"War On": Die religiöse Wende

USA Die umstrittene Exekutivorder gegen Terrorismus greift das laizistische Fundament der Vereinigten Staaten an

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Trumps Einreiseverbot gegen muslimische Länder hat im ganzen Land Proteste hervorgerufen – wie hier am Flughafen in Miami
Trumps Einreiseverbot gegen muslimische Länder hat im ganzen Land Proteste hervorgerufen – wie hier am Flughafen in Miami

Foto: Joe Raedle/AFP/Getty Images

Wäre es eine Lektion aus dem Lehrbuch für ideologische Kampfführung, sie wäre perfekt: Verwirrung stiften, um eine Heils- als Kernbotschaft unangefochten zu platzieren. So besehen ist, was sich nach dem Exekutivbefehl des derzeit amtierenden Präsidenten der USA vom 27.1. ereignet hat, der Clou. Zwischen weltweitem Chaos an Flughäfen, öffentlicher Empörung, gerichtlichen Eilverfahren und der generellen Verunsicherung auch sämtlicher involvierter Behörden steht die Parole von Amerikas Spitzenexekutive unangefochten: Wir sind nicht nur die Verteidiger der freien Welt, sondern der Christenheit.

Sehr vieles spricht ganz offenkundig dafür, dass die Order in Teilen rechtswidrig ist. Die Schlechterstellung von Flüchtlingen aus bestimmten Ländern entbehrt bislang der sachlichen Begründung und verstößt in der derzeitigen Form gegen das negative Diskriminierungsverbot. In Betracht kommt zusätzlich ein Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention.

Ein Bundesgesetz, das eine Konfession bevorzugt

Die zentrale Botschaft der Order aber lautet, christliche Flüchtlinge bzw. Asylantragsteller zu bevorzugen. Die ausdrückliche Festlegung auf eine Konfession fehlt zwar, und sie werden nur umschrieben: Als Personen, die aus religiösen Gründen verfolgt werden, "vorausgesetzt die Religion der Person ist eine Minderheitenreligion in dem Staat, dem das Individuum angehört". Die eindeutige Richtung hat der derzeit amtierende Präsident allerdings am gleichen Tag der Unterzeichnung im Interview gegenüber dem Sender Christian Broadcasting Network (CBN) bestätigt. Verbunden wurde die Festlegung mit der Ankündigung, Bundesrichter ernennen zu wollen, "die die Evangelikalen, die Christen lieben werden".

Dies ist zusammen mit der weitschweifigen Präambel des Exekutivbefehls in Section 1 die Abkehr von einem Prinzip, auf dem die USA von Anbeginn ihrer Geschichte an aufbaut: Dem des laizistischen Staates. So sehr die indiskriminierte Religionsfreiheit und ihre Ausübung geschützt sind, ist die strikte Trennung von Religion und Staat in Art. 6 der Verfassung sowie im 1. und 14. Zusatzartikel festgeschrieben. Aufrechterhalten wird sie unter anderem von einem Supreme Court, der bis in die Klassenräume staatlicher Schulen über die Abwesenheit religiöser Botschaften oder Inhalte wacht.

Die Exekutivorder ist kein bloßer Verwaltungsakt oder ein politisches Positionspapier. Sie ist Bundesgesetz, ausgehend von einer eigenständigen Gesetzgebungsinstanz der Vereinigten Staaten. Es dürfte das erste Mal in der Geschichte der USA sein, dass ein amtierender Präsident nicht nur offen einem Bekenntnis zuneigt, sondern dieses als Norm zu verankern versucht.

Ob dieser Aspekt in den gerichtlichen Verfahren wie die in New York oder Boston eine Rolle spielt, kann nicht gesagt werden. Die bisherigen Entscheidungen der beiden Bundesrichter (hier und hier) sind im summarischen Eilverfahren ergangen und ebenso allgemein formuliert. Näheres wird sich gegebenenfalls in den für die nächsten Wochen anberaumten mündlichen Verhandlungen ergeben.

