Der Partido Popular implodiert

Spanien Korruption, ein Privatdetektiv und eine Medienkampagne: Nach der verlorenen Regionalwahl in Castilla y León eskaliert der Machtkampf innerhalb der Rechtspartei zwischen Pablo Casado und Isabel Ayuso. Profitieren die Faschisten?
Die Stimmung war auch schon mal besser zwischen Isabel Ayuso und Pablo Casado
Die Stimmung war auch schon mal besser zwischen Isabel Ayuso und Pablo Casado

Foto: Oscar des Pozo/AFP via Getty Images

Wenige Tage nach seinem gescheiterten Triumph in den Regionalwahlen in Castilla y León, trotz eines geradezu verzweifelt brutalen Wahlkampfs, schritt Pablo Casado, Chef der spanischen rechtskonservativen Partido Popular (PP), zur Tat und versuchte, seine Rivalin Isabel Ayuso offen und in aller Form zu eliminieren. Beim Auftritt von Ayuso in der letzten Phase dieses Wahlkampfs wurde ihr und nicht Casado zugejubelt – und das, wo Casado einen Sieg in Castilla y León als Schritt in Richtung einer baldigen Ablösung der linken Regierung von Pedro Sánchez und seiner Wahl zum Chef einer neuen Rechtsregierung geplant hatte. Statt eines Erdrutschsiegs des PP, möglichst noch massiver als der von Ayuso in Madrid im Mai letzten Jahres, erlebte Casado ein Fiasko: die Wahl endete mit einem Triumph der Faschisten.

Den Versuch der Eliminierung von Ayuso verkleidete Casado als Kampf gegen die Korruption. Der Vorwand für ihre Eliminierung: ein vergleichsweise lächerlicher Fall von illegaler Bereicherung in ihrer Familie: Sie hatte einem Freund ihres Bruders ohne Ausschreibung einen Vertrag zur Lieferung von Corona-Schutzmasken zugespielt – Umfang 1,5 Millionen Euro – und dieser hatte dafür 280.000 Euro als Kommission kassiert (nach einer Presseerklärung von Ayuso sogar „nur“ 50.000). im Vergleich zu anderen Korruptionsskandalen im Umfeld der Regierung der Region Madrid ein geradezu lächerliches Volumen.

Diese Bereicherung wurde im Übrigen bereits im Herbst letzten Jahres von der digitalen Zeitung eldiario.es aufgedeckt – ohne jede Reaktion der Rechtspartei PP. Seitdem hat die Parteispitze aber anscheinend mit diesem Material an der politischen Vernichtung von Ayuso gearbeitet, setzte diese sich doch immer ungenierter als Rivalin von Pablo Casado für die Nominierung zur Spitzenkandidatin bei den nächsten landesweiten Wahlen in zwei Jahren in Szene. Als erste Probe dieses Kräftemessens hatte Ayuso die anstehende Wahl des Parteivorsitzes der Rechtspartei in der Region Madrid ausgewählt.

Angesichts geplanter Verschiebungen dieser Wahl drängte Ayuso in der letzten Zeit immer wieder auf deren baldige Durchführung. Eine satte Mehrheit war ihr nach dem erwähnten Erdrutschsieg in der Region Madrid im letzten Mai so gut wie sicher. Casado sah darin zu Recht einen Schlag gegen seine Autorität in der Partei und seine Nominierung als Präsidentschaftskandidat in Gefahr.

„Blutiger“ Angriff der Parteiführung

Dann fand Ayuso heraus, dass die Spitze ihrer eigenen Partei ein Detektivbüro beauftragen wollte, handfestere Beweise wie Kontoauszüge und für Manipulationen im Zusammenhang mit der besagten Auftragserteilung zu beschaffen. Ayuso reagierte darauf mit Empörung, sprach von einem „blutigen“ Angriff der Parteiführung und beschimpfte den nach ihrer Meinung verantwortlichen Pablo Casado persönlich. Die Parteispitze wiederum bestritt den Versuch des Ausspionierens (von dem ein Audio-Mitschnitt vorliegt), gab die Eröffnung eines parteiinternen Untersuchungsverfahrens zur illegalen Bereicherung der Familie von Ayuso bekannt und erwog wegen deren Angriffs auf Casado ein Parteiausschlussverfahren. Am selben Abend noch versammelten sich regionale Parteigenossen vor der Parteizentrale des PP in Madrid (die übrigens mit Korruptionsgeldern modernisiert wurde) und forderten in Sprechchören Solidarität mit Ayuso und den Rücktritt von Pablo Casado. Zu dieser Demonstration hatte der öffentlich finanzierte Fernsehkanal Telemadrid („Teleayuso“) aufgerufen. Casado bekam es daraufhin mit der Angst zu tun und lud Ayuso für Freitagabend zu einer Aussprache in der Parteizentrale vor. Danach ließ er mitteilen, die „Akte Ayuso“ wäre geschlossen, während Ayuso bekanntgab, das Gespräch hätte nichts gebracht.

Die rechten Medien – allen voran die Zeitung „El Mundo“ – haben Casado seitdem den Krieg erklärt. Die Parteispitze des PP rechtfertigte nachträglich die Verschiebung der Wahl des Parteivorsitzenden in der Region Madrid: Sie hätte nicht zulassen können, dass eine korruptionsverdächtige Isabel Ayuso als Kandidatin antritt und den Namen der Partei beschmutzt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, wo korruptionsverdächtige Spitzenpolitiker des PP wie der Ex-Regierungschef Mariano Rajoy bis heute von der Parteispitze bedingungslos gedeckt werden. Die Rede ist von dem „Fall Gürtel“, mit dem verglichen es im „Fall Ayuso“ um „peanuts“ geht.

Linke Koalitiosnregierung erst einmal beruhigt

Kurz gesagt: das Schisma der Rechtspartei schien am letzten Freitag vollzogen, einer Partei, die noch eine Woche zuvor als solide und kraftstrotzende Alternative zur linken Koalitionsregierung im Wahlkampf in Castilla y León aufgetreten war, und es bleibt abzuwarten, wer in diesem Krieg um die Zukunft der Rechten in Spanien siegen wird: ob Casado oder Ayuso oder keiner von beiden. Es ginge dabei nicht nur um Personen, sondern um unterschiedliche politische Projekte: Während Casado mit allen Mitteln nach der Wahlpleite in Castilla y León eine Koalitionsregierung mit der faschistischen Partei Vox – aus Angst vor dem Schaden für den Ruf des Landes – verhindern will, wirbt Ayuso für das Madrider Modell einer „fruchtbaren“ Zusammenarbeit zwischen Rechtspartei und Faschisten.

Die regionalen Barone der Rechtspartei im ganzen Land waren letzte Woche erst einmal in Schockstarre verfallen. Am Ende versuchte einer von ihnen, Alberto Núñez Feijoo, Präsident der autonomen Region Galizien, zu retten was zu retten ist und schlug die umgehende Einberufung eines außerordentlichen Parteitags vor. Feijoo ist einer der wenigen Politiker de Rechtspartei, der sich die letzten Jahre aus den hysterischen Angriffen von Casado gegen die linke Regierung herausgehalten hat. Inzwischen wird er von einigen Medien als möglicher Nachfolger Casados und als Spitzenkandidat für die nächsten Wahlen in Spanien gehandelt. Die Lösung wäre dann also die „Entsorgung“ der beiden Rivalen Casado und Ayuso: nicht die schlechteste Option für eine Rettung des Landes vor den Faschisten.

Wie die Dinge stehen, kann jedenfalls die linke Koalitionsregierung erst einmal beruhigt in die Zukunft schauen.

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