Aspekte zur Bundestagswahl - Teil 3

Parteienstaat Die Bundestagswahlen stehen unmittelbar bevor und werden, trotz eines schwindenden Rückhalts der Parteien in der Gesellschaft, die Parteienherrschaft weiter zementieren.

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Politik ohne Parteien

Wir haben beschrieben, welche Mechanismen zur aktuellen Situation geführt haben: Die im Grundgesetz vorgesehene Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung führte zu einem Monopol, dass Demokratie– eine Herrschaft des Volkes, wie der Name unterstellt – durch eine Parteienherrschaft ersetzt hat.

Der deutsche Psychiater und Philosoph Karl Jaspers hatte bereits in den 1960er-Jahren beklagt, dass die Parteien sich von Organen des Volkes zu Organen des Staates entwickelt hätten und dazu beitrügen, die Wirksamkeit des Volkes demokratiekonterkarierend zu minimieren.73 Die politischen Parteien haben sich den Staat faktisch angeeignet.

Dass das parlamentarische System nicht nur in einer tiefen Krise steckt, sondern am Ende seiner bedrohlichen Entwicklung angekommen ist, zeigen uns die ungelösten Problematiken, national und international. Im Übrigen geben Wahlergebnisse die Erwartungen und Überzeugungen der Wähler schon lange nicht mehr wieder. Die von der Bevölkerung beauftragten Parlamente und Regierungen spiegeln nicht das Bewusstsein und den Willen der Landesbewohner.

Ein Verbot von geplantem Verschleiß im Wirtschaftssystem, von Plastikabfall, von Massentierhaltung, von krankmachender Lebensmittelproduktion, von Naturzerstörung ist zwingend notwendig. Und was bekommen wir? Städte, Gemeinden, Regionen und Länder, die versuchen müssen, in einem ständigen Wettbewerb die Nachbarn zu dominieren. Wir wollen regionale Wirtschaftskreisläufe, Verbraucherschutz, fairen Handel, aber wir bekommen eine Diktatur des Kapitals, die all das ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Steigerung des eigenen Reichtums steuert. Wir wollen sichere Arbeitsplätze mit einer fairen und auskömmlichen Vergütung, doch wir bekommen Druck auf Arbeitsplätze- und Entgelte durch Produktionsbedingungen in Indien oder China. Wir wollen eine Zukunft für unsere Kinder in einer intakten Natur, stattdessen haben wir eine Welt bekommen, in der Angst vor der Zukunft vorherrscht: Angst vor den Folgen der Klimaveränderung, Angst vor Kriegen und Konflikten, Angst vor dem Morgen. Wir wollen Volksvertreter in den Parlamenten, die sich dafür einsetzen, unser Leben und das der gesamten Natur zukunftsfähig und friedvoll zu gestalten, doch was haben wir? Abgeordnete, die in politischen Zirkeln (Parteien) organisiert sind und nicht unabhängig vorgehen, sondern die Interessen der Partei vertreten, deren Führung von Meinungseliten mit kühler Berechnung unter Druck gesetzt werden und die dafür sorgen, dass sie in Abhängigkeit von deren Interessen agieren. Die Vertreter dieser Interessen prägen und lenken über die Presse die öffentliche Meinung. Das Gesetz des Handelns liegt zum großen Teil bereits bei einer wuchernden Eurobürokratie in Brüssel, bei dem Internationalen Währungsfonds in Washington, bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und bei der Welthandelsorganisation in Genf – alles Institutionen, die eng mit dem internationalen Finanzsektor verwoben sind. So wird nationale Politik von den Zielen der globalen Finanzwirtschaft ferngelenkt.

Die Geschichte von Ägypten bis Rom zeigt uns, dass jedes politische System ein Verfallsdatum hat. Für die Parteienherrschaft in Demokratien ist diese Zeit jetzt gekommen!

Global stehen uns tiefgreifende Umbrüche bevor, sowohl klimatisch als auch soziologisch und politisch. Wir stehen am Beginn einer ganz anderen Zivilisation. Die Interessen eines jeden Teils der Gesellschaften und der gesamten Natur müssen berücksichtigt und zweifellos den Partikularinteressen übergeordnet werden. Jetzt stellen sich die Fragen: Werden wir zu Opfern von Ereignissen, die über uns hereinbrechen und uns ein anderes Leben aufzwingen, oder können wir die Geschichte wenden und eine gemeinsame Vision für eine lebenswerte Zukunft entwickeln?

