Deine Braunkohle - Freund des Klimaschutzes

Energiepolitik Wie RWE-Power-Vorstand Matthias Hartung mit späthoneckerscher Rhetorik hunderte Millionen Euro einstreicht und sich zum GröKlaZ ernennt

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"RWE Power - ein in der Welt geachtetes Energieunternehmen". Diese Schild steht noch nicht, beleuchtet von braunkohlestrombetriebenen Halogenscheinwerfern auf der Abraumhalde Frimmersdorf - dennoch legt Matthias Hartungs, seines Zeichens StaatsratsVorstandsvorsitzender der RWE Power AG, ein bemerkenswertes Statement zum märtyrerhaften Klimaschutzkampf seines Unternehmens vor. Schließlich zahle die Braunkohle "wie wohl kein anderer Sektor auf die nationalen und europäischen Klimaschutzziele" ein, lässt sich Hartung vernehmen - und verschweigt natürlich, wer in Wirklichkeit einzahlen muss.

Ein mit Milliarden Steuergeldern vergoldeter Dornröschenschlaf

Was passiert derzeit in Frimmersdorf? Das zunehmend unrentable und altersschwache Braunkohlekraftwerk soll in einen vierjährigen Dornröschenschlaf, die sogenannte "Sicherheitsreserve" gelegt werden. Die Kraftwerke müssen in einem Zustand gehalten werden, der eine Reaktivierung innerhalb von 10 Tagen plus eines Zeitfensters von 24 Stunden zur Wiederherstellung der vollen Nennleistung ermöglicht.

Dies macht RWE aber natürlich nicht umsonst, sondern gegen ein anständiges Stück eines enormen Subventionskuchens: Denn die Anlagenbetreiber MIBRAG, RWE und Vattenfall bekommen für die Sicherheitsbereitschaft insgesamt 1,61 Milliarden Euro, die die Stromverbraucher über ihre Netzentgelte bezahlen. Der selbstlose Klimaschutzeinsatz des Matthias Hartung ist also nur auf der Kostenseite selbstlos - gedeckt durch eine milliardenschwere Subvention ohne Beispiel.

Was ist die Sicherheitsreserve?

"Sicherheitsreserve" in der Stromversorgung - das klingt wichtig und staatstragend, ist aber in Wirklichkeit reichlich unnötig. Denn Strom wird an der Strombörse mittlerweile im Viertelstundentakt gehandelt. Angebot und Nachfrage lassen den Strompreis pro Megawattstunde um bis zu 70 Euro im Tagesverlauf schwanken. Das Stromnetz ist von einem statischen Versorgungsnetz zu einem hochdynamischen, komplexen System geworden, dass durch die Innovationen der Unternehmen aus dem Bereich der Erneubaren Energien im Gleichgewicht gehalten wird. Zum Ausleich des Netzes muss flexible Leistung innerhalb von Sekunden bis zu einigen Minuten bereitstehen - und nicht erst nach 11 Tagen.

Mit der Sicherheitsreserve werden daher alte Kraftwerke, die durch ihre Betriebs- , Klima- und Umweltkosten nicht mehr rentabel sind, in die profitable Altersteilzeit geschickt. Denn das tatsächlich eine Reaktivierung vorgenommen wird, dürfe mehr als unwahrscheinlich sein. Vergleich gefällig? Wer aus 100 Stundenkilometer bremst, möchte auch unmittelbar und nicht nach 11 Tagen eine Bremswirkung verspüren - denn dann hat er mit seinem Wagen schon die halbe Erde umrundet. Der Energiehandel hat sich jedenfalls vor dem ersten Kilowatt aus dem reaktivierten Frimmersdorf schon 960 Viertelstunden weitergedreht...

Die Hyperdunkelflaute schlägt zu

Spielen wir das Szenario dennoch einmal durch: Ein dunkler, kalter und windarmer Januartag: Die Dunkelflaute ist da, ein Schreckgespenst, dass insbesondere in der Springerpresse Hochalarmismus weckt - in deren bösesten Zeiten (Januar 2017) wir aber immernoch Strom ins Ausland exportiert haben, aber nun gut...

Wir gehen in unserem Szenario also von der bösesten, größten, denkbaren Hyperdunkelflaute aus, zusätzlich noch von einer vierzehntägigen Windstille im Januar, einem abgedrehten russischen Gashahn mit leeren Kavernenspeichern und einem Streik der Steinkohlekraftwerke.

Der Übertragungsnetzbetreiber bei RWE Power an: "Matthias, pack Frimmersdorf aus, wir brauchen 1000 Megawatt sonst geht heute Abend in Köln das Licht aus." Matthias packt aus - und elfTage später geht im Dom wieder das Licht an und die Abwärmewolken im Kölner Westen steigen wieder auf wie einst im Mai.

Sollte uns diese Sicherheit nicht 1,6 Milliarden Euro wert sein?

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