aber Spanier sind"
Ja, wie die Sorben auch Deutsche (Staatsbürger) und die Südtiroler "Italiener" sind.