Ist der Spuk bereits wieder vorbei? Tage zuvor wurde davon berichtet, dass der Aufmarsch „Hooligans gegen Salafisten“ nach Hamburg auch in Berlin nicht stattfinden würde. Gewiss, die Lage hat sich vielleicht entspannt, nachdem nun in Hannover von den Behörden Sicherheit und Ordnung exemplarisch exerziert worden sind. Aber ein Gefühl der Dringlichkeit bleibt: Egal ob am „Schicksalstag“ „der Deutschen“ oder andernorts und zu anderer Zeit – wer zielt da in der 4. Republik auf wen?
Wenn es um „Salafisten“ geht, scheint die Antwort einfach: Sie wenden sich gegen alles, wofür die nord-westliche Hemisphäre der Welt steht – Fortschritt, Wohlstand, Demokratie. Die Bilder, die übertragenen wie die kolportierten, wollen den Eindruck belegen, dass sie sich als grausame Feinde dieser Werte verstehen. Das Wort vom „Völkermord“ hat dazu jüngst und gerade in der deutschen Politik besonders häufig die Runde gemacht. So etwas könne man nur bekriegen, so die übereinstimmende Meinung. Kobanê wäre in dieser Optik zur Schlacht um das neue Wien geworden, wo Orient und Okzident schon des Öfteren ihre Kräfte maßen. Wären die von den HO.GE.SA nicht doch die missverstandenen Verteidiger des Abendlandes, die neuen brutalen wie unverzichtbaren Landsknechte an der Heimatfront?
Die in weiten Teilen unmissverständliche deutsche Ablehnung „des Islam“ und nicht nur einer sich als dessen radikale Strömung ausgebende Gruppe von Banditen ist freilich umfassender. Dafür stehen auch Dahergelaufene wie PEGIDA aus Dresden: Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ bieten einen „Schirm, unter dem alle bequem Platz haben“, wie Blogger Diaphanoskopie treffend ausführt. Das alles ist weder neu, noch in der Methode originell. Und sie ist keine Spezialität des rechten Randes.
„Aus der Mühle kommt keiner mehr raus“
Der prominente Auftakt gebührt zweifellos Thilo Sarrazin. Während seiner Tätigkeit als hoher Staatsbediensteter Deutschlands führte er Verhaltensweisen von muslimischen Religionszugehörigen biologistisch zurück auf die angeblichen Eigenschaften ihres Erbguts. Nichts hat geholfen, dass unter anderen der Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland sämtlichen Erwägungen des ehemaligen Bundesbankers die pseudowissenschaftliche Grundlage entzog. Obwohl Sarrazin nachweislich „grundlegende genetische Zusammenhänge falsch verstanden“ hat und damit in die Nähe der „Verfälschung und politischen Instrumentalisierung biologischer Fakten“ gerückt ist, hat sich das Machwerk „Deutschland schafft sich ab“ als angebliches „Sachbuch“ wie verrückt verkauft.
Zur gleichen Zeit veröffentlichte der mittlerweile verstorbene Karl Döhring in der FAZ den vielbeachteten wie wohlfeilen Gastbeitrag „Niemand kann zwei Herren dienen“. In ihm forderte der Rechtslehrer und frühere Direktor des konservativen Think-Tanks Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht schlicht: Keine Muslime im Staats- und Schuldienst, Islam und das Grundgesetz würden sich nicht vertragen. Besprochen bei freitag.de (-> „Döhring Empöring“) -> kondensierte Blogger Josef Allensteyn das Zusammenwirken von Bundesbanker und Hochschullehrer im Befund einer „Zange“: „Einerseits naturalistisch unabweisbare Verdummung, andererseits aber doch soviel Verschlagenheit und Tücke, die Welt hinter’s Licht zu führen — aus so einer Mühle kommt der, der da traktiert wird, auf gar keinen Fall mehr heraus.“
Dazu spielte die Hintergrundmusik in der Schmutzecke deutschen Veröffentlichungswesens, unter anderem beim Kopp-Verlag. Aus der Feder von Udo Ulfkotte stammte 2008 der Begriff vom „Fäkalien-Dschihad“. Zu der Zeit noch als rhetorische Frage verkleidet, hatten Verlag und sein Autor keine Skrupel, daraus 2011 auf dem Höhepunkt der EHEC-Hysterie schließlich eine Gewissheit zu machen: Die Verseuchung von Lebensmitteln mit absichtlich darauf verschmierten Ausscheidungen sei eine von langer Hand geplante Strategie des „Bioterrorismus“ des Islam. Und der Verlag mit seinem Autor als Einzige berufen, die Öffentlichkeit über „die mutierte Wahrheit“ in Kenntnis zu setzen. Weil: „In Deutschland ignoriert man das.“
Einen vorläufigen, publikumswirksamen Höhepunkt setzte schließlich 2012 der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit der geplanten Plakataktion „vermisst“. Die per Computertechnik gemittelte Physiognomie der Abgebildeten hätte die Morphologie „des Muslim“ geliefert, der sich jederzeit radikalisieren könne und wolle. „Die Bilder von nett aussehenden Muslimen im Zusammenhang mit dieser Kampagne suggerieren, dass jeder ein Fanatiker oder sogar Terrorist sein kann“, so Aydan Özoğuz (SPD). Die heutige Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration war eine der wenigen offiziellen Stimmen der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die die schwer diskriminierende Wirkung der geplanten Aktion ohne Umschweife benannte und entschieden verurteilte.
