Während sich die gesamte öffentliche Verwaltung einschließlich des Ministeriums für Heimatschutz beeilt hat, den Richterspruch aus Seattle zu befolgen, schlägt Donald Trump ganz andere Töne an. In einer Abfolge von Kurznachrichten ist er über die zu erwartenden Reaktionen eines vor Gericht Unterlegenen weit hinaus gegangen. Vorläufige Höhepunkte: "Just cannot believe a judge would put our country in such peril. If something happens blame him and court system. People pouring in. Bad!" Und in einer Rede vor Polizeibeamten: "[C]ourts seem to be so political, and it would be so great for our justice system if they would be able to read a statement and do what’s right." In anderen Worten: Eine angeblich politisierte Justiz sei die Urheberin von Gefahr. Und die realisiert sich bekanntlich immer, wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Das ist, soviel zeigt die bisherige kurze Erfahrung, kein bloßes Ablenken vom eigenen Versagen oder Schwadronieren, sondern eine Kampfansage. Sie richtet sich jetzt auch gegen die Gerichtsbarkeit und deren in der angegriffenen Entscheidung zum Ausdruck kommenden Selbstverständnis und -bewusstsein: "Sicher zu stellen, dass die Handlungen von Regierung und Parlament im Einklang stehen mit den Gesetzen unseres Landes und, noch wichtiger, mit unserer Verfassung".
Angesichts dessen lese ich Kommentatoren, nicht zuletzt den Chefredaktor des Magazins der Spiegel Klaus Brinkbäumer, die von einem gefährlichen US-Präsidenten schreiben oder davon: "Ausgerechnet Deutschland, die wirtschaftlich und politisch dominierende Demokratie Europas, wird die Allianz gegen Trump aufbauen müssen - da es ansonsten diese Allianz nicht geben wird. Sie wird aber nötig sein." Weil, so der Verleger Jakob Augstein in seiner Kolumne ebenda, "Donald Trump damit begonnen [habe], die amerikanische Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln". Die Sogwirkung wird befürchtet.
Bevor man den wackeren Herren auf die Barrikaden folgt, sollte man allerdings wissen: Die Situation ist mit der Italiens in den letzten zwanzig Jahren in vielerlei Hinsicht vergleichbar.
Die italienische Folie zu Trumps Politiken
Die Ausfälle des von 1994 bis 2011 insgesamt 9 Jahre regierenden Silvio Berlusconi gegen die "roten Togen" in Anspielung auf eine angebliche Gesinnungsrechtsprechung sind geradezu legendär gewesen. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn über die Jahre schloss sich der Ring der Justiz immer enger um die Person, die gleichzeitig Geschäfts- und Amtsinhaber war. Darunter litt der Ministerpräsident. Das Strafverfahren, das ihn in den Augen der Öffentlichkeit demontierte, handelte vom Amtsmissbrauch: Hatte Berlusconi Polizeibehörden zu Handlungen und Aussagen angewiesen, um seine Beziehung zu einer minderjährigen Prostituierten zu vertuschen? Noch härter traf es den Unternehmer, der nach einem langjährigen Strafprozess rechtskräftig wegen Steuerbetrugs zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Darüber verlor er auch seinen letzten verbliebenen öffentlichen Posten, den des Senators im römischen Parlament.
Aber es litt auch ein politisches Projekt, das genauso offenkundig diskriminierend war wie Trumps Exekutivbefehl. Berlusconis Regierung hatte 2008 eine Verschärfung von Sanktionen im Strafrecht eingeführt. Ein "schwerer Fall" sollte immer vorliegen, wenn irgendeine Tat begangen wurde, "während sich der Täter illegal auf dem Staatsterritorium aufgehalten hat". Dadurch wären automatisch Haft- und Geldstrafen um ein Drittel erhöht worden. Dieser zentralen, als Abschreckung gegen Migranten gerichteten Ausformulierung von Berlusconis Bündnispartner, der mittlerweile offen rassistischen Lega Nord, kamen die Instanzgerichte überwiegend nicht nach. Meistens wurde die Anwendung verweigert. Nach einer für Italien bemerkenswert kurzen Zeit von rund 2 Jahren wurde auf deren Vorlage hin das Gesetz vom Verfassungsgerichtshof endgültig für nichtig erklärt.
