Die Revanche des Wetters

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Was wurde uns nicht alles versprochen: DVB-T, die vier magischen Buchstaben, sind überall zu empfangen und, weil digital, klar und wahr. Nie wieder ein Tal der Ahnungslosen lautete da der Subtext. Was wir nicht ahnten, war, dass in natürlichen Senken (von politischen Niederungen à la Brender oder Seibert zu schweigen) natürlich noch Antennen nötig sein würden und dass bei viel Gewitter Bits & Bytes zu einer nicht entzifferbaren Wirrnis auf dem Bildschirm führen. Glaubt man den Klimapessimisten unter uns, wird so etwas demnächst Dauerzustand, und die solcherart basierte Mediengesellschaft geht perdu.

Zu der ja eigentlich auch Mobilität gehört, um überhaupt an Nachrichten zu kommen. Wenn sich nicht gerade ein Vulkan in den Weg stellt oder so etwas für unsere Breitengrade völlig unnatürliches wie Schneefall oder gelegentliche Hitze. Denn dann wird Bewegung hierzulande ausgebremst, im Winter mangels Bodenhaftung, im Sommer wegen fehlender Belüftung. Auch hier hat das Versprechen einer besseren Zukunft nicht wirklich Fortschritt gebracht. Als es in Zügen noch Holzklasse gab, konnte man bei Steckenbleiben in Schneeverwehungen die Bestuhlung zu einem wärmenden Feuerchen verarbeiten. Abgesehen davon, dass jetzt jede Art von Rauchverursachung strikt verboten ist, ist der Rückschritt also zwiefach: Zeitverlust und drohender Kältetod. Irgendwie hatten doch die recht, die bereits wegen der Fahrt zwischen Nürnberg und Fürth nicht nur den Fahrgästen, sondern auch den Zuschauern solcher Spektakel schwere „Gesundheitsstörungen und Geistesverwirrung“ wegen der „entsetzlichen Geschwindigkeit“ prophezeiten. Entsetzlich waren damals 40 km/h, die Lok hieß Adler.

Freilich verbergen sich hinter Sternstunden gelegentlich auch genau auszumachende Interessen. Bei DVB-T war es historisch besehen die Drohung von ProSiebens Georg Kofler in Richtung seiner Landsleute von ORF1, gefälligst nicht mehr ohne Werbeunterbrechung zeitgleich zum eigenen Programm Spielfilme bis nach München auszustrahlen. Er und Kirch würden sonst dafür sorgen, dass Österreichs Staatssender keinen einzigen Film mehr aus den USA bekommt. Eine fast punktgenaue Steuerung des Sendesignals bis zu einer (nationalen und/oder kommerziellen) Grenze musste da allerdings erst noch entwickelt werden. Denn als das ORF pflichtschuldigst die Sendeleistung drosselte, fiel u.a. in Tirol der Empfang komplett aus. Das Ende der Entwicklung kennen wir nun, wie auch deren tiefere Ursache: Felix Austria konnte noch nie den mit deutschem Kapital gesponserten eigenen Landsleuten wirklich widerstehen.

Aber wie ist das nun mit der Bahn? Die damaligen Kritiker rekrutierten sich zweifellos aus den Reihen derer, die auf dem Rücken von Pferden und Maultieren das Transportwesen dominierten. Die von heute betreiben ebenfalls Lobbyarbeit fürs eigene Börsel: Beste Qualität wird dann geliefert werden, wenn endlich der Privat-ICE auf die Schiene kommt. Was ab September 2011 in Italien der Fall sein wird, dafür sorgt Luca Cordero di Montezemolo mit seiner Gesellschaft NTV. Montezemolo versteht etwas von Geld und Geschwindigkeit, er ist seit 19 Jahren Chef von Ferrari. Ob die Preisgestaltung bei seiner Bahn ähnlich sein wird, wird sich weisen. Eines ist ihm jedenfalls jetzt schon sicher: Im freundlichen Arkadien schneit es eher selten.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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