NRW-Wahl in der Auslandspresse online (*)

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Die italienische Presse hat für den Ausgang der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am vergangenen Sonntag nur eine Zusammenfassung: Verliererin der Wahl ist Bundeskanzlerin Merkel. Während sich der lokale Il Messaggero aus Rom, der konservativen Udc (Unione di Centro) und Pierferdinando Casini nahe, noch mit dem Titel begnügt: „Die CDU von Angela Merkel k.o.“, ist die linksliberale La Repubblica drastischer: „Für Merkel ist es ein Stalingrad. Bei den Wahlen .. in dem bevölkerungsreichsten und politisch besonders wichtigen Bundesland .. hat die Kanzlerin einen unvorhersehbaren Zusammenbruch erlebt.

Der Corriere della Sera verliert nicht viel in Einleitungen, sondern geht sofort auf die Folgen los: „Die Parteien der Mitte-rechts-Koalition der deutschen Kanzlerin haben mit der Niederlage an den Urnen auch die Mehrheit im föderalen Senat verloren.“ „Das Scheitern der schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf“, so das Blatt weiter, „ist auch eine Ohrfeige für die Regierung gleicher Farbe in Berlin, da der wahre Grund für das Wahldesaster .. das Zugeständnis zu den Milliardenhilfen an Griechenland ist.“ Der Verlust der Mehrheit in der Länderkammer ist auch Thema der Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: Die Niederlage „wird nationale Auswirkungen haben in einem für die Zukunft der Europäischen Union besonders delikaten Augenblick, die gegen eine Schuldenkrise kämpft. Die deutsche Regierung wird nicht mehr auf eine Mehrheit im Bundesrat zählen können und daher neue Kompromisse mit der Opposition finden müssen, was die Vorhersehbarkeit ihrer Politik mindert.Repubblica: „Von heute bis zum Ende der Legislaturperiode, also für die nächsten dreieinhalb Jahre, wird ganz Europa mit einem hinkenden Deutschland zu tun haben, das von einer schwachen Exekutive auf der ständigen Suche nach Kompromissen geführt wird.

Die europäische Perspektive findet sich vor allem in den französischen Zeitungen. Sie schreiben zwar nicht von einem Knock-Out der Kanzlerin, sondern von „camouflet“, einem Euphemismus für Niederlage. In der Sache sind sie allerdings wesentlich härter als in Italien. Der konservative Le Figaro sieht den Grund für den Wahlausgang, dass „die Wähler den chaotischen Beginn ihrer Regierungskoalition bestraft haben, die von dem Zaudern um die Krise in Griechenland gekennzeichnet ist.“ Und weiter: „Die europäischen Partner werfen der Kanzlerin vor, den Euro geschwächt zu haben, weil sie den griechischen Vorgang gebremst hat. … Am Sonntag musste Präsident Barack Obama wiederum, zum dritten Mal in zwei Tagen, mit der Kanzlerin telefonieren, um „energische Maßnahmen“ einzufordern, die den Märkten wieder Zuversicht geben.“ Figaro sieht die Koalition in Berlin kurz vor einer „Implosion. Die Unmöglichkeit, den Koalitionsvertrag mit den Liberalen einzuhalten, wird die Wirkung nicht verfehlen, das Klima der Verbündeten noch weiter zu vergiften.“ In ganz ähnlicher Tonlage sind die frühen, also noch sehr kurzen Artikel von Le Monde und Libération gefaßt.

Der Corriere della Sera vermerkt abschließend, wie sich Spiegel online darüber auslässt, dass „zwei der öffentlich-rechtlichen Sender einen Krimi und eine Telenovela nach einem weiteren der Romane der englischen Schriftstellerin Rosamunde Pilcher ausgesendet haben, statt dem Wahlerdbeben mehr Platz einzuräumen.“ Italiens Presse ist da besonders sensibel.


(*) Wenn es den einen oder anderen Leser gibt, der aus „seinem“ Land die Medien auswerten kann: Sehr willkommen

(editiert um 15:30: Tags verändert)

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

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