Ähnlich wie Trump hatte das Berlusconi-Exekutiv diese und andere Normen per Dekret erlassen, am 23. Mai 2008. Das war 2 Wochen nach Amtsantritt, der am 8. Mai erfolgte und nur wenige Tage, nachdem ihm im Parlament das Vertrauen am 15. Mai ausgesprochen worden war, womit die effektive Kabinettsarbeit beginnen konnte. Bezeichnenderweise war die Norm in einem Katalog enthalten, der den amtlichen Titel "Dringende Maßnahmen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit" trug.
Und noch eine Parallele: Berlusconis Regierungsallianz hatte in beiden Kammern des Parlaments eine deutliche Mehrheit, die das Dekret, wie von der Verfassung für dessen Weitergeltung vorgesehen, per Gesetz bestätigte. In den USA ist nicht ersichtlich, dass die Exekutivorder, der mit Gesetz des Kongresses die Grundlage entzogen werden könnte, von der Seite her in Gefahr wäre.
Das Beschweigen der ersten populistischen Regierung in EG und EU
Mir unbekannt ist, dass sich Politik und Medien speziell in Deutschland zu der Zeit sich so ins Zeug gelegt hätten wie jetzt gegenüber der US-Administration. Lag das an einer geringeren Bedeutung Italiens im Vergleich zu den USA? Nicht nur ist das Land eines der Mitbegründer der Europäischen Gemeinschaften und nach wie vor eine der führenden Volkswirtschaften der Welt. Auch die Position im Mittemeerraum prädestiniert die Halbinsel zu einem der strategischen vorgeschobenen Posten Europas im Verhältnis zum Süden.
Die Gründe des seinerzeitigen weitgehenden Schweigens dürften rückschauend eher auf anderem Gebiet liegen: Mit seiner historischen Dreier-Koalition aus der wirtschaftsliberalen Forza Italia, der streng national-autoritären Alleanza Nazionale und der anfangs ethnozentrisch, später offen rassistischen Lega Nord erfüllte Berlusconi ab 2001 zwei Bedingungen für Wohlwollen: Durchsetzung einer wirtschaftsliberalen Politik, die zeitlich nah zusammenfiel mit der deutschen Agenda 2010. Und die Umfunktionierung Italiens zum "Torwächter Europas" gegenüber der Migration aus dem Süden. Die Halbinsel war die Probe aufs Exempel, ob das sogenannte Dublin-Modell funktionieren würde. Denn dort würden die Menschen von der nordafrikanischen Küste aus überwiegend und zuerst Europäischen Boden betreten und den Abkommen gemäß bleiben müssen.
Das völlige Versagen unter dem letztgenannten Aspekt wurde erst thematisiert, als sich das ereignete, was euphemistisch "Bootsunglück vor Lampedusa 2013" bezeichnet wird. Mit den 390 Toten artikulierte sich erstmals so etwas wie ein europäisches Gewissen. Dieses medial stark hervorgehobene Massaker war aber auch das Startzeichen für Flüchtlinge, einen anderen, den Landweg zu suchen, auf dem wenigstens nicht der Ertrinkungstod drohen würde. Er wird heute, ebenfalls euphemistisch, als "Balkanroute" bezeichnet, als ginge es um einen touristischen Wanderweg. Er ist derzeit wieder versperrt.