Vor etwa 200 Jahren entstanden die Nationalstaaten und haben überall in Europa die monarchischen Herrscher abgelöst. Jetzt ist es an der Zeit, erneut etwas grundlegend Neues entstehen zu lassen, damit wir gut gerüstet in die Zukunft gehen können. Mit einem radikalen grundlegenden Umbau der verkrusteten politischen Strukturen kann der Grundstein für ein friedvolles Zusammenleben der globalen Gesellschaften in einer intakten Umwelt gelegt werden.

Für diese grundlegende Transformation bedarf es einer Neuorientierung der Gesellschaftsziele. Nachfolgend eine realistische Aussicht:

Verfassung für Deutschland

Der Ökonom und Philosoph Prof. Dr. Wolfgang Berger hat im März 2019 in der Wissensmanufaktur (Institut für Wirtschaftsforschung und Gesellschaftskritik) ein Essay mit dem Titel Demokratie ohne Parteien74verfasst. Die Ausführungen dieses bemerkenswerten Mannes sind genial und zukunftsweisend. Sie zeigen uns einen realistisch-visionären Weg aus der vermeintlichen Sackgasse hin zu einer wahren Demokratie.

Dem deutschen Volk ist nach der Vereinigung von Ost- und Westdeutschland im Jahre 1990 gemäß Gesetz eine Verfassung in Aussicht gestellt worden. Die Organisatoren der Wiedervereinigung haben sich über diese Vorgabe des deutschen Grundgesetzes hinweggesetzt. Die Politiker haben den Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland einfach um das Gebiet der früheren Deutschen Demokratischen Republik erweitert, ohne das davon betroffene Volk in Ost oder West zu befragen.

Verfassungsreform gemäß Grundgesetz Artikel 146 GG

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

1762 hat Jean-Jaques Rousseau (Philosoph, Schriftsteller und Naturforscher) in seinem Du Contrat Social (Vom Gesellschaftsvertrag) das Konzept der Volkssouveränität als Prinzip legitimer politischer Herrschaft begründet. Danach steht das Volk als höchste Staatsgewalt über allen anderen Institutionen.

In unserem Land repräsentieren die politischen Parteien die höchste Staatsgewalt und beherrschen allen anderen Institutionen. Deshalb braucht Deutschland eine Verfassung, die vom Volk verstanden, akzeptiert und getragen wird – der das Volk zugestimmt hat. Erst wenn das erreicht ist, haben wir eine wahre Demokratie.

Prof. Dr. Berger erläutert, wie eine Verfassung die Erdrosselung unseres Gemeinwesens durch die Parteien in Deutschland beenden kann, und macht hierzu sieben Vorschläge:

  • Bei Bundestagswahlen bewerben sich in jedem Wahlkreis nur noch Direktkandidaten.
  • Der Kandidat, der in einem Wahlkreis die meisten Stimmen erhält, zieht in den Bundestag ein.
  • Landeslisten, die von den Parteien aufgestellt und mit der ›Zweitstimme‹ gewählt werden, gibt es nicht mehr. Weil Überhangmandate wegfallen, wird die Größe des Bundestages mehr als halbiert.
  • Kandidieren kann jeder Bürger, der im Wahlkreis wohnt und das passive Wahlrecht besitzt. Hierzu benötigt er 250 unterstützende Unterschriften von wahlberechtigten Mitbürgern aus dem Wahlkreis.
  • Es werden Personen gewählt, keine Parteien. Eine mögliche Parteizugehörigkeit von Kandidaten wird auf dem Wahlzettel nicht vermerkt (eine Zugehörigkeit zu einem Sportklub ja auch nicht).
  • Die Reihenfolge, in der die Kandidaten auf den Stimmzetteln stehen, wird ausgelost. Das beschränkt den sicheren Erfolg eines von der größten Partei aufgestellten Kandidaten.
  • Die zuständige Behörde organisiert öffentliche Veranstaltungen, bei denen die Kandidaten sich vorstellen.74

Für eine Verfassung muss allerdings noch sehr viel mehr geregelt werden. Zu ihrer Vorbereitung und Beratung wird eine verfassungsgebende Versammlung gebildet, ähnlich der, die das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland entworfen hat. Dieses ausdrücklich so genannte provisorische Grundgesetz75 wurde vom Parlamentarischen Rat beschlossen und konnte erst nach Genehmigung durch die westlichen Besatzungsmächte am 24. Mai 1949 in Kraft gesetzt werden. Der Parlamentarische Rat war eine von den Länderparlamenten der drei Westzonen gewählte Versammlung, die 65 stimmberechtigte und 5 nicht stimmberechtigte (aus West-Berlin) Mitglieder hatte. Sie tagte von September 1948 bis Juni 1949 in Bonn.

