Das andere Großprojekt

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Während im Muster-Ländle an Blessuren herumgedoktert wird, die Stuttgart21 und deren Polizei geschlagen haben, ist beim Nachbarn Bayern noch alles in bester Ordnung: München wird sich für Olympia 2018 bewerben, so lautet der beinahe einstimmige Beschluss des Stadtrats vom Mittwoch. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wird mit den Worten zitiert, Olympia sei eine weltumspannende Idee, „ich hoffe, dass München damit noch einmal in Verbindung gebracht wird und nicht nur mit Genörgel darum“.

Unklare Finanzen

Dass damit auch viel Geld bewegt wird, ist allerdings eine ganz konkrete Seite des Genörgels. Denn die Stadt München wird 206 Millionen Euro aus eigener Kraft locker machen müssen für die Investitionen, die für die unmittelbare Durchführung des modernen Zirkus‘ erforderlich sind. Eine weitere halbe Milliarde soll von Bund, Freistaat und privaten Investoren kommen. Die Zahlen sind jedoch reine Makulatur gegenüber den Berechnungen, die bereits im Juli die Runde gemacht haben. Danach kostet alleine die Bewerbung über 30 Millionen Euro. Die Infrastrukturmaßnahmen wiederum summieren sich nach vorläufiger Schätzung auf bis zu 2,5 Milliarden, wobei völlig offen ist, woher das Geld mit Blick auf ein paar Wochen Spektakel kommen soll. Natürlich wird dieser Umstand mit dem Hinweis bemäntelt, es handele sich um ohnehin anstehende Modernisierungsmaßnahmen etwa beim Ausbau von Autobahnen und der Bahn. Sonderbar mutet allerdings an, dass derlei Klotzerei, die gemeinhin 17 Jahre und länger (so für einen Bahnhof ein paar hundert Kilometer westlich von München) alleine in der Planungsphase dauert, im Hauruck-Verfahren durchsetzbar sein soll, nur weil der olympische Geist ruft. Auch wird man sich fragen müssen, wie die Stadt München bei Verbindlichkeiten, ausgewiesen in ihrer Bilanz zum Stichtag 31.12.2009, in Höhe von 3,36 Milliarden Euro den Bürgern weitere Lasten zumuten will.

Die politische Willensbildung im Münchener Stadtrat ist ebenfalls eine Betrachtung wert. Denn die im März 2008 bestätigte Mehrheit aus SPD und GRÜNE unter Christian Ude hatte im Wahlkampf als gemeinsamen Klebstoff den Widerstand gegen ein anderes Bauvorhaben gefunden gehabt, den Transrapid. Er sollte als Referenzprojekt die Verbindung zwischen der Stadt und dem Flughafen herstellen und eine unbestimmte Summe zwischen 1,85 und 2,2 Milliarden EURO kosten. Eine Volksbefragung und ein Bürgerentscheid waren sichtbarer Beweis der gemeinsamen Anstrengungen. Nach überstandener Kommunalwahl und der Einstellung des Projekts empfahl Ude die schnelle Entfernung eines Modells des Transrapid am Flughafen, „weil es den Fluggästen nur noch als Verhöhnung und als Denkmal einer gescheiterten Großmannssucht erscheint“.

Unklare Politik

Vollmundigkeit kann sich Ude freilich leisten, der ohnehin nach diesem vierten Mandat und dann 20 Jahren an der Spitze der Stadt nicht mehr kandidieren wird. Bei den GRÜNEN sieht es hingegen anders aus. Die Ambivalenz ihrer Haltung gegenüber Stuttgart21 ist in München noch viel offensichtlicher. Und sie ist aktuell. Denn deren elf Stadträte kontrastieren mit ihrem Votum pro Olympia praktisch die gesamte Partei in Bayern. Schmückt sich deren Internetauftritt noch mit einem direkten Link zu „NOlympia 2018“ und entsprechenden Äußerungen ihres Landtagsabgeordneten Ludwig Hartmann, so erklärt sich die Stadtratsfraktionenttäuscht“, dass es ihr nicht gelungen sei, „die Mitglieder der Basis davon zu überzeugen, dass das Umweltkonzept eine herausragende Grundlage für die Bewerbung um die olympischen Spiele 2018 ist.“ Das jetzige Umweltkonzept setze „Maßstäbe für alle anderen Bewerberstädte und weitere internationale Großereignisse.“ Was wiederum die Basis, sprich die Münchener GRÜNEN, vor der Stadtratssitzung ganz anders beurteilt hat. Sie sieht „die ökologischen und ökonomischen Anforderungen an eine Olympische Bewerbung nach dem bisherigen Prozess als nicht erfüllt“ an. „Jetzt liegt es an der Stadtratsfraktion, mit Respekt vor der Mehrheitsmeinung das Ergebnis der Abstimmung umzusetzen.“

Nur ein weiterer Stolperstein?

Zwar haben sich die Landtagsfraktion und die bayerische Parteispitze noch nicht geäußert. Sie werden es allerdings tun müssen, um den evidenten Riss mitten durch ihre Anhängerschaft zu erklären. Spätestens dann, wenn der Kitt der heutigen Anti-Atom-Demo („Kettenreaktion“) in München wieder bröckelt und der Alltag Einzug hält. Wie beim Transrapid, der Frage von Atomstrom, wie bei einem Schienenkonzept aus dem vorigen Jahrtausend sind nicht nur München und die dortige Stadtbevölkerung von „Olympia“ tangiert, sondern die gesamte Republik: Finanziell, ökologisch und in der demokratischen Legitimation. Daraus wären Schlussfolgerungen zu ziehen, nicht nur von den elf Hanseln im Münchener Stadtrat. Es sei denn, man wollte weiterhin nur Zünglein spielen; oder Fähnlein.


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Geschrieben von

ed2murrow

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