Happy Birthday, Greenpeace

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Eigentlich sind Green und Peace für eine Organisation, die spektakulärste Schlachten auf dem Wasser schlägt, ein Euphemismus. Andererseits wissen wir heute, dass Deep Water Horizon auch anderes bedeuten kann als freie Horizonte, vom Grund des Meeres aus. So wird es das Wortspiel gewesen sein, die Suche nach Griffigkeit, die das Komitee Dont’t Make a Wave zur Namensgebung ihrer Fahrt von Vancouver (Kanada) aus zu den Aleuten in Alaska bewegte, um gegen die dort stattfindenden Atombombentest der U.S.A zu protestieren. Greenpeace war damit in die Welt gesetzt, an Bord eines alten Fischkutters namens Phyllis Cormack, man schrieb das Jahr 1971.

Neun Jahre später kamen Heinrich Bauer, Gerhard Wallmeyer, Monika Griefahn, Harald Zindler, Wolfgang Fischer, Gerd Leipold auf verschiedenen Wegen zusammen, gründeten Greenpeace Deutschland und legten los. Die Bilder, die sie angekettet am Verklappungsschiff Kronos zeigten oder beim Schwimmen vor dessen Bug und in der Nähe der mächtigen Schiffsschrauben machten Maßstäbe deutlich, ganz real und übertragen, von klein gegen Ganz Groß, hautnaher Kontakt mit Säure inklusive.

Super 8, Wind von Achtern, eine explosive Mischung

Sie hatten wohl gelernt, wenn man die Vita anschaut, vor allem von David McTaggart. Was macht ein Vierzigjähriger, nach Kindern, Haus bauen und Geld machen? Er kauft sich ein Boot und segelt 1972 damit schnurstracks mitten in das französische Nukleartestgelände im Pazifik, um dort zu baden. Wie es sich zu solchen Ausflügen gehört, die Super 8 ist immer dabei. Mit „Vega to Muroroa“ wird das seither geltende Drehbuch geschrieben, dessen Botschaft lauten könnte: Mach‘ was du willst, aber mach es friedlich und dokumentiere es selbst, wenn man dir in die Fresse gibt. Die Beherrschung der Bildersprache ist es, mit der sich Greenpeace die richtigen Feinde gemacht hat. Das waren zunächst öffentlichkeitsscheue Militärs, angefangen beim gewaltsamen Aufbringen der Vega mit Verletzung derer Mannschaft durch die französische Marine bis hin zur Versenkung der Rainbow Warrior im Hafen von Auckland/Neuseeland. Am 10. Juli 1985 befestigten auf Anweisung von Francois Mitterand Agenten der Direction Générale de la Sécurité Extérieure Minen am Schiff. Die Aktion hatte den bezeichnenden Namen Opération Satanique und brachte den niederländischen Photographen Fernando Pereira, der seine Ausrüstung retten wollte, ums Leben, als die zweite Mine detonierte.

Der Rhein, Krisenherd und Weltkulturerbe

Zu der Zeit kämpfte Greenpeace in Deutschland am Rhein. In „Vor 50 Jahren: Als die Wasserqualität zum Problem wurde“ ließ Deutschlandradio 2008 Gerhard Wallmeyer ausführlich zu den Anfängen des Umweltbewusstseins Marke Eigenbau zu Wort kommen. Erstmals wird die Bevölkerung ausführlich mit Worten wie Chlorbenzol, Chlormetakresol oder Methanol konfrontiert und mit deren Herstellern Sandoz, BASF oder Bayer. Es ist ein Jahr nach Tschernobyl, man lernt, dass GAU nicht nur bei Atomkraft eine Option ist. Und es war ein Schweigekartell der Industrie, das Greenpeace mit Aktionen wie die Messungen vor Ort mit dem Laborschiff Beluga oder mit Tauchgängen vor Abflussrohren durchbrach. Das obere Mittelrheintal darf sich seit 2002 mit dem Titel Weltkulturerbe schmücken.