Prof. Dr. Berger schreibt, dass die neue verfassungsgebende Versammlung jetzt aus 100 Personen gebildet werden solle, denn 100 Personen seien arbeitsfähig, weil jeder jeden kenne, und meint weiter, dass 40 von ihnen Juristen, Wissenschaftler, Richter, Verwaltungsjuristen, Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Wahlbeamte und Parlamentarier sein sollten, die sich selbst vorschlagen oder von ihren Institutionen vorgeschlagen werden könnten.

Jedes Landesparlament würde aus dieser Vorschlagsliste eine anteilige Zahl von Personen auswählen und sie in die verfassungsgebende Versammlung entsenden. Nach Nordrhein-Westfalen 9, Bayern 6, Baden-Württemberg 5, Niedersachsen 4, Hessen 3, Sachsen, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein je 2 Mitglieder, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Bremen je 1 Mitglied. Diese Personen würden mit ¾-der Parlamentssitze gewählt. Diese Mehrheiten erreichten die Regierungsfraktionen der Landesparlamente nur, wenn sie die gesamte Opposition mit einbünden.

60 Mitglieder dieser Versammlung würden über die Einwohnerregister der Wahlberechtigten mit einer qualifizierten Zufallsauswahl aus der Mitte der Bevölkerung rekrutiert werden. Das Losverfahren orientiere sich neben regionalen an demografischen Kriterien (Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Beruf), sodass diese Vertreter die Struktur der Gesamtbevölkerung damit spiegeln würden. Zahlreiche Losdurchgänge würden so lange durchgeführt, bis die erzielte Auswahl der Zusammensetzung der Bevölkerung entspräche. Zusätzlich würden Ersatzkandidaten benannt, falls einzelne ausgeloste Bürger den Ruf zur Mitwirkung in der verfassungsgebenden Versammlung nicht annähmen.

Vorsitzender der verfassungsgebenden Versammlung sei ein Bundesrichter, der von den Mitgliedern der Versammlung mit einer ¾-Mehrheit gewählt werde. Bei Nichterreichen der erforderlichen Mehrheit würde ein weiterer Wahlgang angesetzt werden. Die Wahl des Vorsitzenden würde von einem Mitglied des Bundesverfassungsgerichts geleitet, das von diesem Gericht einvernehmlich dafür benannt werde.

Die organisatorische Starthilfe für die Versammlung obliege dem Bundespräsidenten. Die Versammlung wählte einen zentral in Deutschland gelegenen festen Tagungsort, der auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sei, z. B. Kassel.

Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung erhielten Kostenersatz und würden für ihre Tätigkeit entlohnt. Beamte, die man für die Mitwirkung in dieser Versammlung freistellte, erhalten keine Vergütung. Mitglieder der Versammlung, die durch ihre Mitarbeit einen Verdienstausfall erlitten, würden für ihre Mitwirkung gleichhoch vergütet. Als Richtgröße gelte der durchschnittliche nachgewiesene Verdienstausfall. Bei der Berechnung würden sehr hohe Einkommen nivelliert. Selbstständige, deren Betrieb durch ihre Mitwirkung gefährdet sei, würden je nach ihrer spezifischen Situation unterstützt. Berufsverbände stellten hierfür die Bearbeiter. Der Bundesfinanzminister erließe eine Durchführungsverordnung zur Vergütungsregelung.

(…) Der so erarbeitete Verfassungsentwurf muss von der Bevölkerung als oberstem Souverän in einer Volksabstimmung genehmigt und freigegeben werden. Der Prozess der Vorbereitung dieser Abstimmung wird die meisten Wähler veranlassen, sich mit dem Entwurf und seinen Folgen – also mit dem politischen System – zu beschäftigen. Wird der Entwurf vom Souverän – dem Volk – nicht gebilligt, muss erneut beraten werden. Für Diskussion und Meinungsbildung ist ausreichend Zeit vorzusehen. (…)74

Nach dieser Zäsur könnte Deutschland Vorreiter und Vorbild für eine ganz besondere Verfassung werden. Die Winde der Veränderung kündigen sich an und fordern uns auf mitzukommen. Unsere Demokratie wird nicht vergehen, weil die Parteien ihre Macht verlieren, im Gegenteil: Sie wird endlich wiedererwachen und aufblühen.

Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun und mit uns geschehen lassen. Und wir müssen nicht auf dem Boden der uns oktroyierten Tatsachen leben. Wir – das Volk – sind der Souverän. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Die Meinungsmacher der politischen Parteien haben uns schon viel zu lange die Wege verbaut, auf denen alle Menschen ihre Würde wiedererlangen können. Es sind die friedvollen Wege in uns, die zum Frieden in unserem Land und zum Frieden auf der Welt führen können.