Warnende Hinweise auf die Entwicklung in Italien hatte es vereinzelt gegeben. Der Journalist Jens Renner, der unter anderem in der Wochenzeitung der Freitag veröffentlicht, legte schon 2002 mit "Der neue Marsch auf Rom - Berlusconi und seine Vorläufer" eine Analyse vor, die über die bevorstehende tiefgreifende Umgestaltung Italiens in Richtung eines "autoritären, zudem korrupten Regimes" Auskunft gab.
Aber auch die Frage des "Populismus" und die beteiligten Kräfte wurde zu der Zeit vereinzelt thematisiert, etwa von Samuel Salzborn. Zusammen mit Heribert Schiedel analysierte der Sozialwissenschaftler 2003 in Blätter für deutsche und internationale Politik die in Europa stattfindende "kontinentale Vernetzung der extremen Rechten". Darin findet sich nicht nur der ausdrückliche Hinweis auf den "Populismus", sondern speziell der auf die Lega Nord, die sich zu der Zeit erst an der Schnittstelle zum Rechtsextremismus befand. Das war zwei Jahre, nachdem Berlusconi mit seiner Koalition erstmals eine lange Regierungszeit angetreten hatte.
Flüchtlinge suchten sich genauso neue Wege wie extremistische Parteien
Das weitgehende Schweigen Europas auch zu diesem Aspekt war eine Ermunterung und ein Fingerzeig zugleich. Mit dem Erfolg insbesondere der Lega verlegten sich von der Schweizerischen Volkspartei bis zum französischen Front National auf einen ethnozentrischen Diskurs statt des offen rassistischen, und sie haben dies in Form eines vorgeblichen Kulturkampfes vorgetragen, wie Trump in der Vorbemerkung zu seiner Exekutivorder: "[T]he United States should not admit those who engage in acts of bigotry or hatred (including "honor" killings, other forms of violence against women, or the persecution of those who practice religions different from their own) or those who would oppress Americans of any race, gender, or sexual orientation". Das Schweigen war die Ermunterung auch für Parteigründungen wie die der AfD, die streng kapitalistisch, national und mindestens kulturrassistisch dem Einzug in den Bundestag entgegensieht.
Wie bei derartiger Konstellation eine "Allianz gegen Trump" aufgebaut werden soll, ist mir schleierhaft. Sie dürfte sich, wenn überhaupt, auf die Wirtschaftsbeziehungen beschränken. Wichtiger wäre, aus der italienischen Erfahrung zu lernen. Dort spricht man heute über die Erfahrung mit den Regierungen Berlusconi über "ventennio", eine Bezeichnung, die bislang nur den zwanzig Jahren Faschismus unter Benito Mussolini vorbehalten war. Gelernt wurde auch, dass es Sachthemen sind, die letztlich entscheiden und nicht der Dezisionismus eines Exekutivs. Das Referendum vom vergangenen Dezember hat das Parlament als Institution gestärkt und nicht den unbedingten Gestaltungswillen einer Regierung. Es war gleichzeitig eine Abstimmung über die Zufriedenheit mit einer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die als ungenügend bis falsch empfunden wird und ist. Wenig hilfreich erscheint mir da, wenn, um noch einmal das Magazin der Spiegel zu zitieren, das Aufräumen des Schutts eines "ventennio" beschrieben wird als "großes Polit-Theater in Rom, eine Mischung aus Komödie und Tragödie vermutlich".
Europas Öffentlichkeit nimmt Tote inzwischen billigend in Kauf
Gleichzeitig verdeckt des ausgestreckte Zeigefinger Richtung USA das abermalige Schweigen in Europa. Treffend schreibt die geschätzte Blogger-Kollegin dame.von.welt unter "Heucheln für Fortgeschrittene":
"Ohne größeres mediales Aufsehen wurde am Freitag beim EU-Sondergipfel auf Malta ein Zehn-Punkte-Plan mit der Einheitsregierung in Libyen von den europäischen Staats- und Regierungschefs abgenickt. Libyen soll nun in guter alter EU-Tradition die Flüchtlinge aus den Kriegs-, Bürgerkriegs- und Armutsregionen dieser Erde vom europäischen Volkskörper fernhalten. Unvergessen die Tage der italienisch-libyschen Freundschaft, als noch kleine Winke mit Autobahnen und Ölhandel ausreichten, um Flüchtlinge internieren, foltern, versklaven und in der Wüste ausgesetzt verrecken zu lassen, Details können Sie bei Fabrizio Gatti, Bilal nachlesen.
