Trolle voraus

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Niggemeier vs. Neven DuMont ist derzeit der Aufreger. Ausgangspunkt war der Blog des Journalisten Stefan Niggemeier „Eine systematische Störung“ vom 18. Oktober, wonach vom Rechner und per E-Mail-Adresse des Medienmanagers Konstantin Neven DuMont Niggemeiers Online-Präsenz von teils skurrilen, teils dezidiert beleidigenden Kommentaren überflutet worden war. Die Besonderheit: Der oder die Teilnehmer verwandten dazu stets wechselnde Nicknames und inszenierten einiges an dem, was man gemeinhin in der sog. virtuellen Welt als Flamewars bezeichnet. Bekanntlich hat Neven DuMont in der Folge zwar bestritten, selbst Autor der Flames zu sein. Gleichwohl hat er seinen Vorstandsposten im Imperium seines Vaters zur Verfügung gestellt und gedenkt, so seine Worte sinngemäß, sich ins Kreative zurück zu ziehen.

Durch die Veröffentlichung des Sachverhalts hat der Journalist Niggemeier eine seltsame Diskussion angestoßen. Spreeblick fragt etwa: „Darf man anonyme Trolle enttarnen?“ und listet einige Stimmen pro und contra auf. Es tauchen dabei Begriffe auf wie „Recht auf Anonymität“ oder „Persönlichkeitsrecht“. Sogar einem „Recht auf Gegenschlag“ wird das Wort geredet, oder einem „Exempel statuieren“. Interessanterweise wird dabei das Vorgehen des Journalisten eher kritisch ausgeleuchtet denn der eigentliche Ausgangspunkt, das störende Verhalten von Netz-Nutzern in den Kommentaren. Liegt das etwa daran, dass sich ohnehin alle darin einig sind, dass deren Verhalten tatbestandlich das ist, was man gemeinhin als Beleidigung im Rechtssinne anzusehen hat, keine Rede davon, dass der Bloginhaber Zeit und Technik aufwenden muss, um die Kaperung seiner Themen zu verhindern?

Die Skurrilität der jetzt stattfindenden Debatte liegt darin, dass offensichtlich kaum jemand der Diskutanten zu dem Thema sieht oder sehen will, was offensichtlicher nicht sein könnte: Das Netz, das www ist ein öffentlicher Raum, der integrierender und zumindest hierzulande integrierter Bestandteil des sozialen Gefüges ist, das sich Leben mit Mitmenschen nennt. Und zwar in all seinen Erscheinungsformen.

Hätte sich Niggemeier etwa als Redner betätigt und dem Publikum auf einer Vortragsreise vorgestellt, würde ihn kaum jemand dafür kritisiert haben, sachliche Diskussionsbeiträge zuzulassen und Störer alsbald zur Tür komplimentiert zu haben. Letztere wären, je nach Bekanntheitsgrad, sofort in aller Munde, wäre es der dynastische Nachfolger eines Tycoons, es verbreitete sich wie ein Lauffeuer (was es ja nun auch getan hat). Anonymität ist dabei nicht anders zu bewerten, weil Mensch im Netz unterwegs ist. Der freundliche Sitznachbar im Bus, den man nicht kennt und gleichwohl anspricht, wird sich gerne in ein Gespräch verwickeln lassen, wenn ihm danach ist. Andernfalls wird er die kalte Schulter zeigen und, sollte man insistieren, deutlich machen, dass er das aufdringliche Verhalten nicht wünscht. Begegnet man dem nun mit Beschimpfung, liegt es am Geschmack des Einzelnen, wie er darauf reagiert: Man kann die anderen Passagiere auf das sonderbare Verhalten aufmerksam machen, den Busfahrer einschalten oder in extremis Behörden.

Das ist weder ein Recht auf Gegenschlag noch hat es etwas mit einem Recht auf Anonymität zu tun. Das ist vielmehr Interaktion, wie sie täglich stattfindet, wenn man sich ganz real in die Öffentlichkeit begibt. Vielleicht sollte gelegentlich der Rechner ausgeschaltet werden, um zu schauen, wie das funktioniert, Sonderlinge eingeschlossen.

Startseitenfoto: Romana Klee / Flickr

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Geschrieben von

ed2murrow

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