Wer in dieser Zusammenschau, auf wenige Jahre begrenzt, eine Ursache für Radikalisierung sehen will, dürfte nicht falsch liegen. Wenn heute junge Menschen -derart unter Generalverdacht gestellt und bedeutet, nicht zu dieser Gesellschaft zu gehören, sondern im Gegenteil für sie eine stets präsente Gefahr darzustellen- sich in Träumen zu schlagender Schlachten verlieren, so ist eher verwunderlich: Dass nicht noch mehr speziell aus Europa Stammende die Reihen eines vorgeblichen „Kalifats“ verstärken, das neben festem Glauben und Glorie vor allem eines vorgaukelt – die entfernte Möglichkeit einer machtvollen Revanche gegen eine permanente Zuweisung eines Zustands schierer Ohnmacht.
Die andere Seite freilich, die Radikalisierung nicht nur an den Rändern, sondern der deutschen Mehrheitsgesellschaft, ist getragen von einer geradezu zwanghaften, akademisch-distanziert anmutenden Unentschiedenheit in der öffentlichen Debatte. Noch deutlicher als bei jenem vormaligen Bundesbänker wird es im exemplarischen Umgang mit Fäkalien-Udo, der kraft seines Eingeständnisses eigener Käuflichkeit ohnehin als Zeilen-Kokotte durchzugehen hätte.
Einem Verschwörungsideologen wird aufgeholfen
Wo Stefan Niggemeier der Verdienst zukommt, in seinem Artikel „Die Wahrheit über die Lügen der Journalisten“ wenigstens beispielhaft und keinesfalls abschließend die glatten wie dreisten Lügen jenes U.U. in dessen jüngstem Machwerk aufzulisten, ist Albrecht Müller bereits im Ansatz gescheitert. Der Herausgeber der NachDenkSeiten hatte sich, bis zu seiner Korrektur am 11.10., gerade einmal über eine „Enttäuschung“ verbreitet statt über die vorsätzliche Täuschung – die Botschaft, bedeutende Teile der Journalisten seien käuflich und damit korrupt, hatte Müller sich bis dahin prinzipiell zu Eigen gemacht. Dem wäre ebenso polemisch simpel entgegen zu halten: Journalismus ist käuflich und zwar als Abo oder jeden Tag einzeln in jeder beliebigen Auslage.
Dass aber im Gegenteil einem üblen Schmutzfink aufgeholfen wird, der über seine Elaborate nicht nur die für die Betroffenen fatale Verleumdung von „Brunnenvergiftern“, sondern die der angeblichen „Salber“ (italienisch: untori) verbreitet, erschließt sich aus „Die Verlobten“ (I promessi sposi). 70 Jahre bevor der Pesterreger identifiziert und wirksam bekämpft werden konnte, schildert Alessandro Manzoni in seinem Aufklärungsroman rückschauend auf die Pest im Mailand des 17. Jahrhunderts Genese und Wirkung einer Verschwörungstheorie im Angesicht unbekannter, tödlicher Krankheitsursachen: Durch Beschmieren von Türen, Wänden und Gestühl mit Unaussprechlichem – „[…] das Gift sei aus Kröten, Schlangen, Eiter und Geifer von Pestkranken, aus noch Schlimmerem, aus alledem bereitet, was eine verwilderte und verderbte Einbildungskraft nur Schmutziges und Abscheuliches ersinnen kann […] Ein ausgesuchtes, augenblicklich wirkendes, schnell durchdringendes Gift, das waren Worte, mehr als ausreichend, die Heftigkeit, all die düsteren und regellosen Zufälle der Krankheit zu erklären.“
Keine Frage: Wo die meisten Kinder in Italien „die Verlobten“ in der Schule lesen, ist für verschwörerische Schmieranten nur wenig Platz, sich fest zu krallen; das Gift ihrer Worte trifft keine wehrlosen Gemüter. Die in Verkaufscharts ausgewiesenen Lieblingslektüren der Deutschen hingegen haben daraus ein präsentes Narrativ der verwilderten und verderbten Einbildungskraft gemacht. Denn was hierzulande um sich gegriffen hat, ist eine Haltung, die sich nicht nur „den Islam“ zum Feind erkoren, sondern ein Grundmuster etabliert hat.
Dazu hat 2011der Publizist Alan Posener („Radfahrer, Juden und andere Sündenböcke“) eigentlich das Nötige gesagt: „Die soziale Grundlage – Neid und Missgunst, Angst um den Wohlstand, Misstrauen gegen die Globalisierung – ist also dafür gegeben, dass sich auch in Deutschland wie in anderen Ländern das Mem ‘Angst vor dem Fremden‘ wieder in neuer Gestalt breitmacht.“ In der treffenden Analyse wird Sarrazin mit dem Antisemiten Heinrich von Treitschke in eben dieser Eigenschaft gleichgesetzt. Posner bedient sich im Hintergrund der Motive des „bouc émissaire“ von René Girard (1982) ebenso wie desjenigen vom „Fortschritt der barbarischen Beziehungslosigkeit“ durch scheinbare Bildung bei Adorno und Horkheimer („Kulturindustrie. Aufklärung als Massenbetrug“, in „Dialektik der Aufklärung“, 1944). Die Subsumtionsarbeit im Artikel ist, bei aller gebotenen Kürze, vorbildlich.
Damit hat Posner es auf den Punkt gebracht, nämlich die beliebige Austauschbarkeit der Feindbilder. Aber was nutzt es, wenn ein gescheiter Journalist einmal und nicht nur akademisch die Mechanismen des „Othering“ offen legt, dabei die gelebte Wirklichkeit auch zu den Erkenntnissen zur „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ in Beziehung setzt, die das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld seit 2002 veröffentlicht?
Es kann gar keinen Zweifel geben, dass jene höhere Etage publizierender deutscher Staatbediensteter eben diese feindbildenden Mechanismen und nicht ihre Konterkarierung salonfähig gemacht haben. Unterstützt haben sie dabei die ganze Phalanx an Innen- bis Sicherheitspolitiker, die angefangen bei der Migrantenfrage („Das Boot ist voll“) bis zum Salafismus „den Fremden“ und eben nicht dessen Integration zum Hauptgegenstand ihrer Politik gemacht haben. Fürs gemeine Volk sorgen dann Leute wie Ulfkotte.