Dass so etwas nicht Frucht spontaner Eingebungen ist, bekennt Wallmeyer ganz offen. „Monatelang haben wir schon vorher angefangen, die ganzen Firmen zu recherchieren, wer leitet eigentlich ein. In Wirklichkeit waren wir vorher mit anderen Booten, mit Kanus auf dem Fluss und hatten schon Monate vorher Proben genommen und die untersuchen lassen. Man muss im Grunde genommen vorher wissen, was ist eigentlich hier kritisch an diesem Einleitrohr“. Das erfordert eine straffe Organisation und klare Hierarchien, meint dazu Harald Zindler, einer von denen, die immer dort sind, wo es weh tut, im jüngsten Interview bei SWR-Contra: „Wenn man alle Ideen basisdemokratisch diskutierte, würde man nur Zeit verschwenden. Intern wird um die beste Lösung gerungen. Nur wenn es zur Umsetzung kommt und sich die Leute immer noch nicht einig sind, muss einer sagen, wie es weiter geht“. Das kann nicht jedem gefallen: „Das Motto lautete: Mitbestimmung, nein Danke. Ein paar Strippenzieher bestimmten den Kurs, und der war knallhart am zu erwartenden PR-Ertrag ausgerichtet“, merkt dazu etwa SWR-Umweltredakteur Axel Weiss an.

Von Unternehmungen zum Unternehmen

Auch Geld spielt eine Rolle in der jüngsten Wahrnehmung, und Macht, etwa wenn Wallmeyer, heute Chef-Fundraiser in Deutschland, mit den Worten zitiert wird, Greenpeace habe heute mehr Fördermitglieder als die Volksparteien. Hinter diesem ausgeprägten Selbstbewusstsein verschwindet das eigentliche Anliegen, keine Gelder von Staaten, Parteien oder Lobbys annehmen zu wollen. Erträge wie die 46 Millionen Euro in 2009 (weltweit rund 197 Millionen per 2008) oder die Tatsache, dass sich Greenpeace dem Namen nach als Stromlieferant betätigt, haben etwas entstehen lassen, was selbst als Lobby bezeichnet werden könnte. Dabei war die finanzielle Selbständig- und Unabhängigkeit eine Frage des Überlebens, als David McTaggart bei Gründung der Internationalen Organisation das schwer verschuldete Vancouver Büro, dort wo alles begonnen hatte, davon überzeugte, dass Idealismus nicht alles ist. Die Lektion wurde in Hamburg perfekt verinnerlicht.

Monika Griefahn, deren Vernetzung schon zu Gründungszeiten von Greenpeace in Deutschland legendär war, sitzt heute im Bundestag für die SPD mit Schwerpunktthema Kultur und Medien. Ihre Zeit als Aktivistin, aber auch die als Ministerin für Umwelt hat sie weit hinter sich gelassen. Der studierte Physiker Gerd Leipold dagegen war neun Jahre lang Chef von Greenpeace International. In einem Interview für BBC-HARDtalk, kurz bevor er den Vorsitz im November 2009 abgab, offenbart sich sein Perspektivewechsel, der mit der Biographie einher gegangen ist. Nicht nur wollte er die mittlerweile über 40 Büros weltweit im Blick haben, sondern auch die Verlagerung auf die Auswüchse unmittelbarsten Raubbaus in Asien und Südamerika. Bereits 2005 in einem Spiegel-Interview meinte er: „Mit spektakulären Aktionen Themen zu setzen, wie in der Vergangenheit, das funktioniert leider nicht mehr so gut“. Wehmut schwingt schon da unüberhörbar mit.

Deutschland ist nicht der Nabel der Welt

Vor dreißig Jahren kamen sie zusammen und ergänzten sich: Die Kommunikatorin mit dem Planer, der handfeste Organisierer und die kreativen, nachdenklichen, vor allem sehr entschlossenen Köpfe. Zu einer Zeit, als die Macht von Bildern begeistern konnte, ohne Risiko in der Reizüberflutung heutiger Massenmedien unterzugehen. Geht das noch, hier im Deutschland anno 2010? Einiges wird davon abhängen, welche Richtung Greenpeace International nimmt. Kumi Naidoo, der Nachfolger von Leipold, ist Südafrikaner mit indischen Wurzeln. Seine Referenz ist vor allem der Kampf gegen die Apartheid gewesen. Gegen Pläne zu Atomkraftwerken in seiner Heimat hat man ihn bisher kaum plädieren gehört. Für andere, wie den ehemaligen Patrick Moore geht alles zu weit („Greenpeace hat sich von Logik und Wissenschaft verabschiedet“). Paul Watson, einem anderen Ehemaligen, kann es nicht weit genug gehen: Mit seiner Sea Shepherd Conservation Society übt er sich im Schiffe versenken, vier Walfänger sollen es der letzten Zählung nach sein.

Die Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Brigitte Behrens und Roland Hipp lächeln nett und photogen in die Kameras, da es ein Jubiläum zu feiern gilt, die Tage etwas öfter. Ein klein wenig ergraut, ein bisschen betulich. Auch das ist die Macht von Bildern.

Alles Gute, Greenpeace, zum Geburtstag. Gute Wünsche kannst Du brauchen, hier in Deutschland. e2m

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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