Die spanische Politik bringt täglich neue Kreationen des absurden Theaters hervor. Und wieder ist die Inszenierung in Madrid. Noch sucht die regionale Präsidentin Ayuso Ausreden für die ca. 6.000 Corona-Toten in Altenheimen – nicht einfach, nachdem eine Anweisung bekannt wurde, deren Bewohner im Fall einer Infektion gar nicht erst in Krankenhäuser einzuliefern –, da haben die Faschisten der Partei VOX und die Rechtspartei PP einmal mehr einen Weg gefunden, der Regierung von Pedro Sánchez die Verantwortung für das Massensterben in der Hauptstadt zuzuschieben: Schuld sei die Demonstration am 8. März, dem Weltfrauentag. Die Guardia Civil hat einen „gefakten“ Bericht zum verantwortungslosen Nichtverbot von Demos an diesem Tag beigesteuert, und umgehend hat die Richterin Carmen Martínez Medel, selbst aus einer Familie von prominenten Angehörigen der Guardia Civil kommend, die Ermittlungen gegen die Regierung aufgenommen. Diese „Kriminalisierung“ des Weltfrauentags fügt sich ein in die schon längere Kampagne von Rechten und Faschisten gegen das kulturzersetzende „Gender-Denken“ und sogar gegen die Gesetze zur „Gewalt gegen Frauen“, die sich vor allem VOX auf die Fahnen geschrieben hat.
Als bei den Nachforschungen des Innenministers Marlaska, selbst bekennender Schwuler, herauskam, dass der Kommissar der Guardia Civil in Madrid, Pérez de los Cobos, hinter dem manipulierten Bericht steckte, entließ er diesen. Kurz darauf trat der stellvertretende Chef der Guardia Civil in Spanien, Laurentino Ceña, zurück. Wie sich nach und nach herausstellte, ist die Spitze des spanischen Polizeiapparats bis in deren politische Führung im Innenministerium von einem Netz – man könnte auch sagen einer Mafia – durchzogen, das in den Zeiten der Rechtsregierung unter Mariano Rajoy die sogenannten „Kloaken des Staates“ aufgebaut hatte. Dazu gehörte eine Spezialtruppe der sogenannten „patriotischen Polizei“. Diese illegal agierende Brigade organisierte systematisch Kampagnen zum Rufmord von politischen Gegnern. Sie erfand etwa Geldwäsche-Vergehen katalanischer Politiker oder Beweise, dass die damals neue systemkritische Partei Podemos aus Venezuela oder sogar aus dem Iran finanziert wurde.
Noch nicht trockengelegt
Innenminister Marlaska hatte zwar schon vor längerem erklärt, er hätte die „Kloaken“ inzwischen trockengelegt, aber er hatte sich geirrt. Nach und nach kommt ans Licht, dass seine Entlassungen und Versetzungen wenig bewirkten, weil nämlich der Schöpfer dieser Kloaken, Jorge Fernández Díaz, Innenminister unter Rajoy, vor seinem Abgang die gesamte Führungsstruktur des Ministeriums und des Polizeiapparats mit „Getreuen“ besetzt hatte, über die sich alles weiter steuern lässt. Mit Hilfe dieser Getreuen konnte die Arbeit an seiner Idee eines „sauberen“ Spaniens fortgeführt werden, dessen Regeln aus „Gottes Werk“ entnommen sind.
„Gottes Werk“ meint „Opus Dei“, eine Organisation geheimbundartigen Charakters von weltweit über 60.000 offiziellen Mitgliedern. Jeder in Spanien kennt in seinem Umkreis irgendein Mitglied, aber keiner weiß etwas Genaues. Die Krakenarme von Opus Dei reichen in Spanien und Lateinamerika in alle Bereiche von Politik, Wirtschaft, Finanzen, Erziehung und Kultur. Ihr Gründer war Escrivá de Balaguer, ein durch mehrfache Erscheinungen „Erleuchteter“, Vertrauter von Diktator Francisco Franco, Verteidiger des Blutbads beim Putsch in Chile, das er als notwendigen Reinigungsprozess bezeichnete, und schließlich von Papst Johannes Paul heilig gesprochen. Kurz und gut: die bereits genannten Fernández Díaz und De los Cobos, aber auch Ignacio Cosidó (Chef der Nationalpolizei), Arsenio Fernández de Mesa (Chef der Guardia Civil), Eugenio Pino (Chef der „Patriotischen Polizei“), und so weiter, und so fort: allesamt Mitglieder des Opus Dei. Die digitale Zeitung publico.es veröffentlichte vor einiger Zeit eine Liste von 74 Prominenten in Spanien, die diesem eigenartigen „Club“ angehören, die meisten davon aus der Politik und alle – jeder in seinem Bereich – kreuzzugartig mit einer ultrakatholischen Mission unterwegs, die zur Zeit offenbar auf den Sturz der sozialistischen Regierung fokussiert ist. Fernández Díaz ist dabei direkt vom Papst Benedikt inspiriert worden, der ihm angeblich persönlich eröffnete, der Teufel wolle Spanien zerstören. Leider hatte er dann beim gegenwärtigen Papst Franziskus Pech: dieser lehnte ihn wegen seiner Verbindung zum Opus Dei als spanischen Botschafter im Vatikan ab.
Im Kampf der Regierung von Pedro Sánchez gegen dieses Heer von Gotteskriegern, das Seite an Seite mit Rechtspartei und Faschisten gegen seine Regierung zu Felde zieht, sehen deren Chancen zur Zeit nicht gut aus.
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