Emmely vor dem Bundesarbeitsgericht

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Wenn heute um 11:30 Uhr der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zusammentritt, um den Fall der Kassiererin Emmely, aka Barbara H. gegen die Kaiser’s Tengelmann AG (Az. 2 AZR 541/09) zu verhandeln, dann ist aufgrund der Medienlage bereits jetzt Enttäuschung angesagt.

Denn es wird nicht darum gehen, ob und inwieweit außerordentliche, fristlose Kündigungen von Arbeitsverhältnissen bei Begehung einer Straftat durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt sind, wenn der dadurch verursachte Vermögensschaden nur gering ist oder eine sog. Bagatellgrenze nicht erreicht. Es wird auch nicht darum gehen, ob der Verdacht, dass eine solche Straftat vorliegt, für eine derartige Kündigung ausreicht. Denn das BAG hat bereits 1984 („Bienenstich-Urteil“) entschieden, dass es auf keine wie auch immer geartete Bagatellgrenze ankäme. Die Voraussetzungen von sog. Verdachtskündigungen sind ebenfalls hinlänglich bekannt, abgesehen davon, dass das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) in seinem, nun der Revision unterliegenden Urteil vom 24.02.2009, Az.: 7 Sa 2017/08, meint, es stehe nicht nur der Verdacht im Raum, sondern die erwiesene Tat.

Dass die Causa überhaupt vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt wird, liegt daran, dass eine Rechtsfrage bisher nicht abschließend in der arbeitsrechtlichen Jurisprudenz geklärt ist: Ob und inwieweit das Verhalten des Arbeitnehmers nach Eintritt des Kündigungsgrundes berücksichtigt werden kann oder muss. Bekanntlich hatte sich die Kassiererin nach Vorlage der Bons und vor Ausspruch der Kündigung in Widersprüche dahingehend verstrickt, dass diese entweder von einer ihrer Töchter in das Portemonnaie gesteckt worden seien, oder, nach Anhörung der Tochter, eine Manipulation durch böswillige Arbeitskollegen erfolgt sei. Das Abstreiten der Tat, das sich bis weit in den Prozess selbst hinein zog, als Grund dafür anzusehen, dass es einer „Wiederherstellung des Vertrauens“ zwischen Arbeitnehmer und –geber entgegenstehe, wird als ein Element der Abwägung im Rahmen solcher Konflikte nun vom BAG zu überprüfen sein.

Nur in diesem Rahmen wurde die Revision von Barbara H. zugelassen, da nur insoweit bisher einheitliche höchstrichterliche Entscheidungen ausstehen. Sollte sich das Gericht auch auf andere Aspekte der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts einlassen, dann wäre es tatsächlich der politischen Diskussion geschuldet, aber nicht den Maßgaben des Gesetzes. Insoweit wäre es seit vielen Jahren das erste Mal, dass Politik Rechtsprechung beeinflusst und nicht umgekehrt Richter, etwa des Bundesverfassungsgerichts den Politikern Krückstöcke zu deren Handlungsfähigkeit darreichen.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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