Der Poker um die Macht

Madrid Obwohl der spanische Regierungschef von allen großen potentiellen Koalitionspartnern bisher nur Absagen kassiert hat, gibt sich Mariano Rajoy siegessicher.

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Manchmal muss man nur lange genug warten, bis die Dinge sich von alleine regeln. Rajoy könnte als Ministerpräsident wiedergewählt werden, weil sich seine Gegner gerade selbst zerfleischen.

Ciudadanos im Zick Zack

Die konservative Newcomerpartei Ciudadanos befindet sich seit den Wahlen auf Schlingerkurs und hat ein gerüttelt Maß an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Im Wahlkampf schloss Parteichef Albert Rivera die Wiederwahl Rajoys stets aus. Ciudadanos werde eine erneute Inthronisierung der alten korrupten Garden nicht unterstützen. Nach der Wahl plädierte Rivera plötzlich für die Wiederwahl Rajoys, um eine stabile Regierung zu garantieren. Jetzt will er sich doch wieder enthalten und schiebt den Schwarzen Peter den Sozialisten zu. Wenn diese sich ebenfalls enthielten könnte Rajoy wieder Ministerpräsident werden. Womit sich Rivera, trotz Enthaltung, doch für eine Investitur Rajoys einsetzt. Statt mit der Volkspartei zu koalieren setzt Rivera nun wieder auf eine konstruktive Opposition. Aber auch nicht ganz, denn gleichzeitig fordert er einen Dreierpakt PP, PSOE und Ciudadanos. Klar ist nur Riveras Absage an eine Zusammenarbeit mit Podemos.

PSOE in der Sackgasse

Unterdessen hängt das politische Schicksal von PSOE- Parteichef Pedro Sanchez am seidenen Faden. Auf der PSOE-Generalversammlung nach der Wahl wurde der Parteivorsitzende heftig kritisiert und musste weitreichende Zugeständnisse machen. Viele PSOE-Barone beobachten Sanchez Flirt mit der Linkspartei Podemos mit Argusaugen. Zwar konnten die Sozialisten, nach den Kommunalwahlen im Frühjahr, die Volkspartei durch Koalitionen mit Podemos aus vielen Regionalparlamenten verdrängen. Der Preis dafür waren aber herbe Stimmenverluste, vor allem durch Wähler die zu Podemos abgewandert sind. Am Ende rangen sich die Parteivorsitzenden trotzdem dazu durch, eine Linkskoalition auszuloten, aber dem von Podemos geforderten Referendum zur Selbstbestimmung in Katalonien eine klare Absage zu erteilen. Damit rückt eine Einigung mit Podemos in weite Ferne und die Strategie einer Linksregierung des 43-Jährigen Parteichefs könnte scheitern. Da Sanchez die Investitur eines Ministerpräsidenten aus den Reihen der Volkspartei grundsätzlich ablehnt, darf sich Rajoy auch weiterhin sicher fühlen und muss keine Palastrevolte fürchten. Sanchez dagegen schon: Noch wird es nicht offen ausgesprochen, aber einige Parteifürsten fordern den Kopf des PSOE-Vorsitzenden. Es ist die Rede von einem Parteitag, der anberaumt werden soll, um eine neue Parteiführung zu wählen. Zieht sich die PSOE also am Ende mit einem neuen Parteivorsitzenden in den sicheren Schoß der Opposition zurück, oder wird sie gar mit der PP paktieren?

Eine große Koalition?

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Das ist derzeit die Volkspartei. Man halte die Kandidatur Rajoys aufrecht und sei zuversichtlich, dass es gelingen werde eine stabile Regierung zu bilden, frohlockt der Vizesekretär der PP Martinez Maillo. Dabei schielt die PP vor allem in Richtung PSOE. Trotz des „Nein“ von Sanchez zur Investitur Rajoys sei die Volkspartei weiterhin für Gespräche offen. Eine Einladung der Konservativen zur großen Koalition nach deutschem Vorbild?

Das käme im Falle der Sozialisten fast einem politischen Selbstmord gleich. Denn eine große Koalition hieße für die PSOE einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust. Während in Deutschland die Unterschiede zwischen SPD und CDU fließend sind, liegen zwischen PSOE und PP Welten.

Oder läuft am Ende doch alles auf eine Minderheitsregierung der Volkspartei hinaus? Mit der PSOE und den Newcomerparteien in der Opposition und wechselnden Pakten?

Podemos wackelt nicht

Die einzige Partei die Kurs hält ist Podemos. Ein Nein ohne wenn und aber zu Rajoy, und klare Bedingungen für Verhandlungen mit der PSOE. Allerdings ist Podemos-Chef Pablo Iglesias skeptisch. Ein erstes Treffen mit Pedro Sanchez an Weihnachten sei "hochgradig entäuschend" verlaufen. Iglesias glaubt, dass Sanchez dem Druck aus den eigenen Reihen sowie der konservativen Parteien nicht standhalten werde. Am Ende, schätzt der Podemos-Chef, würden Ciudadanos, PSOE und PP paktieren, um Rajoy wieder auf den Schild zu heben.

Was wird aus Rajoy?

Wird also der alte Ministerpräsident doch wieder der Neue? Rajoy braucht eigentlich nur die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten. Den Rest erledigen die anderen Parteien für ihn. Und je länger der Hick Hack dauert, desto besser für die Volkspartei, die aus der Schusslinie ist und schon im Wahlkampf vor dem "Chaos" gewarnt hat.

Eines scheint derzeit zumindest sicher: Die meisten Parteien fürchten sich vor Neuwahlen. Denn einziger Gewinner wäre nach derzeitigen Umfragen Podemos. Vor allem Ciudadanos aber auch die PSOE würden Stimmen verlieren und die PP nichts hinzugewinnen.

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