Steigert Eure Leistung!

Doping Ein Verdacht in der Schneelandschaft von Sotchi? Schaut nach Mainhattan

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Steigert Eure Leistung!

Foto: Oli Scarff/ AFP/ Getty Images

Weder ist der Name schon bekannt, noch die Sportart. Aber dass in der deutschen Mannschaft gedopt worden sei bei diesen Winterspielen im Zeichen der fünf Ringe, ist jetzt ein Verdacht. In anderen als den deutschen Medien werden zur Stunde, da ich dies schreibe und die B-Probe nicht geöffnet und damit ein Verdacht erhärtet wäre, Name und Disziplin bereits kolportiert.

Nehmen es die KollegInnen anderswo mit der Verdachtsberichterstattung etwa nicht so genau? Oder ist Doping bei Olympia derart unausweichlich, dass ausgerechnet die Mannschaft, die die wissenschaftliche Prüfung der Reinheit wie eine Monstranz vor sich her trägt, nun als Erste berührt wird? Jan Ulrich und Claudia Pechstein, so viel steht fest, könnten ganz sicher ein eigenes Lied davon singen. In ihren Chor wird demnächst eine weitere Person einstimmen. Sie haben und sie hat mit dem jetzigen, angeblich positiven Befund schon nichts mehr zu tun. Sehr wohl aber mit dem, was Leistungssport ist.

Die Zurichtung von Athleten auf funktionierende Maschinen, denen nicht nur jede politische Stellungnahme, sondern erst Recht die menschliche Anteilnahme wie das Tragen einer schwarzen Trauerbinde von höchster Stelle verwehrt wird, ist ein Spiegelbild: Alle Kraft solle sich konzentrieren und dort auf eine Disziplin, Ausdruck für die Arbeitsteilung des Sports. Die Disziplinierung ist davon nur die Folge, in Sotchi eine Unbarmherzige.

Wie anders, da auch jede(r) ArbeitnehmerIn ihre/seine vollständige Arbeitskraft dem Arbeitgeber schuldet. Denn die heutigen, sogenannten Profis des Sports, sind in einer mindestens so prekären Situation wie jede(r) Scheinselbständige: Erhalten Sie aus dem einen oder anderen, oft genug vorgeschobenen Grund keine Freigabe durch den Verband, sind sie an der Ausübung ihres Metiers gehindert. Das ist ein faktisches Berufsverbot.

Das Streben nach der Goldmedaille oder einer sonstigen Auszeichnung ist so besehen nicht lediglich eines nach Anerkennung: Sondern auch immer der Versuch der Emanzipation von der Fremdbestimmung hin zu einer wirklichen Unabhängigkeit. Der „eigene Coach“, das individuelle Trainingsprogramm, das sich-Trennen vom Corps der Mannschaft ist dann weder exzentrische Laune noch übersteigertes Ego - es ist die Grundvoraussetzung, sich als Individuum zu begreifen und zu behaupten. Aber mit verbotenen Mitteln?

Gehirnathleten, die unsere Welt zu regieren scheinen, sind davon die Ausnahme. Denn egal ob die Seine in Paris, der Main in Frankfurt oder die Gewässer um die New Yorker City: Sie wären, entnähme man ihnen kontinuierlich Proben wie die WADA am Harngang der SportlerInnen, der beständig fließende Beweis von Drogen, die das Ego befördern und kurzzeitig eine Leistungssteigerung bewirken. Sie sind das nur selten genutzte Beweismittel zur Erkenntnis, dass die Finanzzentren nicht nur im Winter schneebedeckt sind.

Die wirkliche oder imaginierte Notwendigkeit, vermittels Kokain durch eine neuronale Vorspiegelung größer zu scheinen als man ist, ist eine der Bankenviertel und der Kaufkraft. Das Sinnbild dessen, was die Welt im Innersten zusammenhält, wäre ein aufgeblähter, riesiger, das ganze Jahr überdauernde Schneesturm in den Gehirnen. Blasen wie die zu Immobilien oder New Markets würden auf die Mickrigkeit des spekulativen Gespinsts reduziert, gäbe es auch für Märkte eine Antidopingbehörde.

Mit Menschen, die mit Muskeln, großen Herzen und langem Atem ihre Haut zu Markte tragen, kann man es dagegen machen. Bis hin zu den planmäßigen Körperverletzungen durch die Nadelstiche der Blutproben, denen man sich unter der Androhung von Berufsverboten nicht entziehen kann. Das deutsche Publikum wird es wieder hinnehmen.

Denn ihm, dem deutschen Michel, ist es in Fleisch und Blut übergegangen, dass derartige Körperverletzungen rechtmäßig sind, wenn es vorher eine Einwilligung gegeben hat. Ob diese ihrerseits abgenötigt wurde, erst Recht durch ein System, das sich sportlich nennt, ist dem Durchschnittswahrnehmer schon wieder eine Skilänge zu weit weg und zu abstrakt.

So werden wir es auch weiterhin hinnehmen, wenn unsägliche Reporter mit vor Empörung vibrierender Stimme den Verfall dessen anprangern, worin Deutschland einst eine Supermacht war: Nach einer Uschi Disl, nach einer Magdalena Neuner, den Fischers, Greiss‘ und Kirchners nur eine Bronzene und ein vierter Platz in Schießen und Laufen.

Und kein Gedanke daran, dass der ohnehin prekäre Athlet, auch nicht besser oder schlechter als die Sesselfurzer von Systemrelevanz in Banken und Medien, sich von dem beeinflussen lassen, was sie zu sein hätten, statt sich dem zu widmen, was sie sind: Fehlerhaft.

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Geschrieben von

ed2murrow

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ed2murrow

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