Es gibt eine griechische, deutsche, französische, Kunst, aber keine Kunst an sich. Unsere Kunst wird um so besser, desto mehr sie slowenisch sein wird." Seit über zwanzig Jahren irritieren Mitglieder des Künstlerkollektivs NSK Mitbürger und Kunstwelt mit ihren Aussagen. Die Neue Slowenische Kunst, deren deutscher Name bereits provokatives Programm bedeutet, steht seit Mitte der achtziger Jahre für Eklektizismus, ironische Reflektion von Politik und Gesellschaft sowie subversive Kunstaktionen. Ihr hemmungsloses Spiel mit politischen Zeichen und Symbolen findet seine Höhepunkte stets in den ultra-provokanten Auftritten der Rockgruppe Laibach, die zuletzt 2003 in Nazi-Uniformen durch das belebte Einkaufszentrum der Hauptstadt Ljubljana marschierten und auf diese
se Weise den Finger in die Wunde des aufkeimenden Nationalismus zu legen suchten. Noch immer spielt NSK in der slowenischen Kunst(-aktions)- und Musik-Szene eine unbestrittene Vorreiterrolle, weckt hohe Erwartungen an die Möglichkeiten, fehlläufige politische und gesellschaftliche Entwicklungen mit allen Mitteln und nach allen Regeln der Kunst zu entblößen.Doch wer darauf hoffte, auch nur einen Hauch dieser intelligenten Subversion auf dem Festival für zeitgenössischen Tanz wieder zu finden, wurde enttäuscht. Aus über 60 Bewerbungen freier zeitgenössischer Tanzkompanien hatte eine dreiköpfige Jury rund zwanzig Produktionen zur Präsentation ausgewählt, darunter die beiden großen Namen der nationalen Szene, den Choreographen Emil Hrvatin und die Gruppe En-Knapp. Deren Chef Iztok Kovac hat sich in nach eigenen Angaben vom Genius Mozarts inspirieren lassen und in loser Szenenfolge ein Stück entwickelt, das vor allem durch die kinästhetische Ausdruckskraft seiner Tänzer besticht. Nicht glatt, nicht handzahm, nicht wohl ausgeführt, sondern ausgesprochen explosiv wirken die Bewegungen, die - einmal angesetzt - in der Ausführung noch einmal rasant beschleunigt werden. So außergewöhnlich die ungemein virtuos-dynamische Bewegungssprache auch ist, dramaturgisch und inhaltlich bleibt dabei in Mozart - Hype as I wanna be Vieles auf der Strecke - eine Schwäche, die exemplarisch für die Tendenz dieses Festivals steht.Zu sehen waren eine Vielzahl von mehr oder weniger hochgezüchteten Produktionen, die technik-orientiert, ja technik-verliebt erscheinen, wobei sich die Choreographen meistens keineswegs mit dem rein Formalistischen bescheiden, sondern versuchen, "konzeptionell", also ausgehend von einem Thema zu arbeiten und den Einsatz technischer Mittel mit inhaltlichen Ideen zu verbinden.So reagiert die Choreographin Snjezana Premus in ihrer Arbeit Amplified Body 2 nicht nur mit ihrem körperlichem Ausdruck auf den vielschichtigen Sound des DJ´s, sondern möchte damit zugleich die "Tatsache manifestieren", dass "in unserer zeitgenössischen Welt jedes Detail, jede singuläre Erscheinung in eine digitalisierte Form transformiert werden kann". In Ableitung dieser Beobachtung schafft sie einen Bühnenraum, in dem sie mit ihrem eigenen durch Digitalisierung verzerrten Abbild tanzt. Das könnte auch medienkritisch zu verstehen sein, erweist sich in der Umsetzung aber vor allem dekorativ, beliebig und irgendwann auch sehr langweilig.In Letters from the present lässt der Choreograph Neven Korda eine Tänzerin in einer geschlossenen Box tanzen; nur durch schmale Schlitze kann man Fragmente ihrer Bewegungen erhaschen; ihre Gesamterscheinung wird auf drei riesige Leinwände projiziert und - auch hier wieder - digital verfremdet. Dass der Betrachter der realen Tänzerin zum Spanner gemacht und die "Macht der Technologie und Medien" demonstriert werden soll, hat man relativ schnell begriffen. Aber der kritische Ansatz gefällt sich zu sehr in seiner hübschen technischen Umsetzung und erliegt auf diese Weise selbst der kritisierten Medien-Dominanz.Zahlreiche slowenische Choreographen arbeiten mit dem Einsatz von Video oder komplizierten Soundstrukturen; eklatant scheint dabei die nahezu völlige Abwesenheit von gesellschaftlich relevanten oder gar politischen Inhalten, statt dessen: ein Umkreisen eigener ästhetischer Gesetzmäßigkeiten, nett anzusehen, oberflächlich und - obwohl oder gerade weil es so schick daher kommt - auch sehr brav.Die Lust am Spielerischen, die Sehnsucht nach der blitzblanken Oberfläche und das Fehlen echter, substanzieller Inhalte werden auch von professionellen Beobachtern im eigenen Land kommentiert. Regisseur und Autor Rok Vevar, der dieses Tanzfestival mit-kuratiert hat, benennt das Problem sehr klar und führt damit das Phänomen des A-Politischen in einer Art Gegenbewegung aufs Politische zurück: der "liberale Kapitalismus", der Slowenien jetzt im Griff habe, gehe mit einem Verlust einher, dem Verlust von Utopien. Das Leben habe sich in eine Art Anti-Utopie verwandelt, so seine Bestandsaufnahme. Ein Verlust, fast mit den Händen zu greifen, der deswegen so deutlich spürbar sei, weil gerade die Menschen im ehemaligen Jugoslawien und insbesondere in Slowenien immer mit Utopien gelebt hätten, zum Beispiel der des Dritten Weges zwischen Kapitalismus und Sozialismus.Und tatsächlich: mit dem Wegfall dieser Utopien scheint eine gewisse Orientierungslosigkeit einherzugehen - und diese macht sich im Gegensatz zur slowenischen Kunstszene im zeitgenössischen Tanz des Landes gerade besonders deutlich bemerkbar.