Um solche PR-Katastrophen in Zukunft möglichst zu vermeiden, dehnen unsere Potzöberen internationales Recht, bis es kaum noch quietschen kann. Non-Refoulement-Gebot, das daraus folgende Push-Back-Verbot und der Grundsatz der Nichteinmischung in fremde Hoheitsgebiete werden geschickt umgangen, indem man sich die Erlaubnis herbei nötigt und erkauft, in Libyen robust zu „helfen“, zu Wasser und zu Lande. Die libysche Küstenwache und Marine sollen bei der Rückführung von Boat People an die libysche Küste „unterstützt“, die libyschen Grenzbehörden ausgebildet, finanziert und hochgerüstet und in Libyen selbst sollen Internierungslager eingerichtet werden, die UNHCR und IOM betreiben sollen und die unser Innen-deMaizière ruckzuck zum ’sicheren Ort‘ erklären und dorthin auch aus Deutschland abschieben wird."
Die Situation hat sich geändert, wir haben uns verändert. Wir sind nicht mehr in dem Zustand, den Papst Franziskus bei seinem Besuch auf Lampedusa im Juli 2013 noch als einen der Gleichgültigkeit bezeichnete und geißelte. Angesichts der zehnfachen Todes- und Vermisstenzahl 2016 im Mittelmeer gegenüber dem Massaker von Lampedusa 2013 ist es mittlerweile ein billigendes In-Kauf-Nehmen, die erste Stufe des Tötungsvorsatzes.
Der Populismus und seine schweigenden Helfer haben in Europa ganze Arbeit geleistet. Sie ist hier noch nicht zu Ende.
crossposting zu die Ausrufer
Kommentare 11
Vorzüglich. Danke für Ihre Arbeit!
"Flüchtlinge suchten sich genauso neue Wege wie extremistische Parteien"
Ein prekär lakonischer Satz, der verbindet, was nicht zusammen gehört.
"Wie bei derartiger Konstellation eine "Allianz gegen Trump" aufgebaut werden soll, ist mir schleierhaft. Sie dürfte sich, wenn überhaupt, auf die Wirtschaftsbeziehungen beschränken. Wichtiger wäre, aus der italienischen Erfahrung zu lernen"
Solange nicht zur Kenntnis genommen wird, dass Deutschland sich mit den USA, Russland u. a. Ländern seit Nine Eleven2001 ununterbrochen im Krieg gegen den sogenannten Internationalen Terrorismus befindet, brauchen wir nicht von Allianzen gegen Trump zu sprechen, der womöglich mit seinen Executiv Orders nur eines im Sinne hat, medial befeuert, gesellschaftspolitische Stimmung für die Aktivierung des 2015 durch die Obama Administration ausgesetzten Patriot Acts zu machen.
