Alles illegal? Google und die deutsche Politik

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Nein, besondere Sympathie empfinde ich für die Datenkrake Google nicht. Ich versuche eher, diesen modernen "Schmoe (is watching you)" zu (ver)meiden, wo immer es geht. Aber einige der Kommentare, die derzeit durch die Medien geistern, gehen mir doch entschieden zu weit. Da schwappt wieder mal gutmenschliche Empörung durch deutsche Lande, die im Brustton der Überzeugung die "Tatsache" verbreitet, Google setze sich mit dem Fotografieren aller Straßen der Welt über geltendes Recht hinweg. So gerade wieder der Kommentator der Tagesthemen.

Ich gehe einmal davon aus, dass deutsche Kommentatoren hier von deutschem Recht sprechen, und habe gerade deshalb große Mühe, ihre Argumente nachzuvollziehen. Ist es wirklich eine "Tatsache", dass das deutsche Recht das Fotografieren von Straßen, Häusern und Menschen verbietet? Wohl kaum, denn dann wäre ein Großteil der Zeitungs- und Zeitschriftenfotografen bereits arbeitslos, ihre Publikationen hätten schon lange die Pforten geschlossen.

Tatsache ist, dass diese Art des Fotografierens - und das betrifft in der Regel auch zufällig ins Bild geratende Menschen - absolut erlaubt ist. Und dabei ist es erst einmal egal, ob der Fotograf seine Kamera in der Hand hält, auf einem Stativ montiert oder auf ein Auto baut, mit dem er durch die Straßen fährt.

Die Frage, die sich leider kaum jemand stellt, ist eine ganz andere. Besser gesagt, es sind sogar zwei: Zum einen muss man sich fragen, ob das massenhafte, industrielle Fotografieren eine neue Qualität mit sich bringt, die gesetzlicher Regelungen bedarf. Bejaht man das, sehe ich allerdings erhebliche Schwierigkeiten bei der Begründung und (!) bei der konkreten Abfassung eines solchen Gesetzes, das ja auch durchführbar sein müsste.

Zum zweiten, und da besteht meines Erachtens wirklich Klärungs- und gesetzgeberischer Handlungsbedarf: Darf Google diese Aufnahmen wirklich über die entsprechenden Algorithmen mit der Datenflut des Internets derart verknüpfen, dass man mithilfe der entsprechenden Abfrage bei Google jedem Wohnhaus seine Bewohner, jedem Menschen seinen Namen und Vornamen, seinen Beruf, sein Alter, jedem Bordell seine Kunden und jedem Politiker seine Liebschaft etc. pp quasi "ansehen" kann.

Hier, und nur hier darf meines Erachtens der Gesetzgeber tätig werden, will er nicht Gefahr laufen, ein wesentliches Element der Pressefreiheit grundlegend zu beschneiden - was ja aller Wahrscheinlichkeit nach auch dazu führen würde, dass ein entsprechendes Gesetz vom Verfassungsgericht kassiert würde. Die Frage, die ich mir stelle, lautet: Warum sagt das nicht endlich mal jemand all den schlauen Kommentatoren und Verbraucherminister(innen)?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Eckhard Supp

Journalist, Buchautor und Herausgeber von ENO WorldWine (www.enobooks.de)

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden