Seltsam, dass ich die Bombe nicht lieben kann

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Jakob Augstein und Nikolaus Blome setzen multimedial ein Narrativ zu „Israel versus Iran – Krieg gegen die Bombe“. Bei der Besetzung stellt sich die Frage nach dem Plot und seine Wirkung auf das Publikum

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Nicht. Zumal es „AugsteinundBlome“ zufolge bei Israel versus Iran -man beachte die Reihenfolge- unisono doch nur um ein Spiel geht. Kein Fußball-, sondern um ein Pokerspiel, wie beide es nennen.

Dumm nur, dass einem dieser gleich zu Beginn der Sendung verwendete Vergleich böse quer im Hals stecken bleibt. Spieler stellvertretend für Leute an einem Drücker, Chips die ganz realen Menschenleben sind und hin und her geschoben werden, so dass damit die Mächte, die solches tun, vorgeführt würden?

Nein, denn wo es um das konkrete Töten geht -um die Auswirkungen einer Atomexplosion- findet Augstein ebenfalls nur einen distanzierten, den geographischen Vergleich. Das sei wie Hessen, das dann nicht mehr existiere. Dass im Falle Israels 7,7 Millionen Menschen zerfetzt, verglüht, verstrahlt würden, bringt der Mann nicht über die Lippen. Blome auch nicht. Und doch wären das mehr als alle Toten der Shoah. Wie viele es wohl im Iran wären?

Die Haltung ist also ganz ernst gemeint, keine Metapher, die den Sachverhalt vielleicht erträglicher machte. Und in der Tat finden die im Zusammenhang künftig Betroffenen, die Bewohner Israels und des Iran, mit keinem Wort Erwähnung. Verschanzt hinter ihren jeweiligen Stehpulten, ergehen sich die Hobby-Strategen in Erwägungen über „preemptive strikes“ oder „strategische Zweideutigkeiten“, über „Staatsräson“. Nur einmal wird das Duo persönlich, als Blome vom „Irren von Teheran“ spricht, einen Namen erwähnt und Augstein ihm nicht entgegnet.

Embedded Journalism der schlimmsten Sorte, denn er findet nicht mitten in einer Kriegshandlung statt, sondern in dessen Vorfeld, im Uner- wie Ungeklärten. In seltener Einmütigkeit liefern die vorgeblichen Kontrahenten Augstein & Blome die Argumente, die eine tatsächliche Kriegsführung zu begründen geeignet sind; sie sind Teil dessen, was sie als Spiel bezeichnen. Das ist kein Novum. Auch das Bild vom „kranken Mann am Bosporus“ war ein willkommenes Vehikel zum Transport: Für oder gegen die Stabilisierung des Osmanischen Reiches. Der Rest dieser Episode, die zu blutiger Geschichte wurde, darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Im Gegensatz zu jener Zeit, da alles im Erwachen des nationalen Gedankens förmlich glühte, wäre heute zu erwarten, dass angesprochen wird, wie es sich verhält.

Etwa damit, dass Kerntechnik ohne Krieg undenkbar ist. Er war ihr Ursprungsgrund, gleich ob bei der Erforschung in Deutschland, Japan, der Sowjetunion oder im Manhattan-Projekt. Oder damit, dass Europa Atomanlagen in nordafrikanische Länder verkauft hat, die schon lange als unsichere Kantonisten feststanden. Drei Jahre nach Abschluss der Verträge brach dort der arabische Frühling aus.

Wäre es vorstellbar, dass in 10 oder 20 Jahren, wenn die Anlagen betrieben werden, Parteien in einem etwaigen Konflikt der Versuchung widerstehen würden, sich zum Bau kleiner, sog. „schmutziger Bomben“ in den Depots der AKW zu bedienen?

Die Antwort lautet zwangsläufig nein, denn derartiges Zeug ist ohnehin schon seit Jahrzehnten Grundrüstzeug und nennt sich Uranmunition. Schmutzig wird es erst, wenn die Verwender nicht in die Legende von der „sauberen Atomkraft“ passen: Sie sind dann zwangsläufig Terroristen oder irr, am liebsten in Kombination. Sauber ist nur, wer einwandfrei die Macht und ihre Mittel in der Hand hält. Aber wer mag sich schon die Ungereimtheiten zu Gemüte führen, wenn das Fleisch von den Knochen fällt. Nun also Krieg um die immerschmutzige Bombe, was uns in Deutschland als Glücksspiel live (wer Phoenix schaut), per Stream (Phoenix, BILD, der Freitag) und Netzforen verkauft wird.