Von allen bisher erprobten Gesellschaftsformen ist die Demokratie jene, die den menschlichen Eigenschaften und Bedürfnissen wie Vertrauen, Wertschätzung, Liebe, Empathie, Gemeinschaftssinn, Solidarität und Gerechtigkeit am nächsten kommt. Das hat die folgende Demokratieform schon ansatzweise erreicht:

Direkte Demokratie

Dass die skandinavischen Länder, Kanada, Australien und die Schweiz laut aktuellem Demokratieindex von 2019 die vollständigsten Demokratien haben und die Menschen dort überwiegend mit der Politik ihrer Regierungen zufrieden sind, haben wir schon im Teil 1 dieses Buches beschrieben. Die Gründe dafür sind zweifellos eine große Partizipation der Bürger bei politischen Entwürfen und Entscheidungen, aber vor allem bieten die nordischen Sozialstaaten einen umfassenden Schutz gegen soziale Risiken und investieren aktiv in ein lebenslanges Lernen. Die Integration in den Arbeitsmarkt möglichst aller Menschen zu humanen Bedingungen ist ein Merkmal dieser vorsorgenden Sozialstaatlichkeit, ein anderer die umfassend organisierten und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen. Diese Sozialpolitik der Nordländer ruht auf besonderen Institutionen und Traditionen. Sie ist in ein steuer- und fiskalpolitisches System eingebettet, in dem weitreichende Umverteilungen mit Prinzipien einer soliden öffentlichen Haushaltsführung kombiniert werden.76

Die Schweizer Bürger können, dank ihrer Tradition, über viele Fragen der politischen Ordnung durch Initiativen und Volksentscheide direkt mitbestimmen. Das führt dazu, dass sie wesentlich zufriedenere Demokraten als die Bürger hierzulande sind. Während im kleinen Nachbarland 88 Prozent der Bürger mit ihrer Staatsform zufrieden sind, sagen das in Deutschland nur 66 Prozent. So gesehen scheinen die verschiedenen Formen direkter Demokratie eine große Chance für die Gesellschaften zu sein, weil sie die Macht feiner verteilen, sodass alle Bürger das Recht und die Möglichkeit erhalten, immer wieder in politische Entscheidungsfindungen einzugreifen. Sie können auch Themen selbst vorschlagen. Das gibt den Menschen ein erhöhtes Freiheitsgefühl und führt zu einer politischen Kultur, die weniger Distanz zwischen Politik und Einwohner kennt. Zudem produziert diese Kultur gesprächsbereitere Politiker, weil jeder Volksvertreter weiß, dass häufig die Bürger das letzte Wort haben.

Ist das die dringend benötigte bessere Gesellschaftsordnung?

Können mit Übernahme dieser Demokratieform die geschilderten Entartungen durch Parteienherrschaft respektive Wirtschaftsinteressen in den parlamentarischen und präsidialen Demokratien beendet werden?

Die Antwort lautet Ja und Nein:

Nein, weil alle der hier genannten vollständigen Demokratien sich auch der weltweiten zerstörerischen kapitalistischen Wirtschaftsordnung unterworfen haben und weil auch sie Parteiensysteme haben, deren Politiker von Wirtschaftsinteressen gelenkt werden.

Beispiel Schweiz: Nestlé, der größte Nahrungsmittelhersteller der Welt (Jahresumsatz ca. 80 Milliarden Euro) ist wegen diverser Vergehen bei seinen globalen Aktivitäten in der Kritik. Kinderarbeit, unethische Förderung, Manipulation ungebildeter Mütter, Umweltverschmutzung, Preisabsprachen und Falschdeklarierung – das alles kann Nestlé. Auch wegen diverser Umweltvergehen als global größter Produzent von Flaschenwasser, gehört Nestlé zu den meistgehassten Konzernen der Welt.77

Und die Schweizer Banken? Die sind sehr erfolgreich. Sie machen das, was überwiegend zum Bankgeschäft gehört: Geschäfte ohne Moral. Sie unterstützten Unternehmen bei der Streubombenproduktion (verboten lt. UN-Konvention 2010), bei der weltweiten Palmölproduktion (die zu verheerenden Umweltschäden führt) und Despoten, die ihre Völker ausrauben, sowie Steuersünder und Kriminelle aller Art bringen ihre Gelder gerne zu Schweizer Banken, denn dort sind ihre Einlagen sicher.

