Wasser im Wein: Kein Skandal?

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Panscherei beim Wein? Schon wieder? Nein, keine Panik! Diesmal geht es nicht um jene wundersame Vermehrung von Wein, die schon in der Antike und im Mittelalter so beliebt war, obwohl mit drakonischen Strafen sanktioniert. Es geht auch nicht um die Verwandlung von Wasser in Wein aus der christlichen Mythologie. Allenfalls darum, einem umstrittenen önologischen Verfahren zu legalem Status zu verhelfen. Wie das?

Fangen wir der Reihe nach an: Die südafrikanische Regierung berät zur Zeit, ob sie einem Begehren stattgeben soll, das aus den Reihen der Weinindustrie des Landes an sie herangetragen wurde. Um Weine mit niedrigerem Alkoholgehalt, wie sie der internationale Konsument offenbar immer mehr goutiert, vermarkten zu können, möchten Südafrikas Weinmacher ihre Moste gern mit Wasser verdünnen. Mit bis zu 15 %, so ihre Vorstellung.

Ihr Argument ist, dass eine Absenkung des hohen Alkoholgehalts vieler Weine auf natürlichem Wege nicht möglich ist - die notwendige und für die geschmackliche Vollkommenheit der Weine erwünschte physiologische Reife stellt sich in Südafrika oft erst dann ein, wenn der Zuckergehalt und damit der potenzielle Alkoholgehalt der Trauben schwindelerregende Ausmaße angenommen hat -, und dass die bisher bekannten Verfahren, Umkehrosmose, Schleuderkegelkolonne ("spinning-cone-column"), so teuer sind, dass nur gutbetuchte Winzer und Kellereien sie sich leisten können.

Schummeln verboten!

Für viele Weinfreunde und Winzer ist das eine Frage, auf die sie die Antwort schon zu wissen glauben, und so ist die Ablehnung des südafrikanischen Begehrens nicht nur durch offizielle Stellen wie die Internationale Weinorganisation OIV, sondern auch durch viele Weinfreunde und Winzer nicht wirklich überraschend. Europas Weinlabore stehen bereit, um den Südafrikanern ihren Wein wieder zurückzuschicken, wenn die so wagemutig sein sollten, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die zur Verfügung stehenden Analyseverfahren sind inzwischen so fein, dass die Herkunft praktisch jedes einzelnen Wassermoleküls im Wein nachgewiesen werden kann: Pfuschen und Schummeln also unmöglich!

Die Sache ist allerdings dann doch etwas komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint. Da ist erst einmal die Tatsache, dass Weine ohne einen Tropfen "fremden", nicht aus den Trauben stammenden Wassers eher eine Seltenheit sind. Wasser im Wein? Haben wir längst! Sei es in Form von Regenwasser auf den nass im Keller ankommenden Beeren, sei es in Form von Leitungswasser, das zum Auflösen von Schönungsmitteln wie Bentonit verwendet wird, sei es im noch nassen Tank, der mit Wein befüllt wird, oder in den Dauben des weingrün gemachten Fasses. Das ist, zugegeben, wenig Wasser, nur maximal drei Prozent, wie sie das Gesetz auch erlaubt, während die Südafrikaner immerhin eine bis zu 15-prozentige Wasserzugabe legalisieren möchten. Aber es ist Wasser, Wasser, das für die Reinheits- und Naturfreunde unter den Weintrinkern eigentlich gar nichts im Wein zu suchen hat. Zu suchen hätte?!

In der alten Auseinandersetzung der Alten mit der Neuen Welt des Weins, in der Auseinandersetzung, ob unsere Weine handwerklich, authentisch, natürlich, deren Produkte aber industriell, künstlich sind, taugt die Frage des Wassers im Wein also nicht, und das, obwohl viele Weinmacher heißer Länder offen zugeben, dass sie ihre Moste schon seit langem verdünnen. Diese mangelnde Tauglichkeit für heftige Polemik ist vielleicht auch der Grund dafür, warum die Debatte bisher noch nicht richtig hochkochte. Warum sich die Diskussion - noch! - auf den einen oder anderen Artikel hier und da, eine Handvoll Diskussionsbeiträgen in Social Networks wie Xing beschränkt, obwohl sie durchaus Skandalpotenzial birgt. Denn 15 % Wasser im Wein machen diesen ja nicht zuletzt in der Produktion auch (fast) 15 % billiger.

Wollte man gerecht sein, dann müsste man den Südafrikanern ihr Wasser im Wein eigentlich erlauben, denn "künstlicher" als all die Vakuumverdampfer und Umkehrosmosen, die bei uns bereits kräftig zur Anwendung kommen, obwohl eigentlich nur für "experimentelle Zwecke" zugelassen, ist das Wasser bestimmt nicht. Übrigens, mit der gleichen "experimentellen" Ausnahmegenehmigung ist es ja auch bei uns schon erlaubt, mehr als die genannten drei Prozent Wasser zum Most zu geben.

Da böte sich nur an, eine Deklarationspflicht in die Europäische Weinordnung aufzunehmen. Eine Deklarationspflicht, die dann auch das Chaptalisieren, die Holzchips im Stahltank, die Spinning cones und die chemischen Hilfsmittel betreffen sollte. Aber die wird es bei uns wohl nur über die Leichen von Weinbaufunktionären und Winzern geben. Das walte der Heilige Vinzenz oder, noch besser, Gott, der helfen kann!

Alternativen gesucht

Wäre, sollte, böte, könnte! Dabei gibt es valide Alternativen. Zum Beispiel die, Rebsorten zu kultivieren, die ihre physiologische Reife früher erreichen. Oder die, verschiedene Rebsorten zu verschneiden. Schon vergessen, das Erfolgsrezept des Bordelais? Schon vergessen, die alte Regel, dass sortenreine Weine in kühleren, Sortenverschnitte in wärmeren Gegenden erzeugt werden? Man könnte auch bei den Hefen versuchen, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte wieder zurückzudrehen, als man alles daransetzte, Sorten zu isolieren und zu züchten, die möglichst viel Alkohol aus dem Zucker erzeugten. Man könnte kühlere Lagen wählen, den Erntezeitpunkt wieder leicht früher ansetzen, wie es ja einige durchaus renommierte Winzer, die in guten Jahren zur absoluten Spitze gehören, schon lange machen, man könnte die Gärführung verändern. Man könnte!

Ein großer Vorteil all dieser alternativen Maßnahmen wäre, dass die Weinqualität intakt bliebe. Denn, einmal ganz im Ernst: Glaubt jemand wirklich, dass die unter dem Wasser im Wein nicht litte. Wer den Alkohol im Wein verdünnt, der verdünnt natürlich auch alle anderen Inhalts-, d. h. Geschmacks- und Aromasubstanzen. Und hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen dem Wasserschlauch und den Osmose-Schleuder-Apparaten.

Aber: All diese Alternativen sind aufwändig, erfordern einen auf Qualität, nicht nur auf Menge und Kosten ausgerichteten Weinbau. Und den gibt es in der südafrikanischen Weinindustrie über weite Strecken - wir sprechen hier nicht von den qualitätsbewussten Spitzenwinzern - genauso wenig, wie in allen anderen Weinbauländern. Und so werden wir dann eines Tages, wenn die EU und das OIV ihren Widerstand gegen den südafrikanischen Vorstoß aufgegeben haben - das Weltklima lässt grüßen - wohl doch einfach Wasser in den Most schütten. Weil es so unendlich viel bequemer und vor allem billiger ist!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Eckhard Supp

Journalist, Buchautor und Herausgeber von ENO WorldWine (www.enobooks.de)

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