Wie man die Maschine lieben lernt

Pflegeroboter Die Distanz zum Menschen wird auch emotional aufgebrochen. Mit welchen Folgen?

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Die Nachricht bei Reuters hat mich neugierig gemacht. Schauspielende Roboter gibt es ja viele, seitdem bewegte Bilder laufen lernten. Aber im Theater auf einer Bühne und dann noch als einer der Hauptdarsteller? Das klingt so skurril, wie nur Briten es sein können, dachte ich mir (okä, ich streiche das "nur", einen seltsamen Humor kann man auch bei uns im Karneval und Fasching besichtigen).

Nach ein wenig Recherche bin ich auf ein Video gestoßen, mit dem Autor und Regisseur Jon Welch, die Technik- firma Engineered Arts und das Ensemble Pipeline Theatre aus Cornwall für die Produktion 2015 zu einem Crowdfunding aufgerufen haben: Für die Produktion von "Spillikin - a love story".

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Seit Ende 2016 erfolgreich durch das Vereinigte Königreich auf Tour, erzählt das Stück eine recht einfache Story, die des Ehepaares Sally und Raymond. In Rückblenden erfahren die Zuschauer, wie sie sich kennen und lieben lernen, heiraten und kinderlos bleiben, dass er auf den Tod und sie an Alzheimer erkrankt. Und jetzt wird es ein klein weniger komplizierter: Raymond ist ein technikbesessener Sonderling, der sich Gedanken macht, wer seine Gefährtin begleiten wird, wenn er nicht mehr ist ... und damit zurecht kommt, dass Sally mehr und mehr ihr Gedächtnis verliert. Das Ergebnis ist Jonas, ein Robot, dem Raymond seine ganze Persönlichkeit einprogrammiert hat. Hier der Trailer, wobei ich mir wünschen würde, das Stück käme auch in Deutschland auf die Bühnen:

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Das lakonische Stichwort auf Deutsch lautet: Pflegeroboter. Dabei kommen so unterschiedliche Modelle zur Anwendung wie das Pflege- und Arzthelferlein Care-O-Bot,

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der nach Vorstellung seines Herstellers aber als modulares Modell in allen möglichen Situationen einsetzbar sein soll (http://www.care-o-bot-4.de/). Oder es wäre ein Lifter, der sorgfältig einen Patienten anheben kann, ohne dass sich PflegerInnen das Kreuz aushebeln. Dazu die Kurzreportage von NaNo vom 15. September 2016 unter dem Motto "Hilfe für Pfleger - kein Ersatz": http://www.3sat.de/mediathek/?obj=61482

Im seltsamen Kontrast dazu stehen allerdings humanoide Projekte vor allem aus Japan. Hier ist man über das Stadium des sogenannten Uncanny-Valley-Effekts schon hinaus. Affetto, ein androides Kleinkind von Asado Laboratory, hat nicht nur die (noch eingeschränkte) Bewegungsfähigkeit von Jonas aus dem Theaterstück. Das digital-mechanische Balg soll auch Gefühle wecken: "Roboter sind unsere Freunde. Habt keine Angst vor ihnen. Lasst sie uns benutzen und durch sie lernen", meint dazu Forschungsleiter Minoru Asada im Feature der Deutschen Welle. Dabei ist die bisherige Akzeptanz in Deutschland bis hin zur Rechtslage recht eindeutig: Roboter müssen meist isoliert vom Menschen arbeiten, weil sie nicht spüren, wenn sie dem Menschen gefährlich werden.

Durchbrochen wird das mit Paro. Seit 2004 im Handel, ist die "Kuschelrobbe" als "ein Roboter mit Charme" im Einsatz, wie es eine Reportage der Akademie der Schauspielkunst in Stuttgart berichtet, hauptsächlich in Pflegeheimen mit Demenzkranken:

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Auch hier wieder: Der Robot soll den Menschen nicht ersetzen. Ich persönlich halte das für eine fromme Lüge. Denn was wäre die "Vermittlung eines Gefühls" in Bezug auf einen Gegenstand anderes als ein Surrogat? Die wohl klarste, weil verwirrendste Auflösung bot vor vielen Jahren der Film "Bladerunner": Der Android, der auf der einen Seite zu dem Aufstand antritt, zu dem Menschen nicht mehr fähig erscheinen (Rutger Hauer in der Rolle des Roy Batty), auf der anderen Seite so verführerisch ist, dass seine Künstlichkeit keine Rolle mehr spielt (Sean Young in der Rolle der Rachael), um sich ihn zu verlieben. Wie Jon Welch das aufgelöst hat, weiß ich nicht, würde mich aber interessieren.

Am 12. und 13.9.2017 wird es von der Daimler und Benz Stiftung im Rahmen der Ladenburger Diskurse einen Workshop zu technischen, wirtschaftlichen, medizinischen und ethischen Reflexionen über Pflegeroboter geben. So prägend deren Themenbehandlung zum sogenannten autonomen Fahren gewesen ist, dürfte die Stiftung auch hier ein ernstes Wort mitreden. So leicht, wie der Sprachgebrauch von "automatisch" auf "autonom" bei PKW-Robotern umgeschwenkt ist, dürfte es allerdings umgekehrt in Bezug auf Menschen nicht fallen, selbst wenn sie krankheitsbedingt in ihrer Autonomie beschränkt sind. Wie ein deutscher Fahrzeughersteller mit menschlicher Würde umgeht, sollte spannend werden.

crossposting zu die Ausrufer

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Geschrieben von

ed2murrow

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