Die zynischste Wendung der Verunsicherung ist bislang die der Sicherheitsbehörden von einer „angespannten Sicherheitslage ohne akute Bedrohung“. Was soll dann von einem Pastor und heutigen Bundespräsidenten gehalten werden, der im Jahr 2010 im Interview mit der Neuen Züricher Zeitung „ganz bewusst“ den Begriff der „Überfremdung“ benutzte und dies medienwirksam aufgenommen wurde als: „Gauck warnte davor, die Fremdheit des Islam zu leugnen.“
Der Befund, der so weit zu stellen ist, lautet: Im Umgang mit „dem Islam“ wurde eine politische, moralische und kulturelle Hierarchie innerhalb der deutschen Gesellschaft hergestellt, die mal biologistisch, mal soziologisch oder kulturell begründet worden ist. Die sichtbarste Konsequenz sind radikale Jugendliche oder sonderbare kleinbürgerliche Vereine wie PEGIDA, die sich berufen fühlen, „das Abendland“ vor „der Islamisierung“ zu retten: Enkel und Großeltern reichen sich von Berlin bis Dresden die Hand im Namen ihrer Vorväter. e2m
[zuerst veröffentlicht in „die Ausrufer“]
Kommentare 32
Der Eine Link funktioniert bei mir nicht. Könnten Sie das bitte noch einmal checken, wenn es nicht zu viel Mühe macht? Danke.
MfG Unschaerfe
Welcher?
Gern gelesen.
Mich überfordert ja der Umfang ein wenig. Mir ist sogar ein bisschen schwindelig geworden.
Wir müssen wirklich aufpassen!
Ein Tick härter wird es, wenn man bei Lamya Kaddor unter http://www.sueddeutsche.de/politik/hetze-gegen-muslime-futter-fuer-die-salafisten-1.2222680 nachliest und sich vergegenwärtigt, welche „wenn und aber“ vorausgeschickt werden müssen, damit die Autorin überhaupt eine Chance erhält, sich zu Wort zu melden. Und dass die sicher nicht gerade revolutionäre SZ ihr Dossier zu Fremdheit nicht unter „Toleranz“, sondern unter „Respekt“ führt. Gestern Abend im Print gelesen, war Kaddor für mich persönlich der Auslöser, einen kleineren Teil meiner privaten Aufzeichnungen online zu stellen.
Ich weiß, das wird jetzt lang. Und wen es nicht interessiert, der / die kann ja scrollen. Nur scheint mir dies eine Ergänzung aus anderer Sicht zu sein:
"Das Gerücht von Orleans
Im Mai 1969 durchlebte Frankreich eine Periode politischer Unsicherheit, deren Ursache de Gaulles Niederlage in einem politisch entscheidenden (nebenbei bemerkt, faktisch nebensächlichen) Referendum und sein Rückzug aus dem öffentlichen Leben nach Colombeyles-Deux-Eglises war. Für den 1. Juni waren Neuwahlen ausgeschrieben. In diesen Tagen politischer Spannung begann in Orleans ein aufsehenerregendes Gerücht zu zirkulieren, das seinen Ausga ng in den Mädchengymnasien nahm, bald aber die ganze Stadt ergriff: Damenmodengeschäfte und Boutiquen in dieser modernen, wenn auch provinziellen Stadt von 100.000 Einwohnern waren in Mädchenhandel verwickelt. Kundinnen dieser Geschäfte wurden in den Ankleideräumen26 überwältigt und betäubt, in Kellern bis zum Einbruch der Nacht gefangengehalten, dann durch unterirdische Gänge ans Ufer der Loire gebracht und von dort auf einem Unterseeboot27 nach Übersee entführt und einem Schicksal »schlimmer als dem Tod« überantwortet. Bereits am 20. Mai kursierten zusätzliche, detaillierte Informationen. Demnach vermißte man bereits 28 junge Frauen; ein Schuhgeschäft verwendete zur Betäubung der Opfer in Schuhen versteckte Injektionsvorrichtungen, da die in den Modeboutique n verwendeten Injektionsspritzen in einem Schuhladen begreiflicherweise nicht angewandt werden
26 »Man findet die Idee des Ankleideraums als einer Falle, als eines Vorzimmers von Geheimnis und Gefahr, auf dem niedrigsten Niveau der Massenkultur; die Welt der Schundliteratur und der Massenjournalismus liefern Beispiele dafür«, [siehe 110].
27 Wie Morin [111] berichtet, versicherte Levy, der Präsident der jüdischen Kultusgemeinde von Orleans, daß er selbst das Unterseebootgerücht als Witz in Umlauf gebracht hatte, daß es ihm aber schon am nächsten Tage als todernste Tatsache hinterbracht wurde.
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konnten, und so manches mehr. Die Kaufleute selbst wußten anscheinend nichts von diesem Gerücht, bis sich am 31. Mai, dem Vortag der Wahlen, feindselige Menschengruppen in den Geschäftsstraßen zusammenzurotten begannen. In den vorangegangenen Tagen hatten sie aber merkwürdige Anrufe erhalten – in einem Falle erkundigte sich jemand nach der Adresse eines Bordells in Tanger, in einem anderen bestellte der unbekannte Anrufer »frisches Fleisch«.