Bis dahin jedenfalls bleibt der Umgestaltungsversuch in der staatlichen Ausrichtung vollumfänglich aufrecht. Auf Abhilfe, insbesondere auf eine baldige Aufhebung durch den Kongress zu hoffen, könnte umsonst sein. Auch wenn sich Führungspersonen der Republikaner fassungslos gezeigt haben: Jemanden schon zu Beginn seiner Amtszeit entscheidend zu schwächen, der als eigener Parteikandidat die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, ist ein schwieriges Unterfangen.

Was gegebenenfalls hinsichtlich der Schlechterstellung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern noch funktionieren könnte, dürfte bei der Bevorzugung, mithin der positiven Diskriminierung völlig aussichtslos sein. Denn hier haben die Demokraten selbst ein Problem. Auch deren Mandatare haben sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehr und mehr in einer öffentlichen Zuschaustellung christlicher Attribute und Riten geübt. Sie haben damit der wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung von Konfessionen Tribut gezollt. Das Dilemma ist hier noch offenkundiger: Das hehre Prinzip gegen den Gestus in die Waagschale zu werfen. In Fragen der Stellung der Frauen hat das bei Hillary Clinton schon nicht funktioniert - wie soll das bei dem noch abstrakteren Prinzip des Laizismus' funktionieren, wenn es um die Botschaft von der Rettung der Christen geht?

Fehlender Widerstand gegen positive Diskriminierung

Das Papier trägt in der inhaltlichen wie strategischen Ausrichtung die Handschrift von Stephen K. Bannon. Es ist die nun Gesetz gewordene Fortführung des -> "War on Culture", den Bannon zuerst mit Breitbart News geführt und dann als Wahlkampfstratege für Trump verfeinert hat. Die planmäßige Überschreitung von roten Linien des bisherigen Common Sense mit nachfolgender Skandalisierung hat dabei immer bereits den nächsten Schritt beinhaltet. Um es mit einem uralten chinesischen Strategem auszudrücken: Das Feuer wird benutzt, um einen Raub zu begehen.

Dabei wird letztlich das zentrale Credo derer bedient, die der Soziologe James Davison Hunter als "die Orthodoxen" bezeichnet hat ("Culture Wars: The Struggle to Define America", 1991): Die Schaffung von konsistenten, unveränderlichen und absoluten Maßstäben, begründet im Glauben. Was der paläokonservative republikanische Publizist Patrick "Pat" Buchanan 1992 als "religious war" und "struggle for the soul of America" bezeichnete, dürfte jetzt im Weißen Haus angekommen sein, um von dort aus weitergeführt zu werden.

Bannon weiß um die Stärke seiner Strategie. Als er am 26.1. wünschte, ausdrücklich zitiert zu werden, dass "die hiesigen Medien die Opposition" seien, hat er die Entwicklung im politischen Washington ab Erlass der Exekutivorder vorweg genommen. Auch seine unverhohlene Drohung, Medien sollten "ihren Mund halten und eine Weile zuhören" sollte nicht unterschätzt werden. Seit gestern ist der Berater des Präsidenten zum ständigen Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats aufgestiegen. Gleichzeitig wird die Medienarbeit des Weißen Hauses mit Weggefährten von Bannon verstärkt. Mit Julia Hahn und Sebastian Gorka erhalten einem Medienbericht zufolge zwei Schwergewichte von Breitbart News Zugang zu Ressourcen und Kanälen der Administration.

Mag es auch den Eindruck vermittelt haben, hier würden administrative Anfänger im Übereifer Fehler begehen: Der Wettbewerb um "religiöse Werte" nimmt an Fahrt auf, wie aus den heutigen Schlagzeilen von New York Times oder Washington Post zu ersehen ist. Aber nur in Bezug auf die Schlechterstellung von Muslimen. Wegen der Bevorzugung von Christen ist Opposition bislang nicht ersichtlich. Nirgends.

Update 3.2.2017, 12:30 Uhr: Das hat man jetzt auch bei der Washington Post zum Thema einer sehr schönen Karikatur gemacht

crossposting zu die Ausrufer

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Geschrieben von

ed2murrow

e2m aka Marian Schraube "zurück zu den wurzeln", sagte das trüffelschwein, bevor es den schuss hörte

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