Die Regional- und Kommunalwahlen vom Pfingstwochenende haben die Minderheitsregierung des sozialistischen Premiers Pedro Sánchez – nicht ganz unerwartet – schwer getroffen. Noch gut eine Woche zuvor hatte Ione Belarra, Generalsekretärin des Koalitionspartners Podemos und Ministerin für Soziales, eine flammende Wahlkampfrede in Zaragoza, Hauptstadt der Autonomen Region Aragón, gehalten. Darin wurde Podemos als Motor und Mentor des Fortschritts gepriesen. Neuestes Projekt sei ein Gesetz, das dem Recht auf eine erschwingliche Wohnung Verfassungsrang geben soll. Und dann das böse Erwachen am Pfingstmontag nach der Abstimmung: Podemos verlor die bisherigen zwei Sitze im Stadtparlament von Zaragoza, während die faschistische Partei VOX ihre Mandate von z
n zwei auf vier verdoppelte. Im Regionalparlament von Aragón schrumpfte die Präsenz von Podemos gar von fünf auf einen Sitz.Es ist im Übrigen die gleiche Ione Belarra, die sich seit Monaten weigert, mit Yolanda Díaz, der Nachfolgerin von Pablo Iglesias als Vizepremierministerin der Madrider Koalitionsregierung, in der parteiübergreifenden Linksbewegung „Sumar“ zusammenzugehen. Begründung: Sollte dies geschehen, könnte die Identität von Podemos Schaden nehmen.Ausgerechnet in CádizBlickt man über Aragón hinaus auf ganz Spanien, reibt man sich die Augen: Von den sechs Regionen, deren Regierungen bislang von linken Mehrheiten gebildet wurden, gingen fünf verloren: neben Aragón die Comunidad Valenciana, Kantabrien, Extremadura, die Balearen und die Kanarischen Inseln. In all diesen Regionen wird jetzt erwartet, dass der rechte Partido Popular (PP) von Parteichef Alberto Núñez Feijóo und die offen franquistischen Rechtsaußen der Partei VOX Koalitionsregierungen bilden, wie das bereits in Castilla y León geschehen ist. Das gleiche Bündnis aus der Rechtspartei und den Faschisten könnte Spanien in Kürze auf nationaler Ebene führen. Denn Pedro Sánchez hat in einem verzweifelten Rettungsversuch das Votum über das nächste Parlament von Dezember auf den 23. Juli vorgezogen. Viel spricht dafür, dass damit eine in Teilen ultrarechte Regierung in Spanien kaum mehr zu verhindern sein wird.Auch in den großen Städten wurden die für demokratische Erneuerung stehenden Stadtregierungen und Bürgermeister praktisch weggewischt. Dazu gehören Ada Colau, Ikone des Wandels in Barcelona, Antonio Muñoz in Sevilla, José María Gonzales Santos in Cádiz (ausgerechnet die Stadt, in der 1873 in einer Versammlung die Verfassung für eine Republik erarbeitet werden sollte, was dann durch einen Militäreinsatz verhindert wurde). Zählt man alles zusammen, so wird der Partido Popular – wenn nötig unterstützt von den Faschisten – in 13 Provinzmetropolen die linken Bürgermeister ablösen.Gibt es für dieses Debakel eine Erklärung? Nicht wirklich, auch nicht dafür, dass eine Populistin wie Isabel Ayuso (PP), Regierungschefin der Autonomen Region Madrid, nach vier Jahren voller Skandale dieses Mal sogar zur absoluten Mehrheit aufgestiegen ist. Ein Grund für die Verluste der Linken ist sicher der „Zerkleinerungsprozess“ der aus der Bewegung der Indignados (der Empörten) hervorgegangenen linksalternativen Partei Podemos. In dieser Formation hat die „Egolatrie“ – der Kampf der Egos – immer mehr die politischen Projekte in den Hintergrund treten lassen. Die Geschwindigkeit des Zerfalls dieser speziellen spanischen linken Alternative – über längere Zeit ein positives Gegenmodell für die Partei „Die Linke“ in Deutschland – hat das Tempo von deren Zerfall in letzter Zeit noch übertroffen.Der Wahrheit zuliebe sei ergänzt, dass auch die Regierung in Madrid zusehends ein eher schlechtes Bild abgegeben hat, etwa bei der Neufassung eines Gesetzes zum Sexualstrafrecht, überschrieben: „solo sí es sí“ (nur ja ist ja), das sexuelle Annäherungen an eine Frau ohne klaren Konsens unter Strafe stellt – ein Schlüsselprojekt der Ministerin Irene Montero (Podemos). Einige Richter haben das Gesetz derart verbogen interpretiert, dass mehrere Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen wurden. Die Sozialisten legten daraufhin eine modifizierte Version vor, bei der nach Meinung von Podemos der „feministische Geist“ des ursprünglichen Gesetzes auf der Strecke blieb. Das revidierte Gesetz wurde schließlich gegen die Stimmen von Podemos und mit denen des Partido Popular verabschiedet.Kommentatoren sind sich darüber einig, dass es in Spanien nach dem Ende der Diktatur Francisco Francos (1939 – 1975) keinen so brutalen Wahlkampf seitens der Rechten wie in den vergangenen Wochen mehr gegeben hat. Das ging so weit, dass der Linksregierung in Madrid von großen Teilen der Rechten jede Legitimität abgesprochen wurde, da sie sich auf „Separatisten“ (in Katalonien die republikanische Linke ERC) und „Terroristen“ (im Baskenland die Partei EH Bildu) stütze. Das fand sich von einer medialen Dauerkampagne flankiert, bei der Premier Pedro Sánchez pausenlos als „Vaterlandsverräter“ und „Putschisten-Freund“ beschimpft wurde. Gegen Podemos selbst lief die Produktion von Fake News auf Hochtouren. So wurde behauptet, die Partei werde durch Gelder aus Venezuela oder dem Iran finanziert. Ein Höhepunkt kurz vor der Wahl: EH Bildu, die baskische Partei, die dem bewaffneten Kampf der ETA längst abgeschworen und sich für den politischen Weg entschieden hat, präsentierte auf der Liste ihrer Kandidaten einige ehemalige ETA-Häftlinge. Wegen des öffentlichen Aufruhrs wurden die zwar wieder zurückgezogen, aber wohl zu spät. Pedro Sánchez, dessen Regierung bei bestimmten Abstimmungen im Madrider Parlament von EH Bildu unterstützt wurde, war seither als Komplize blutbefleckter Terroristen medial einem regelrechten Massaker ausgesetzt.Wohlgemerkt handelt es sich bei EH Bildu um keine radikale Splittergruppe, sondern die zweitstärkste Partei im Baskenland. Und kein Wort darüber, dass in Nordirland nach Ende des bewaffneten Kampfes der IRA deren politischer Arm Sinn Féin eine konstruktive Rolle spielte. Spanien stehen finstere Zeiten bevor. Wie bei anderen Anlässen ähnlichen Zuschnitts ist zu erwarten, dass die gern moralisierende EU und die kaum anders veranlagte deutsche Außenpolitik zu alldem schweigen werden.