Als das Gerücht sich ausbreitete und immer spezifischer wurde, kamen zwei bemerkenswerte Einzelheiten ans Licht: Erstens verkauften die betreffenden Modeläden die neuen Miniröcke und standen damit für die provinzielle Mentalität im Zwielicht einer besonderen Erotik; zweitens nahm das Gerücht einen ausgesprochen antisemitischen Charakter an. Das uralte Thema des Ritualmords tauchte auf and begann die Runde zu machen. Am 30. Mai hatte die Besorgnis der jüdischen Gemeinde über die Entwicklung der Dinge einen Grad erreicht, der sie veranlaßte, die Behörden um Schutzvorkehrungen zu ersuchen. Der Polizei war die bedrohliche Entwicklung natürlich bereits bekannt, doch hatte sie sich bis zu diesem Zeitpunkt mit der Sachlage nur von einem rein faktischen, sicherheitspolizeilichen Standpunkt befaßt und keinerlei konkrete Anhaltspunkte gefunden. So stand zum Beispiel fest, daß nicht eine einzige Frau, geschweige denn 28 in Orleans vermißt wurden. In dieser Beschränkung auf die reinen Tatsachen übersahen die Behörden aber, daß das Problem im Bestehen des Gerüchts und nicht in seinem Wahrheitsgehalt lag. Es handelte sich hier vielmehr um eine jener typisch menschlichen Situationen, in denen »Wahrheit Glaubenssache ist« [146]. Die Gefahr eines Pogroms war unleugbar.
Am nächsten Tage jedoch brachte das Wahlergebnis eine erste Entspannung mit sich, und sehr bald gewann die Vernunft die Oberhand. Man ging dem Gerücht nach und fand es unbegründet. Die Lokalpresse, Privatpersonen und öffentliche
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Vereinigungen verurteilten diesen plötzlichen Ausbruch von Antisemitismus auf das schärfste, und das Gerücht erlosch fast noch rascher, als es aufgeflammt war. Es wäre vermutlich vollkommen in Vergessenheit geraten, wäre der Ablauf der Ereignisse nicht sorgfältig von einem Soziologenteam unter der Leitung Edgar Morins rekonstruiert worden, dessen Buch [109] die hier erwähnten Einzelheiten entnommen sind. Dieses Beispiel geht in seiner Bedeutung weit über die vorher erwähnten hinaus. In ihnen hatte die grundlegende Annahme wenigstens noch eine wenn auch recht fragwürdige Beziehung zu gewissen Tatsachen. Verkehrsampeln schalten nun einmal gelegentlich auf Rot um, wenn wir daherkommen, und Windschutzscheiben haben ganz sicherlich viele kleine Kratzer. Das Gerücht von Orleans aber beweist einmal mehr, daß zur Ausbildung einer bestimmten Wirklichkeitsauffassung nicht einmal derartig nebensächliche Tatsachen nötig sind – ein tiefsitzender Aberglaube kann seine eigenen »Wirklichkeitsbeweise« erschaffen, besonders wenn er von vielen Menschen geteilt wird. Und selbst wenn, wie im Falle von Orleans, ein Gerücht sich später als haltlos erweist, findet sich meist ein goldenes Wort oder eine landläufige Weisheit, die es den auf das Gerücht Hereingefallenen gestattet, ihr Gesicht zu wahren. 28 »Wo Rauch ist, muß auch Feuer sein«, lautet bekanntlich eine solche Perle der Weisheit; aber »... ein frischer Mist tut’s auch«, pflegte der Humorist Roda Roda hinzuzufügen.
Ein besonders krasses Beispiel dafür verdient es, wenigstens kurz erwä hnt zu werden. Einer der Ladenhüter des Antisemitismus ist ein berüchtigtes Werk mit dem Titel »Die Protokolle der Weisen von Zion«. In diesem Buch entwirft der anonyme Verfasser in allen Einzelheiten den Plan für eine
28 Tatsächlich erwähnten einige junge Orléanais dem Morin-Team gegenüber: »Wenn eine ganze Stadt dasselbe sagt, dann muß etwas daran sein.« [113]
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jüdische Weltherrschaft und läßt keine Zweifel darüber, daß dies das Endziel des internationalen Judentums sei. Aus Gründen, die für meine Ausführungen belanglos sind, unternahm die Londoner Times eine Untersuchung über die Herkunft des Buchs und veröffentlichte das Ergebnis in ihren Ausgaben vom 16. 17. und 18. August 1921. Es stellte sich heraus, daß die Quelle der Protokolle ein unter dem Titel »Dialogue aux Enfers entre Montesquieu et Machiavel« (Zwiegespräch in der Hölle zwischen Montesquieu und Machiavelli) veröffentlichtes Buch des französischen Advokaten Maurice Joly war. Wie Joly später in seiner Autobiographie erklärte, war der Dialogue ein Versuch, die despotische Herrschaft Napoleons III. in Form eines imaginären Gesprächs anzuprangern, in dem Montesquieu den Liberalismus vertritt, jedoch rasch vor der Brillanz Machiavellis zynischer Verteidigung des Despotismus kapitulieren muß. Mit Hilfe dieser Tarnung, das heißt, durch die Lobpreisung dessen, was er angreifen wollte, hoffte Joly, dem Leser sein wahres Anliegen klarzumachen. Diese Hoffnung erwies sich als nur zu gerechtfertigt, denn auch der französischen Geheimpolizei blieb das wahre Anliegen des Buchs keineswegs verborgen; sie erkannte seinen subversiven Inhalt, beschlagnahmte die nach Frankreich geschmuggelten Exemplare und verhaftete Joly, der zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt wurde.
Bis zu diesem Punkt hatte die ganze Angelegenheit nichts mit den Juden zu tun. Das Buch hätte vielmehr als Quelle der Inspiration für einen jungen Hitler dienen können. Es vertritt die Ansicht, ein moderner Herrscher sollte lediglich den Schein der Legalität wahren, sich seine Entscheidungen von einer ihm blind ergebenen Volksversammlung legalisieren lassen, gegen jede innere Opposition mit der Geheimpolizei vorgehen, und die eventuellen Gewissensbisse seiner Untertanen durch glänzende militärische Siege über äußere Feinde beschwichtigen, deren Ziel angeblich die Vernichtung des Vaterlandes ist.