Dass das tatsächlich mit Glück zu tun hat und weit weniger mit psychologischen Studien, derer sich Spieler berühmen, um eine Partie zu „lesen“ und „berechenbar“ zu machen, hat Stanley Kubrick bereits 1968 überspitzt.

Der Irrationalität setzte er in „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“ ein groteskes Denkmal. Nicht nur mit der Frage, wer wohl das „Ich“ sein könnte, wenn die Menschheit ausgerottet ist. Sondern mit dem banalsten der denkbaren Umstände, dass die ultimative Zerstörung vermittels fortschrittlichstes Kriegstechnik und entgegen aller letzter Vernunft von einer Kleinigkeit abhängt: Einem defekten Funkgerät.

Dabei würde möglicherweise sogar ein Kubrick heute an seine Grenzen stoßen. Denn entgegen aller vernünftigen Verkündung von Non-Proliferation ist der nukleare Overkill keine Frage mehr, um wie viele Male zwei Mächte in der Lage wären, den Rest der Menschheit auszulöschen. Sie lautet nun, wie vieler Atommächte es wohl bedarf, um von kollektiver Suizidgefährdung zu sprechen. Wie viele Finger bereit sind, den Schalter umzulegen, hat noch niemand errechnet.

Augstein & Blome ist nichts vorzuwerfen, schon gar nicht schlechter Geschmack. Denn ihre entpersönlichte Sprache, die eine ebensolche Sicht der Dinge reflektiert, ist mehr als nur eine Ohrfeige an den Humanismus: Sie sind davor zurückgeschreckt, die größte menschliche Schwäche anzusprechen, die der Fehlbarkeit im Glauben an die Unfehlbarkeit. Das ist Selbstschutz, wer wollte es ihnen verdenken, speziell um den Jahrestag von Fukushima rum.

Dabei nimmt man es Nikolaus Blome ab, dass er den Ritt auf Bomben könnte. „Deutschland muss an Israels Seite stehen“, wie er es so und anders mehrfach formuliert hat, sagt: Auch in jedem Krieg, egal welchem.

Und Augstein? Man muss ja keine Überzeugungen haben. Es hätte gereicht, die im kleinen Kreis seiner Abonnenten bekannten Sätze eines Lutz Herden oder einer Ulrike Winkelmann schlagwortartig aufzupeppen, um wenigstens die unglaublichen Pointen des BILD-Sprechs im Sinne des „Schlagabtausches“ zu konterkarieren. Der soll immerhin Sache der Sendung sein. Er hätte sich auch Originelles einfallen lassen können: „Jedes Land, das ein AKW betreibt, ist Atommacht“ oder „Ein Entwicklungsland überschreitet die Schwelle, sobald es sich der Kernspaltung bedient“ oder „Hasta la vista Blombe, wir sehen uns dann im Humvee“. Das wäre Nahrung für das erweiterte Publikum gewesen.

Stattdessen hat er mich im Nachgang mit der Meldung befummelt, ihm sei aufgefallen, wie wenig die Sendung bei der Freitag online kommentiert worden sei.

Wie ihm erklären, ohne ihn zu verletzen, dass ich nach der Sendung meine Seele für einen Drink gegeben hätte. Und drauf und dran war, ganze Seiten mit einem Satz zu füllen, der mir noch nicht eingefallen war, aber so in Richtung Nutze den Tag

Jetzt sind es ein paar mehr geworden, auch das Hackebeilchen lächelt nicht mehr. Aber die Unruhe nach dem Horror ist immer noch da: Es war der falsche Film, und das passiert mir nicht noch einmal. e2m

[mit Bildchen für den besonderen Geschmack und zuerst veröffentlicht bei die Ausrufer]

Tags: Augstein Blome Atombombe Krieg

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

ed2murrow

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