Hitlers Attentäter

Biopic Oliver Hirschbiegels „Elser“ wirkt wie ein pädagogisch wertvolles Schultheaterstück mit Pappkameraden
Ausgabe 15/2015

Jüngst war Christian Friedel noch der Selbstmörder Heinrich von Kleist, in Jessica Hausners hochintelligentem Historienfilm Amour Fou: ein Mann, dessen Motivlage zugleich scharf gezeichnet wird und völlig unerklärt bleibt. Als fast leere Figur und Sprechapparat stand Friedel da und stellte sich in die grandios komponierten Tableaus. Diesen Christian Friedel nun in Oliver Hirschbiegels Biopic Elser wiederzusehen ist ein ziemlicher Schock: In einem so groben Szenario verliert auch sein Spiel alle Subtilität.

Hirschbiegel und sein Vater/Tochter-Drehbuchteam Léonie-Claire und Fred Breinersdorfer wollen die Geschichte des desaströs gescheiterten Hitler-Attentäters Georg Elser erzählen. Das tun sie. Und zwar als Film in jener mittleren Historienfilmlage, die bei den meisten Geschichtslehrern sicher gut ankommt. Filmkunst heißt hier bestenfalls gutes Handwerk, ansonsten wird auf allen Ebenen Erklärbarkeit zelebriert. Anders als etwa Bryan Singers viel besserer Stauffenberg-Film Walküre macht sich Elser mit Genremitteln wie Spannungsaufbau die Finger gar nicht erst schmutzig. Nur hat er, was er stattdessen doch bräuchte, eine durchgearbeitete Idee dazu nämlich, was so ein Film sein kann oder muss, ebenfalls nicht.

Die Szene des Attentats selbst stellt er an den Beginn, macht damit aber kurzen Prozess. Nicht als einen zum Beispiel, der 30 Tage lang heimlich Nacht für Nacht eine Säule im Münchner Bürgerbräukeller aushöhlt, um die Bombe dort zu platzieren; nicht also als einen, der mit unendlicher Geduld und Mühe seine Überzeugung in eine tödliche Tat umzusetzen versucht, stellt Hirschbiegel seine Titelfigur vor. Es müssen die zitternden Finger und die bei der Vorbereitung wundgeriebenen Knie als brutale Abkürzung des Attentatszusammenhangs genügen. Zu allem Überfluss stehen zur Eröffnung des Films noch ein recht aufwendig inszenierter Hitler und die jubelnden Seinen im Zentrum. Der Durst nach Bildern des Führers ist wohl niemals zu löschen.

Danach springt das Buch in ein bewährtes Schema, wechselt vom Verhör Elsers in dessen Vergangenheit im Dorf Königsbronn und wieder zurück. Die Folterszenen spart Hirschbiegel keineswegs aus, die derweil regungslos auf dem Flur sitzende Protokollantin signalisiert wohl die Verrohung der Zeit. Neben dem schreienden, kotzenden Elser steht als verhörender Reichskriminalamtschef Nebe Burghart Klaußner herum, der die Figur spielt, als hätte er (oder sie) immerwährenden Harndrang. Über das einschlägige historische Pappkameradenschultheater, das schon den Untergang prägte, kommt Hirschbiegel auch hier nicht hinaus. Ersatz für die leider ernst gemeinte virtuose Hitler-Schmiere von Bruno Ganz gibt’s allerdings nicht.

Ganz anders als die finstere Gegenwart sieht Elsers Vergangenheit aus. In Königsbronn, einem Kaff in der Schwäbischen Alb, geht es zwar dialektal wüst durcheinander (Christian Friedels Elser spricht seltsamerweise meist recht hochdeutsch), aber zunächst ist alles noch lichtdurchflutete Zukunft. Der junge Georg Elser wird porträtiert als ein Mann, der singt und schwimmt und tanzt, und Sex hat er auch. Wie sich das für ein mediokres Biopic gehört, darf eine Liebesgeschichte nicht fehlen. Katharina Schüttler gibt diese historisch so oder ähnlich verbürgte, aber überflüssige Figur. Dann immer mehr Nazis im Dorf, Elser korrigiert die Graffiti-Orthografie, weiter Verhör, dann Geständnis; Buch und Regie malen rote Bäckchen aufs ereignishistorisch Bekannte.

Weil Elser als Kommunist in der westlichen Erinnerungskonkurrenz mit dem deutschen Widerstandsadel nie mithalten konnte, hat Elser auf einer Ebene, auf die sich der Zusammenhang von Kunst und Politik in Deutschland gern reduziert, vermutlich sogar seine Verdienste. Als Film macht ihn das nicht besser. Da ist und bleibt er von Herzen egal.

Film

Elser Oliver Hirschbiegel D 2015, 114 Minuten

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Geschrieben von

Ekkehard Knörer

Redakteur Merkur und Cargo.

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