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Der nie identifizierte Verfasser der Protokolle machte sich all dies zueigen und stellte es als das weltumfassende Programm einer mächtigen, geheimen Körperschaft, eben der Weisen von Zion, dar. Hierzu bemerkt der britische Historiker Cohn in seinem Buch über die Protokolle:
Alles in allem beruhen 160 Stellen der Protokolle, das heißt, zwei Fünftel des gesamten Texts, offensichtlich auf Passagen in Jolys Buch; in neun Kapiteln ist mehr als die Hälfte gestohlen, in anderen drei Viertel, und in einem (Protokoll VII) fast der ganze Text. Mit weniger als einem Dutzend Ausnahmen ist außerdem die Reihenfolge der gestohlenen Textstellen dieselbe wie bei Joly, ganz als hätte der Plagiator Seite um Seite mechanisch vom Dialogue unmittelbar in seine »Protokolle« übertragen. Selbst die Reihenfolge der Kapitel ist weitgehend dieselbe – den 24 Kapiteln der Protokolle entsprechen die 25 Kapitel des Dialogue. Nur gegen Ende, nämlich dort, wo die Prophezeiung des messianischen Zeitalters in den Vordergrund tritt, erlaubte sich der Plagiator wirkliche Unabhängigkeit vom Original. [34]
Seit ihrer Veröffentlichung haben die Protokolle nicht aufgehört, ein wichtiges Beweismittel des Antisemitismus zu sein. Aber viele der Versuche, ihren betrügerischen Ursprung ein für allemal bloßzulegen, führten anscheinend dazu, daß diejenigen, die an ihre Echtheit glaubten, in diesen Bemühungen nur einen weiteren Beweis für ihre Echtheit sahen – denn wären sie wirklich reine Erfindung, warum würden die Weisen von Zion dann solche Anstrengungen unternehmen, ihre Authentizität in Frage zu stellen? Wir haben es hier also mit einem geradezu klassischen Beispiel einer sich selbst bestätigenden Prämisse zu tun, das heißt einer Annahme, die sowohl durch Beweis wie durch Gegenbeweis bestärkt wird. Dies ist auch die Art und Weise, in der der Paranoide die Beziehungen zu seinen Mitmenschen interpunktiert: Er »weiß«, daß sie Böses gegen ihn vorhaben, und wenn sie daher versuchen, ihn von ihren freundlichen Absichten zu überzeugen, so »beweist« ihm das, daß sie Übles im Schilde führen – denn warum würden sie sonst so hartnäckig versuchen, ihn von ihrer Freundlichkeit zu überzeugen? Auf seinem Höhepunkt führte
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das Gerücht von Orleans zu grundsätzlich demselben Zirkelschluß. Als zum Beispiel die Polizei bekanntgab, daß an der ganzen Affäre weder Hand noch Fuß war und nicht ein einziges Mädchen vermißt wurde, »bewies« dies, daß die Polizei selbst in die Entführungen mitverwickelt sein mußte. »Es wurde behauptet«, erklärte der Leiter der Kriminalerhebungsabteilung später einem Reporter der Aurore, »daß ich mir auf diese Weise zehn Millionen Francs verdient hatte. Je übertriebener und extravaganter eine Geschichte ist, desto eher scheinen die Leute sie zu glauben« [114]. Die beiden Schlußfolgerungen, die sich aus dem Bavelasexperiment ziehen lassen, haben also volle Gültigkeit auch für praktische Lebenssituationen. Erstens führt hier wie dort das Bekanntwerden von Tatsachen, die der mühevoll zusammengebastelten Erklärung widersprechen, nicht zu ihrer Korrektur, sondern zu weiterer Verfeinerung. Zweitens scheinen diese Pseudoerklärungen um so überzeugender, je abstruser und objektiv unwahrscheinlicher sie sind. Oder, wie man in Österreich zu fragen pflegt, warum einfach, wenn’s kompliziert auch geht?
In einem Kontext von Desinformation nimmt diese primäre Prämisse, diese ein für allemal gefaßte (und oft rein zufällig zustande gekommene) Meinung, eine zwingende und zentrale Bedeutung an, und, gleichgültig wie absurd sie ist, folgen alle weiteren Schlußfolgerungen oft mit streng logischer Konsequenz. Trotz dieser Einsicht aber ist die Idee, daß sich »Wirklichkeiten« sozusagen aus den Fingern saugen lassen, den meisten von uns nur schwer annehmbar. Wir neigen viel eher dazu, das Wirken einer Art »metaphysischen Versuchsleiters« hinter dem Lauf der Dinge zu vermuten oder – wenn uns psychologische Hypothesen mehr überzeugen als transzendentale – ein Gesetz der menschlichen Seele. Doch bereits Schopenhauer sagte im Hinblick auf die Teleologie, das heißt der Annahme einer der Natur innewohnenden Zweckmäßigkeit und Zielgerichtetheit, daß sie
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erst vom Verstande in die Natur gebracht wird, der demnach ein Wunder anstaunt, das er erst selbst geschaffen hat. Es geht ihm (wenn ich eine so hohe Sache durch ein triviales Gleichnis erläutern darf) so, wie wenn er darüber erstaunt, daß alle Multiplikationsprodukte der 9 durch Addition ihrer einzelnen Ziffern wieder 9 geben oder eine Zahl, deren Ziffern addiert 9 betragen; obschon er selbst im Dezimalsystem das Wunder sich vorbereitet hat. [160]
Es ist also recht wahrscheinlich, daß die Wirklichkeit und die ihr zugrunde liegende Ordnung herzlich wenig mit Metaphysik oder Psychologie zu tun hat.29 Es mag vielmehr notwendig sein, unsere grandiosen Annahmen zurückzustecken und uns mit einer viel einfacheren Wirklichkeitsauffassung zu bescheiden, nämlich einer, die das Produkt zweier grundlegender Prinzipien ist: Zufall und Notwendigkeit. Mit dieser Auffassung wären wir in sehr respektabler, wenn auch nicht allgemein respektierter Gesellschaft. Die Interaktion von Zufall und Notwendigkeit wird heute von einer Reihe von Biologen als der Ausgangspunkt des Lebens betrachtet, vor allem von Nobelpreisträger Jacques Monod, dessen nachstehende Definition mutatis mutandis voll auf mein Thema anwendbar ist:
Der Weg der Evolution wird den Lebewesen, diesen äußerst konservativen Systemen, durch elementare Ereignisse mikroskopischer Art eröffnet, die zufällig und ohne jede Beziehung zu den Auswirkungen sind, die sie in der teleonomischen Funktionsweise auslösen können.