Der Krieg seit Nine Eleven mit Millonen Toten, nicht gezählten Kriegsversehrten Traumatisierten vor allem unter der Zivilbevolkerung, Vermögensvernichtung amtlicher und wilder Vermögensentzug durch religiös. ethisch begründete Stigmatisierung Verfolgung. Vertreibung bei inziwischen 70 Millionen Geflüchteten inner- und außerhalb ihrer Heimatländer, könnte sich historisch als Durchsetzung von Marktmacht und Marktstrukturaufbau für Drogenabsatz alter und neuer Art im Nahen, Mittleren Osten, Kaukasus, Nord- und Zentralafrika entpuppen, wie der Erste und Zweite Weltkrieg 1914- 1945 dann der Koreakrieg, Vietnamkrieg 1951- 1975 zur wetlweiten Durchsetzung gesellschaftlicher Akzeptanz von Kaffee, Coca Cola, Morphium, Opiaten, Kokain, Nikotin, Amphetaminen (Pervitin/Crystal Meth / Captagon / Nahrungsergänzungsmittel / s. Norman Ohler "Der totale Rausch" KIWI Verlag ), Doping im Leistungs- und Breitensport, die Wehr und Alltag, privater Mobilität mit zwei oder vier Rädern auf Straßen, High Ways, Autobahnen zu Lasten der Umwelt statt Ausbau des ÖPNV auf Gleisen geführt hat
Der neue Grieche ist jetzt für das Sturmgeschütz Deutschlands Der Spiegel #DonaldTrump siehe aktuelle Spiegel Titelgeschichte
https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/sturmgeschuetz-deutscher-industrie-politik
JOACHIM PETRICK 06.02.2017 | 21:12 2
Sturmgeschütz deutscher Industrie & Politik
DER SPIEGEL Wenn ein Magazin selber zur Nachricht wird, weil es zur allgemeinen Mobilisierung gegen einen äußeren Feind aufruft, scheint einiges verkehrt zu laufen im Staate
schließe mich gerne dem vorkommentator an! ich sehe bis auf die partei die linke (einschließlich der zivilgesellschaftlichen flüchtlingshelferbewegung) kein ernsthaftes bemühen in d und europa um einen richtungswechsel in der migrationspolitk, die wege der sicheren und legalen migration aufzeigen. im gegenteil:
"Für einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik wäre eine Versachlichung des politischen Diskurses der erste Schritt. Die in Europa weitverbreitete Wahrnehmung einer massiv angestiegenen und kaum kontrollierbaren Immigration aus Afrika hält den Fakten nicht stand, bestimmt aber maßgeblich die aktuelle Migrationspolitik der EU. Dies birgt die Gefahr einer kontraproduktiven Migrationspolitik, die Menschenrechte missachtet, zur Aufrechterhaltung der Flucht- und Migrationsursachen beiträgt oder sie sogar noch verstärkt, und die Potenziale einer gesteuerten Migration ungenutzt lässt." http://fluechtlingsforschung.net/weg-vom-eurozentrismus/
eine versachlichung des diskurses als erster schritt wäre sicherlich wünschenswert, aber die moral panic in d, die große teile der gesellschaft (nicht nur afd/pegida) radikalisiert und fanatisiert, macht mir wenig hoffnung.
vgl. hier: Die Welt in Panik.Wie die Angst vor Migranten geschürt wird
vor diesem hintergrund sehens- (ca. 3 minuten) u. lesenswertes in der internet- u. fc-freien zeit: Ernst-Dieter Lantermann: Die radikalisierte Gesellschaft
>>Dieses medial stark hervorgehobene Massaker war aber auch das Startzeichen für Flüchtlinge, einen anderen, den Landweg zu suchen, auf dem wenigstens nicht der Ertrinkungstod drohen würde. Er wird heute, ebenfalls euphemistisch, als "Balkanroute" bezeichnet,…<<
Tatsächlich?
Oder sind es auf der „Balkanroute“ vielleicht andere, von den Kriegen in Nahost Vertriebene? Könnte ja auch sein.
@Gelse
Sie schreiben: "vielleicht andere, von den Kriegen in Nahost Vertriebene"
Keine Ahnung, welche anderen Sie meinen. Ich meine z.B. das hier https://de.wikipedia.org/wiki/Zaatari, dazu auch http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/leben-im-groessten-fluechtlingscamp-des-nahen-ostens-13612861.html. Konflikte im Irak, aber auch dann in Somalia, Sudan oder Afghanistan sind noch ein paar Jahre älter. Über die Zusammensetzung der Flüchtlinge gibt das im Text erwähnte Buch Bilal gut Auskunft.
