Wer ist der Feind? Das ist in Terrorszenarien meist die entscheidende Frage. Was will er und was will das Szenario mit ihm? Populäre Terrorfiktionen sind immer auch Versuche, unsere Imagination mit Feindbildern zu bevölkern. Nach einigen Jahrzehnten hat Hollywood einiges durch: vom Alien bis zum Russen, vom Deutschen über den Araber bis, neuerdings, zum Koreaner. Es gibt Moden, die mit der realen amerikanischen Konfrontationsgeschichte zu tun haben.
Und was tut der Feind? Allgemein gesprochen: Er droht, er attackiert und infiltriert. Aber warum? Er ist das Böse als Kehrseite des amerikanischen Guten (rechte Fantasie). Oder er sucht Vergeltung für das, was ihm das Imperium angetan hat (linke Fantasie). Oder er ist ein religiöser Fanatiker (anti-islamische Fantasie). Oder er möchte einfach aus übersteigertem Geltungsdrang Weltherrscher sein (kindische Fantasie).
Aus dem Hinterwald
Seit 24, der Fernsehserie, mit der die Terrorimaginationen in Serie gingen, und erst recht seit Homeland, der folteraversen Antwort darauf, tritt eine andere Frage in den Vordergrund: Wo ist der Feind? Antwort: Er ist im eigenen Haus. Als Maulwurf in der Terrorbekämpfungsinstitution, aber das ist noch die harmlose Variante. Oder wir haben ihn uns als Trauma – und damit Wiederkehr der eigenen Untat – eingehandelt und können den Feind, der das Gesicht des Freundes hat, von diesem nur schwer unterscheiden; so ist das in Homeland. Und wie lässt sich dieser Feind im eigenen Haus zu symbolischer und ikonischer Gültigkeit steigern? Die Antwort liegt auf der Hand: Indem man ihn ins allereigenste Haus, das Amerika hat, eindringen lässt.
Es ist darum kein Zufall, dass in diesem Jahr zwei Blockbuster in die Kinos kommen, die sich ein identisches Szenario ausmalen: Die Truppen des Feindes nehmen das Weiße Haus im Sturm. Präsident in Gefahr, Olympus Has Fallen, White House Down. Für die Ideologiebeschau ist das schön, man kann gut vergleichen. Olympus Has Fallen (Regie: Antoine Fuqua) kam Mitte des Jahres eher von rechts, eher aus der B-Movie-Ecke, gab sich humorlos und malte uns die Terroristen koreanisch. Bei Roland Emmerichs White House Down steht dagegen der Feind selbst rechts, kommt aus dem amerikanischen Hinterwald und sieht auch so aus und/oder will den Iran ausradieren. Der MacGuffin ist in beiden Fällen derselbe: Es geht um die Codes für das amerikanische Nukleararsenal. Freilich sind die Ziele verschieden.
Identisch ist dagegen die Actionfilm-DNA. Nach dem Stirb Langsam-Modell wütet ein männlicher Held als Einzelkämpfer im besetzten Gebiet gegen den Feind, in diesem Fall also im zusehends heftiger lädierten Amtssitz des Präsidenten. In Olympus Has Fallen schmort der Präsident als Geisel hilflos im Bunker, in White House Down nimmt er (von Jamie Foxx als leicht schräger und aufgeblasener Obama gespielt) die Sneaker aus dem Regal und kämpft mit, während draußen seine Nachfolger des Amtes ausgesprochen schlecht walten. In diesem Szenario darf, sagt das Lehrbuch, ein Kind in Gefahr nicht fehlen. Ecce Präsidentensohn, ecce Einzelkämpfertochter.
Verwüsteter Garten
John Cale heißt der Emmerich-Held, mit bewusstem Anklang nicht an Velvet Underground, sondern an Bruce Willis’ John-McClane-Figur aus Stirb Langsam. Anderes klingt auch an, am schönsten Michael Murphy, der – wenn auch nicht für sehr lange – erreicht, was ihm in Robert Altmans brillanter Fernsehserie Tanner ’88 von 1988 verwehrt blieb: das Amt des amerikanischen Präsidenten. Und früh im Film macht Emmerich bei einer Führung durchs Weiße Haus einen selbstreferenziellen Scherz: Das, sagt einer, ist der Teil, der in Independence Day in die Luft flog. Willkommen in der Postmoderne!
Das Drehbuch ist überhaupt allzeit scherzbereit, James Vanderbilt (Zodiac, The Amazing Spider-Man) hat die Vorbilder aus den achtziger Jahren recht überzeugend rekonstruiert und dabei auf die Schurken besondere Liebe verwandt. Neben den hicks from the sticks, den Hinterwäldlern mit ihren Nazi-Tattoos, ist da James Woods als Chef der Leibwache, dem der Präsident in seiner Nahostpolitik einfach zu lasch ist. Das Innerste der Sicherheitsarchitektur usurpiert ein Hacker, als Dirigent der Monitorwelt inszeniert, der Apple hasst und mit Beethovens Fünfter lautstark an die Tür des amerikanischen Volks klopft. Die Grenze zur Groteske wird mehr als einmal gestreift, aber lustvoll. Channing Tatum ist dagegen als straight gespielter McClane-Klon auf etwas verlorenem Posten. Er kämpft, schießt, klettert und fährt im Garten des Weißen Hauses diesen und die Präsidentenlimousine zu Schrott, bleibt dabei aber von Wundmalen frei, anders als der Präsident selbst. Dem rettet zu guter Letzt Abraham Lincoln das Leben.
Die politischen Akzente hat der Film Roland Emmerichs Initiative zu verdanken. Sie sind von schöner Naivität. In Vanderbilts Drehbuch ging es ursprünglich nur ums Geld. Nun ist der Auslöser der Terroraktivitäten der geplante Abzug aller amerikanischen Truppen aus dem Nahen Osten. Dagegen versammelt sich so ziemlich alles, was in Amerika rechts tickt. Nicht dass irgendwer irgendwas daran allzu ernst nimmt. Schutt, Asche, Knall und Fall gehen vor. Aber so gehört sich das auch.
Von Ekkehard Knörer erscheint in der Reihe booklet des Diaphanes-Verlags ein Band zur Serie Battlestar Galactica
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