Ist der einzelne und als solcher unvorhersehbare Vorfall aber einmal in die DNS-Struktur eingetragen, dann wird er mechanisch getreu verdoppelt und übersetzt; er wird zugleich vervielfältigt und auf Millionen oder Milliarden Exemplare übertragen. Der Herrschaft des bloßen Zufalls entzogen, tritt er unter die Herrschaft der Notwendigkeit, der unerschütterlichen Gewißheit. [...]
So mancher ausgezeichnete Geist scheint auch heute noch nicht akzeptieren oder auch nur begreifen zu können, daß allein die Selektion aus störenden Geräuschen das ganze Konzert der belebten Natur hervorgebracht haben könnte. Die Selektion arbeitet nämlich an den Produkten des Zufalls, da sie sich aus keiner anderen Quelle speisen kann. Ihr Wirkungsfeld ist ein
29 Die Wahrheit, sagte Saint-Exupéry einmal, wird nicht von uns entdeckt, sondern erschaffen.
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Bereich strenger Erfordernisse, aus dem jeder Zufall verbannt ist. Ihre meist aufsteigende Richtung, ihre sukzessiven Eroberungen und die geordnete Entfaltung, die sie widerzuspiegeln scheint, hat die Selektion jenen Erfordernissen und nicht dem Zufall abgewonnen. [103]"
Aus Watzlawick, Wie wirklich ist die Wirklichkeit (http://gedankenfrei.files.wordpress.com/2009/12/eb00k_watzlawick_-wirklichkeit.pdf)
Von der deutschen Zivilgesellschaft ist zur Zeit nicht viel zu erhoffen, und von staatlichen Stellen erst recht nicht. Eine gelungene Entschärfung der Spannungen, die aus Vorurteilen, Ängsten und Aggressionen entstanden sind, verlangen vom Einzelnen eine Urteilsfähigkeit und innere Ausgeglichenheit, die leicht zu empfehlen, aber in einer konformistischen Gesellschaft oft schwer zu üben ist.
Wer als "Fremder" zum x-ten Mal zuviel gesagt bekommt, es fehle bei "den Ausländern" an der Bereitschaft zur "Integration", kann im besten Fall noch die Abrutschkupplung einschalten und sich stillschweigend abwenden. Das schont wenigstens einstweilen die Nerven, und spart Energie für Situationen, in denen ein Gespräch sich tatsächlich lohnt.
Im Gegenteil sehe ich den Teil, der sich als Zivilgesellschaft versteht, noch erfolgreich als Gegengewicht am Werk. Hier sind Netzwerke entstanden, die nicht einfach per Verächtlichmachung als "Gutmenschen" auseinander genommen werden können. Der Punkt ist vielmehr, insoweit der aufkeimenden Frustration zu begegnen.
Der Text hat mich...bewegt, vielen Dank!
Die Zivilgesellschaft war heute wieder in Dresden auf der Straße, isnofer kann ich e2m nur zustimmen.
Warum?
dazu ohne weiteres link auf eine site mit „lesebefehl“ auf „wahrheiten.org“ und „nuoviso“, obwohl der olle watzlawick auch anderweitig vollständig zu finden ist … irgendwie alles nicht so ganz prickelnd. sie können es doch sonst auch weniger linkisch.
mal überlegen … seitenlanges c&p statt eigener transferleistung zum thema,
Wird wohl stimmen. Ich habe keinen sehr klaren Begriff von Zivilgesellschaft. Gemeint habe ich die Gesellschaft insgesamt, soweit sie nicht in erster Linie parteipolitisch motiviert ist.
Ich will kein Engagement kleinreden. Aber »Frustration ist aus meiner Sicht - so lange nicht zu hoch dosiert - ein Impfstoff. Auch die Erfahrung muss man machen, und damit umgehen.
Die Zivilgesellschaft, die Sie meinen, ist nicht der Alltag - zumindest nicht meiner.
Nachvollziehbar. Also hier die kurz-kurz-Fassung.
Vorurteile (und Ressentiments) sind informationsresistent. Oder, um es sinngemäß mit Einstein zu sagen: Die Theorie bestimmt, was wie beobachten können.
Oder noch kürzer: Verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen.
Oder, auch wenn es nicht kürzer als deines ist: Lieber ein gepflegtes Vorurteil als sich durch die Tatsachen beirren lassen.
Je nun, so einfach ist das mit Hannover wohl nicht:
"[...]in Hannover sind vier Demonstranten angegriffen und teilweise schwer verletzt worden. Die Polizei vermutet, dass die Täter aus dem linksautonomen Spektrum kommen und ermittelt wegen versuchter Tötung, wie am Montag mitgeteilt wurde. "
Quelle:
'Nach Hooligan-Demo ermittelt Polizei wegen versuchter Tötung'
http://www.derwesten.de/politik/nach-hooligan-demo-ermittelt-polizei-wegen-versuchter-toetung-id10051154.html
'Pro-'Wen haben diese Typen wohl geprügelt bis hin zum Mordversuch?