@Joachim Petrick
Sie schreiben: "Ein prekär lakonischer Satz, der verbindet, was nicht zusammen gehört"
Leider doch, weil von rechts bis ganz rechts Flucht und Migration für Aufnahmeländer als politisch, gesellschaftlich, sozial zersetzend erklärt wird. Der Satz ist bewusst so gesetzt.
Danke, dass Sie mir meinen Text nacherzählen, nur mit anderen Worten.
>>Die in Europa weitverbreitete Wahrnehmung einer massiv angestiegenen und kaum kontrollierbaren Immigration aus Afrika hält den Fakten nicht stand,<<
Wahrnehmung und Fakt können schon auseinander driften, weil die "Wahrnehmung" eine Wahrnehmung der medialen Berichte ist.
Wenn man sich aber die europäische "Handelspolitik" anschaut, dann kann man sich schon Sorgen machen. Denn damit wird die ökonomische Situation in afrikanischen Ländern permanent verschärft. Zum Wohle einiger Profiteure* hier und zum Nachteil grosser Bevölkerungsteile dort. Warum sollte, wer sich fit genug fühlt sich nicht auf den Weg machen um der Armut zu entkommen?
*die haben natürlich nicht das geringste Interesse daran, dass öffentlicher darüber diskutiert wird als bisher
hier noch mal der Ganze Absatz. Das Voranstehende gefasst sich mit Flüchtlingen aus Afrika, die über das Mittelmeer nach Italien gelangen (falls sie nicht vorher ertrinken)
>>Das völlige Versagen unter dem letztgenannten Aspekt wurde erst thematisiert, als sich das ereignete, was euphemistisch "Bootsunglück vor Lampedusa 2013" bezeichnet wird. Mit den 390 Toten artikulierte sich erstmals so etwas wie ein europäisches Gewissen. Dieses medial stark hervorgehobene Massaker war aber auch das Startzeichen für Flüchtlinge, einen anderen, den Landweg zu suchen, auf dem wenigstens nicht der Ertrinkungstod drohen würde. Er wird heute, ebenfalls euphemistisch, als "Balkanroute" bezeichnet, als ginge es um einen touristischen Wanderweg. Er ist derzeit wieder versperrt.<<
Auf der "Balkanroute" kamen, soweit mir bekannt, kaum Flüchtlinge aus Afrika (über Ägypten, Isreal, Syrien, Türkei, Griechenland) sondern vorwiegend Flüchtinge aus Syrien, Irak, Afghanistan via Türkei, Lesbos usw. Das ist kein Alternativweg der Afrikaner, sondern es sind völlig andere Herkunftsorte.
Der verlinkte Artikel handelt von syrischen Flüchtlingen in Jordanien. Die sind auch nicht statt nach Lampedusa nach Jordanien geflohen. Könnte es nicht doch sein, dass sich einfach ein Fehler eingeschlichen hat? Kann ja mal vorkommen.
Ich glaube nicht, dass ein Fehler vorliegt. Flüchtlinge bspw. aus Eritrea und Sudan sowie sonstigen zentral- bis westafrikanischen Ländern sind mengenmäßig vielleicht auf dem Landweg nicht so dominant gewesen wie bei dem über das Mittelmeer. Aber sie bevölkern im Verhältnis die Camps wie das von Zaatari genauso wie Menschen anderer geographischer Provenienzen. Die Bilder von Lampedusa sind um die Welt gegangen und wurden auch dort empfangen. Die Brutalität, mit der seinerzeit die italienische Marine und Küstenwache vorgingen in Sachen Refoulement und Push-Back vorgingen, haben sich überall herumgesprochen. Sie müssen nicht glauben, dass es in diesen Camps keinen TV-, Radio- oder Internetempfang gab oder gibt.
Danke für die Erklärung.