Bei den Nordlichtern sieht es hinter dem Vorhang auch nicht nur rosig aus. Zum Beispiel die Dänen: Es stimmt, dass sie sich Umfragen zufolge für die glücklichsten Menschen auf Erden halten. Aber warum verschweigen sie dabei, dass sie hinter den Isländern den zweithöchsten Verbrauch an Antidepressiva aufzuweisen haben? Doch das schmutzigste Geheimnis, das sie haben, ist ihr ökologischer Fußabdruck. Er ist einem Bericht des Worldwide Fund for Nature zufolge der viertgrößte weltweit. Damit liegt Dänemark noch vor den USA. Hauptsächlich liegt das an der Herstellung elektrischer Energie, denn circa 57 Prozent des Strombedarfs wird durch Kohlekraftwerke erzeugt.78

Oder die Schweden: Die haben sich als neutrales Land fast unbemerkt zu einem der weltweit größten Waffenexporteure entwickelt und die Jugendarbeitslosigkeit ist dort höher als die in Großbritannien und liegt über dem europäischen Durchschnitt.

Über die Norweger sagt man, dass sie die fremdenfeindlichsten Skandinavier sind und sich mit ihrer Vorreiterrolle in Sachen erneuerbare Energien brüsten, dabei verkaufen sie dem Rest der Welt aber weiter Öl und Gas und häufen damit den größten staatlichen Rentenfonds weltweit an.

An diesen Beispielen, die deutlich die Wirkung des kapitalistisch orientieren Wirtschaftssystem, auch in den vollständigen Demokratien aufzeigen, konstatieren wir, dass eine Übernahme der direkten Demokratiesysteme keinesfalls zu einer grundlegenden Verbesserung der beschriebenen weltweiten gesellschaftlichen und ökologischen Tragödien führen können.

Ja, wenn diese Ordnung auf der Grundlage einer umfassenden Erneuerung der Verfassung basiert, die dem Schutz der gesamten Natur höchste Priorität verleiht. Von einem Schutz der Natur sind wir aber durch das Agieren der weltweiten Politik meilenweit entfernt. Machen wir uns nichts vor: Die Versuche der Weltgemeinschaft, die jetzt schon sichtbaren Folgen der Klimaveränderung sowie die Vergiftung der Böden, der Meere und des Trinkwassers aufzuhalten, sind am Festhalten der kapitalistischen Wirtschaftsordnung kläglich gescheitert. Ein Weiter so bedeutet, sich in absehbarer Zeit das Verschwinden der Menschheit von dieser Welt vorstellen zu müssen. Die Maßnahmen in Deutschland zur Bewahrung und Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen (Kohleausstieg bis 2035, Verbot der Produktion von Plastikstrohhalmen ab 2021, Einführung einer CO2-Steuer und Aufbruch in ein neues Zeitalter durch Akkumobilität) sind bezüglich der zu erwartenden Machbarkeit durch begrenzte Rohstoffe nicht nur absurd und lächerlich, sondern auch ein Zeichen unglaublicher Dummheit und Unfähigkeit der Eliten aus Wirtschaft und Politik. Außerdem sind die völlig unzureichenden Maßnahmen auch ein skrupelloser Anschlag auf das gesamte Leben der Erde und der Zukunftsfähigkeit der Menschheit.

Manche meinen, dass es egal sei; wenn der Planet ohnehin verloren ist, da könne man ja auch so weitermachen. Aber diese Denkweise ist falsch! Nicht nur wir sind davon überzeugt, dass die hier aufgeführten ökologischen Probleme und auch die Klimainstabilität ihre wesentliche Ursache im politischen und wirtschaftlichen Handlungsmuster der Eliten haben. Die Folgen sind unsere Trennung von Erde, Natur, Herz, Wahrheit, Liebe, Gemeinschaft und Mitgefühl.

Durch diese Erkenntnis, verstärkt durch das Referendum des bolivianischen Präsidenten Evo Morales zum Schutz der Mutter Erde, auf das wir in der Folge noch näher eingehen werden, sehen wir für die Menschheit, trotz der düsteren Prognosen eine durchaus realistische Möglichkeit, einen vollkommen anderen Weg zu gehen, der das bisher Bekannte völlig auf den Kopf stellt. Im folgenden Kapitel erklären wir den Pfad der Veränderung der, wenn er zu einer Bewegung wird, die Welt transformieren kann.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

GFG

Angehöriger der Gemeinschaft für Frieden und Gerechtigkeit, deren Ziel es ist, aktuelle politische Dissonanzen aufzuzeigen und darüber zu informieren.

GFG

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