Ganz so einfach ist die Welt dann doch nicht - ausser man erhält sich seinen einseitigen Blick.
Kein Zweifel: Meine Zeilen sind Ausdruck meiner subjetiven Sicht der Dinge. Aber an keiner Stelle habe ich physische Gewalt gutgeheißen und werde das nicht tun: Sie ist das genaue Gegenteil von Zivilgesellschaft. Ihr Diskreditierungsversuch greift nicht.
Ihren Kommentar kann ich nicht recht nachvollziehen, Spoekenkieker. Was war vor dem Ermittlungsbericht einfach, und ist es jetzt nicht mehr?
Zitat:
"Wären die von den HO.GE.SA nicht doch die missverstandenen Verteidiger des Abendlandes, die neuen brutalen wie unverzichtbaren Landsknechte an der Heimatfront?"
Genau diese Rolle haben Salafisten und IS für den Islam erfolgreich übernommen. Wofür steht nochmal das 'I' bei IS?
Und wir sollten daran arbeiten, dass HOGESA nicht irgendwann in der o.a. Rolle gesehen wird. Schon beunruhigend, dass eine Gruppierung mit so einem bescheuerten Namen einen derartigen Zuspruch findet.
Auch beunruhigen, wenn Linke auf einmal das Geschäft religiöser Fundamentalisten besorgen.
Und wenn Sie ein und nur ein 'like' vergeben müssen, an wen geht das - an Herrn Sarrazin oder Herrn Vogel?
Und wir sollten daran arbeiten, dass HOGESA nicht irgendwann in der o.a. Rolle gesehen wird.
Sie meinen: der Staat soll der HOGESA ihre Drecksarbeit abnehmen und sie selbst machen, "Spoekenkieker"?
War eine rhetorische Frage. Es geht nicht um islamisch oder links. Es geht um Grundrechte. Die gelten für Hools, Religionsterroristen (nicht gleichzusetzen mit Gläubigen) und anständige Leute gleichermaßen.
Dass Sie das nicht kapieren, ändert nichts daran.
Und wenn Sie ein und nur ein 'like' vergeben müssen, an wen geht das - an Herrn Sarrazin oder Herrn Vogel?
Vielleicht können Sie ja an keinem Knopf vorbeigehen, ohne ihn zu drücken. Aber wie wär's mit an keinen von beiden?
Diesen ganz wunderbaren offenen Brief der "HOoligansGEgenSAtzbau" vom 12.11. will ich wirklich niemandem vorenthalten: https://www.facebook.com/HooligansGegenSatzbau/posts/835511519803165
Wenn es um „Salafisten“ geht, scheint die Antwort einfach: Sie wenden sich gegen alles, wofür die nord-westliche Hemisphäre der Welt steht – Fortschritt, Wohlstand, Demokratie.
Ist das nicht dieselbe nord-westliche Hemisphäre vom Golfplatz von Melilla?
Schon lustig: ein europaweit um Luft ringende spätbürgerliche Linke, links Adorno in den Schlagworten, sagt Tarnbegriffe der ökologischen, sozialen und überhaupt Katastrophe des westlichen Systems auf, die doch nebenan sofort wieder böse und gemein ist - und freut sich dann auch noch in goldigster Spießbürgerlichkeit, dass nun in Hannover von den Behörden Sicherheit und Ordnung exemplarisch exerziert worden sind.
Die Wortwahl ist sehr aufschlußreicher. Das kalkige Weltbild eines späten 68er-Milieus auf dem Weg ins Altenheim und den historischen Orkus.
Das Milieu, das so denkt, schrumpft zwischen islamischer Neubevölkerung und Altbevölkerung in reaktionärer Wende vor sich hin. Dass ein Sarrazin nicht sauber arbeitet, das stimmt. Aber die Auflage ist das Interessante. Und gegen ein Pirincci oder einen Naidoo fällt Euch in Eurem umgedrehten Rassismus schon gar nichts mehr ein, schließlich sind das keine Autochthonen.
Man kann die Sichtweise des Islam auf den hinter konformistischen Leerbegriffen vertuschten Zustand der heutigen westlichen Welt übrigens durchaus teilen - und trotzdemden eigenen Hustensaft vorziehen. Und ungefähr das ist es, was da passiert. Zumal gar nicht so viele an westlichen Werten interessierte und minderreligiöse Muslime vielleicht nicht mit den Hools, aber mit der Sarrazin-Richtung oder Pirincci und Naidoo sympathisieren.
Insofern erfolgt dort gerade die wahre Integrationsleistung, was man gutmenschenseitig ganz gerne übersieht. Dort sammeln sich junge deutsche Muslime nicht hinter den stichworten der Deutschen und Europäer von Gestern, der 68er, sondern hinter denen von Morgen.
(gar nicht so wenige)
Die Wortwahl ist sehr aufschlußreicher. Das kalkige Weltbild eines späten 68er-Milieus auf dem Weg ins Altenheim und den historischen Orkus.
So dröhnt das Großmaul, dass sich angesichts eines islamistisch motivierten Kulturimperialismus nassgemacht hat.
Es ist schon viel in den "historischen Orkus" gewandert, was der Welt noch heute gut zu Gesicht stünde.
Aber wer Angst hat, muss halt immer wieder nachgucken, ob er auch immer noch schön zukünftig ist.
Nett, dass Sie mal wieder so viel von sich erzählen, Kuntz.
Ich bring mal ein bisschen Licht nach Ostfriesland, ja?
(1) Wer fördert denn seit fünfzig Jahren den Islam in Europa und wundert sich dann über 'deutsche Dschihadisten' oder über die Anschläge auf Synagogen aus Palästinensermileu Sympathisanten. Nicht dass man das nahostmakropolitisch nicht verstehen könnte, ich sags nur. Von der einsetztenden Sorge der Feministinnen etc.pp. gar nicht zu reden.
