Die dritte Macht

USA Die landesweiten Proteste gegen den sogenannten Muslim Ban haben Eingang in eine gerichtliche Entscheidung gefunden. Und noch mehr

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Zu den Argumenten des außerparlamentarischen Protests kommen nun noch Feststellungen der Justiz
Zu den Argumenten des außerparlamentarischen Protests kommen nun noch Feststellungen der Justiz

Foto: Jack Taylor/Getty Images

Eine Sache ist es, Argumente außerhalb des Parlaments vorzubringen und zu hören, wie sie die vergangenen Tage Hunderttausende von Protestierenden vorgetragen haben. Eine andere ist, wenn dieselben Argumente in einem Urteil zu lesen sind, das genau das bewirkt, was die Proteste wollen: Die Aufhebung der präsidialen Exekutivorder vom 27. Januar, dem sogenannten Muslim Ban.

Bundesrichter James L. Robart in Seattle hat gestern in einer Eilentscheidung (Wortlaut, pdf, 230,64 KB, via assets.documentcloud.org) die vom Exekutiv beschlossenen und in Kraft gesetzten Einreisebeschränkungen weitestgehend aufgehoben. Die einstweilige Anordnung geht damit weiter als die, die bereits in New York und Boston ebenfalls von Bundesrichtern getroffen worden sind. Sie betrafen nur die Folgen der Order: Die Deportation und die Inhaftierung von Personen, die von dem Bann betroffen sind.

Auch die Kläger sind andere. War treibende Kraft der ersten beiden Verfahren die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), sind es jetzt zwei Bundesstaaten, Washington und Minnesota. Und die etwas ausführlichere Begründung von Judge Robart in seiner Entscheidung gewährt bereits einen Einblick, wie tief der Rechtsbruch der US-amerikanischen Administration reicht.

Die Argumente betreffen das Innere der USA. Zum einen die Wohnbevölkerung: Sie ist unmittelbar betroffen "auf den Gebieten der Beschäftigung, Erziehung, des Handels, der Familienbeziehungen und der Reisefreiheit". Da sind andererseits die klagenden Bundesstaaten als deren organisatorischer Rahmen. Sie sind betroffen und gefährdet "in der Durchführung und den Aufgaben ihrer öffentlichen Universitäten und anderer höherer Lehrinstitute genauso wie im staatlichen Handeln, den Grundlagen der Besteuerung und öffentlichen Haushalten".

Eingriffe und sich daraus ergebende Verletzungen eigener Rechte haben die Kläger nicht nur ausreichend glaubhaft gemacht. Richter Robart geht auch von einer ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit aus, dass die Argumente auch in der Hauptverhandlung durchdringen werden.

Das betrifft zudem einen Aspekt, der bislang in den Protesten nicht offen vertreten worden ist. Mit seiner Entscheidung hat das Gericht auch den Teil der Order aufgehoben und dessen Umsetzung verboten, der "die Ansprüche von Flüchtlingen bestimmter religiöser Minderheiten bevorzugt". Damit wird einer der Kernbotschaften der Trump-Administration, der Bevorzugung von Christen, mit dem vorläufigen Verbot der positiven Diskriminierung entschlossen entgegengetreten.

Robart, der noch von Präsident George W. Bush nominiert worden war, weiß um Bedeutung und Reichweite seiner Entscheidung nicht nur in streng juristischer Hinsicht. Am Ende des Anordnung betont er die Rolle der Judikative im Dreiklang der Gewaltenteilung und im Verhältnis zu Parlament und der präsidialen Exekutive. Sie sei darauf beschränkt, "sicher zu stellen, dass die Handlungen der beiden anderen Zweige im Einklang stehen mit den Gesetzen unseres Landes und, noch wichtiger, mit unserer Verfassung".

Das Mittel der Einstweiligen Anordnung ist ein außerordentlicher Behelf. Das gilt umso mehr, als nicht nur die Folgen eines Gesetzes angegriffen worden sind, sondern das Gesetz selbst in seinen wesentlichen Aspekten. Entsprechend eng ist der Zeitplan für die Überleitung in das Hauptsacheverfahren: Die Parteien haben bis kommenden Montag Zeit, dazu Argumente und Ablaufplan bei Gericht einzureichen.

Das zeigt auch, wie schnell und außerordentlich tief die Republikaner unter Einfluss von Präsident Donald Trump und seiner Entourage die amerikanische Gesellschaft umgestalten wollen. Die Einhaltung von Gesetzen spielt dabei offensichtlich eine nur untergeordnete Rolle.

Update 5.2., 11:00 Uhr: abc-News hat in der Nacht mitgeteilt, dass ein Eilantrag der Trump-Administration, die Einstweilige Anordnung von Richter James L. Robart aufzuheben, von einem Bundesberufungsgericht abgewiesen worden ist. Derweil sind Einzelheiten bekannt geworden, mit welchen Argumenten die Administration gegen den Richterspruch aus Seattle vorgehen will. Eine ausführliche Analyse hat z.B. die New York Times gebracht ("Trump Officials File Appeal to Overturn Ruling Blocking Immigration Order").

crossposting zu die Ausrufer

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

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