Momentaufnahme Italien – Die Einkaufstour

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http://www.valerytours.com/02/images/pictures_iva/RomaColosseo.jpgIn den 1950ern bis hinein in die 70er war es dem italienischen Trickbetrüger angelegen, einem reichen Ausländer ein großes Bauwerk anzudrehen, das ihm, also dem Verkäufer, nicht gehörte. Das war nicht nur ein Quell für Lebensunterhalt, sondern immer auch der Erheiterung. Die stellte sich spätestens ein, wenn der geprellte Anglophone (denn in vorglobaler Zeit waren Briten und deren transatlantische Cousins noch der Inbegriff von reich) merkte, dass er das Kolosseum, das er gerade bezahlt hatte, nicht abtragen und –transportieren durfte. Etwa Richtung Wyoming und per Römerbrocken zu adelnde Rinderranch.

Das änderte sich erst, als auch Deutsche wieder begannen, sich in die Kategorie „erkennbar wohlhabend“ einzureihen. Denn neben Pünktlichkeit barg deren andere herausstechende Qualität, die der Genauigkeit, in den Augen von Beutelschneidern http://negozi-online.biz/blog/wp-content/uploads/2008/07/saldi2008.gifauf die Dauer mehr Risiko als Chance. Und nachdem sich im Club der oberen Zehntausend die Dinge ohnehin schnell herumsprechen, war es mit Spaß und Verdienst am historischen Stein vorbei. Weswegen in sinnfälliger Analogie zum damaligen Bankencredo, dass vor allem Kleinvieh viel Dünger produziere, der gesamte Handel auf „Saldi“ verfiel. Das ist das italienische Pendant zum saisonalen Schlussverkauf und zieht seitdem mit der Einfachheit seiner fünf Buchstaben jeden noch so sprachunbegabten Besucher in seinen Bann: Abzüglich soundsoviel Prozent ist allemal weniger als der reguläre Preis, auch wenn der ein paar Tage vorher noch schnell angehoben worden war. Besonders kundenfreundlich ist dabei, dass die Regionen und Kommunen, die die Modalitäten regeln, verpflichtet sind, das Datum des Verkaufsbeginns zu veröffentlichen. Dank Internet ist es dem Publikum vom Wühltischgrabbler bis zum Valentino-Abstauber diesseits der Alpen geläufig, wann man sich alleine durch die erzielbaren Sconti die nächste Reise nach Rom wird leisten können. Dort geht es übrigens am 3. Juli los, ist heute zu lesen.

Der Erfolg war derart durchschlagend, dass Verramschen mittlerweile nicht nur ein gängiges Verfahren der Ladengeschäfte, sondern sogar eines des italienischen Staates geworden ist. Freilich nennt sich das im „Ersten Dekret zur Durchführung des fiskalischen Föderalismus“ vom Mai dieses Jahres „valorizzazione“(Aufwertung) und „alienazione“ (Veräußerung). Das sprachliche Brimborium beiseite schiebend bleibt, dass ebenfalls ab heute die Listen derbegehrenswerten Dinge veröffentlicht sind, die Italien an Regionen und Kommunen verschenkt: Parks, Baudenkmäler, ganze Strände. Die später, so das Dekret, nach http://www.settemuse.it/viaggi_italia_sardegna/foto_sassari/maddalena/isola_santo_stefano_01.JPGetwa erforderlicherAufwertung von den Beschenkten freihändig verkauft werden dürfen. Schon titeln die Zeitungen, dass etwa die Insel Santo Stefano im Golf von Gaeta ins Visier von Spekulanten geraten sei. Auf ihr befindet sich ein ehemaliges Gefängnis, in dem unter Mussolini unter anderem der spätere Präsident der Republik Sandro Pertini gefangen gehalten worden war. Das künftige Ressort bietet neben Historie und einer beachtlichen Bausubstanz auch noch ein Meeresschutzgebiet, auch wenn der Preis noch nicht bekannt ist. Saldi und Inseln, wenn das nur gut geht, denn im Gegensatz zum Breitenhandel wird dieser Schlussverkauf weder weiter angekündigt noch ausgeschrieben sein.

Und diesmal wird es auch keine Spaßbremse geben, die pingelig das Vergnügen verderben könnte. Dafür ist die potentielle Käuferschicht von Europa bis Asien und den mittleren Osten zu breit gestreut. Dort wird man es auch verschmerzen, dass vielleicht der eine oder andere Unvorsichtige bei „Vermittlungen“ auf der Strecke bleibt, man ist ja Kummer gewöhnt. Hauptsache es ist bekannt, dass hier am Ursprung des Geschäfts nicht ein windiger Verkauf, sondern ein Geschenk war. Wirklich ein Geschenk und rechtsgültig, von Ministerpräsident Berlusconi höchstpersönlich. Timeo Silvium et dona ferente.

(Teaserfoto: mario_ghezzi)

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

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