(2) Was man da beobachten kann ist eine Mischung aus "Konsum ohne Türken" am unteren Rand (was rassistischer Stuß ist), wo man klüger ist allerdings auch einer Sorge um die Werte der europäischen Aufklärung angesichts von Scharia-Polizei, Dschihad und wachsender Religionsschulen , eine Sorge, die ich zumindest nachvollziehen könnte, wenn ich aufklärungsreligiös wäre.
Aus Aufklärungsperspektive sind die Hools sogar bessere Beschützer dieser Werte (wenn auch zugleich denkbar suboptimale) als relativistische Linke. Bei einem rabaukenhaft- kategorischen Gegner des Islam ist der Michel sich sicher, dass er Vollverschleierung und Genitalverstümmlung garantiert ablehnt, bei der sich kultursensibel gebenden, partiell autoaggressive, relativistischen und vor allem zunehmend gebißlose Linke nicht.
(3) Um "das christliche Abendland retten" glaubhaft retten zu wollen, sollte man ein Christ sein. Was da rumläuft ist in seinen Anschauungen ist aber eher nordisch-heidnisch, auch dann, wenn es Josef Wirmers Flagge hißt. Ein Christ kämpft nicht. Sein Wert heißt Martyria.
Es sei denn natürlich, die Kreuzzüge waren christlich. Dann sind die Hools gute Christen. In Wahrheit verteidigen sie nicht das Christentum gegen den Islam, sondern das durch Rationalismus kastrierte und auf Weihnachtsmärkte reduzierte Christentum.
sich angesichts eines islamistisch motivierten Kulturimperialismus nassgemacht
Keineswegs. Wenn man Deutschland aus der autoaggressiven Loyalität zum Gebilde auf Indianerland herausholen will und es in die wachsende antiamerikanische Front einreihen möchte, dann ist ein höherer islamischer Bevölkerungsanteil doch extrem hilfreich, denn über die nahöstliche Wunde hassen die das Imperium tausendfach mehr als ein bloß über Snowden, NSA und Ukraine konsternierter Osterei-Deutscher es jemals könnte. Es ist nicht zufällig der gröbste und dümmste Teil der Rechten, der sich da auf den Islam stürzt.
Trotzdem würde ich seine aufklärungsprotektive Teilmotivation als Linke nicht mal eben so abtun, nicht mal als Linke in transatlantischer Verstrickung.
Dass Sie schon ein immer einen strategisches Verständnis von Nützlichkeit in ihrer verstiegenen Phantasie von „antiamerikanischer Front“ oder „gegen das Imperium“ haben, ist bekannt. Neu wie aufschlußreich ist, dass sie fast unverhohlen den Satz abbilden, „wer Muslim ist, bestimme ich“.
Btw.: Thema des Blogs ist keine Apologie auf den Islam, sondern der Mechanismus des Fremdmachens. Nachdem alles, was außerhalb Ihres gewalttätigen Horizonts steht, Ihnen ohnehin fremd ist, erübrigt sich jede weitere Erörterung on-topic.
Ich bring mal ein bisschen Licht nach Ostfriesland, ja?
Dafür müssten Sie erst einmal die meterdicke Dornenkrone absetzen, die Ihren Kopf umgibt. Bis dahin schaffen Sie es mit Ihrer Liebe und Wahrheit nicht einmal vor die eigene Haustür.
Ist vielleicht auch besser so.
Je nun, solange der Staat das Gewaltmonopol für sich in Anspruch nimmt resp. nehmen will, kommt er um entsprechende Reaktionen, oder besser: Aktionen nicht herum - Aussitzen geht nicht.
Und was den im Netz kursierenden 'Kommenden Aufstand' angeht, in welche Richtung wird dieser gehen? In die französische?
Was die von mir erwähnte Anhaftung der Linken an religiösen Fundamentalismus (der arabischen Welt) angeht, hätte ich von Ihnen doch etwas mehr Details erwartet, zumal diese Anheftung ja schon seit den frühen 70ern läuft - mit Unterstüzung des damals real existierenden Sozialismus.
Um die Grundrechte zu propagieren - dazu brauchen Sie den Salafismus?
Strange!
Und was die Knöpfe angeht, das ist wie mit dem Krieg - was ist, wenn die Knöpfe zu dir kommen?
Um die Grundrechte zu propagieren - dazu brauchen Sie den Salafismus?
Wie ich schon anmerkte: Sie kapieren's nicht, Spoekenkieker. Sie versuchen sogar - wenn auch etwas verdruckst - auf eine Frage zu antworten, die ich rhetorisch gestellt habe.
Der Staat muss nicht auf jeden Salafisten reagieren. Er muss auch nicht auf Sie, Spoekenkieker, reagieren, so lange Sie lediglich Stuss labern.
Und wenn ein Salafist oder wenn sie, Spoekenkieker, bestimmte rechtliche Grenzen überschreiten, dann kann es zwar sein, dass der Staat reagiert; aber - hoffentlich - immer unter Beachtung Ihrer Grundrechte. Und wenn er das bei einem Salafisten eines schlechten Tages nicht mehr tut, gibt es keinen objektiven Grund, warum er es bei Ihnen tun sollte.
Na? Jetzt klarer? Vorm Loslabern einfach mal das Gedankenfach bemühen.
einen klaren begriff davon habe ich auch nicht. ich sehe nur, dass es menschen gibt, die sich die mühe machen im november gegen gefährliche ideen auf die straße zu gehen. im alltag geht es mir oft wie ihnen...aber manchmal auch nicht. ich ziehe es vor mich auf letzteres zu konzentrieren. aber das ist einstellungssache :-)
weil!
Ach so! Du hast auch ein bisschen eingeklappt? Gut zu wissen, dass das auch zusammen geht.