(Berliner) Solid 2.0

Abspaltung Mit dem „Bündnis Junge Linke Berlin“ formierte sich eine neue linke Jugendgruppe, die sich als Teil der Linkspartei versteht. Was hat es mit der faktischen Rechtsabspaltung von Linksjugend ['solid] auf sich?

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Dass politische Differenzen innerhalb linker Strukturen, Strömungen und Organisationen teilweise in Abspaltungen münden, ist leider Normalität geworden. So traf es auch die Berliner Sektion der Linksjugend [‘solid]. Am 1. August formierte sich eine Gruppierung namens „Bündnis Junge Linke Berlin“ (BLJ), die für sich in Anspruch nimmt, junge Genoss*innen aus der Partei Die Linke Berlin zu sein. Wie sie zur Linksjugend stehen, ist bisher nicht bekannt, allerdings lässt sich anhand der jüngeren Ereignisse innerhalb der Berliner Linksjugend leicht ableiten, dass es sich hierbei wohl um eine Abspaltung von Genoss*innen handelt, die mit der Berliner Linie nicht (mehr) d’accord gehen. Bis dato ist die BLJ nur in den sogenannten „sozialen Netzwerken“ aktiv und positionierte sich schemenhaft bereits zur internationalen Politik. Ein Programm, Bekenntnis oder auch nur eine ausführliche Erklärung, um was es sich bei der BLJ handelt, bleibt (noch) aus. Das, was sie in den „sozialen Netzwerken“ von sich geben, deutet jedoch darauf hin, dass es sich um ein Projekt reformorientierter jungen Genoss*innen handelt, die auf dem rechten Flügel der Partei zu verorten sind.

Die Linksjugend Berlin ist darüber hinaus eine Rarität innerhalb der Bundesorganisation. Bekannt ist die Sektion durch ihre antizionistische und antiimperialistische Ausrichtung, die man innerhalb der Bundesorganisation nur selten zu Gesicht bekommt. Bei der Landesversammlung am 10. April 2022 wurde noch einmal die Haltung zum „Nahost-Konflikt“ und daraus zu ziehende Schlüsse verdeutlicht. Dem israelischen Staat wird vorgeworfen, ein „Apartheidregime“ zu sein, wobei betont wird, dass es sich beim Zionismus, in Anlehnung an Abraham Léon, grundsätzlich nur um einen „reaktionären Charakter“ handeln kann. Die antiimperialistische Komponente ist dabei nur die logische Schlussfolgerung, die auch darin mündet, sowohl mit jüdischen antizionistischen Organisationen zusammenzuarbeiten, als auch das uneingeschränkte Rückkehrrecht der Palästinenser*innen zu fordern. Diese eigentlich genuin revolutionäre und linke Forderungen stoßen besonders im deutschsprachigen Diskurs, so auch innerhalb linker Strukturen, auf viel Gegenwind.

Der Vorwurf, es handelt sich dabei um Antisemitismus, ist dabei ein gern gesehenes Werkzeug, um jeglichen analytischen Diskurs mundtot zu machen. So geschah und geschieht es auch im Umgang mit den Forderungen innerhalb der Berliner Sektion der Linksjugend, die viele Genoss*innen dazu bewegte, die Strukturen zu verlassen. Die BLJ scheint das neue Auffangbecken derjenigen zu sein, die sich von den Berliner Beschlüssen distanzieren, wobei der transatlantische Charakter deutlich wirkt. Auf Twitter und Instagram bezogen sie heute Stellung zum „Taiwan-Konflikt“, der von der Volksrepublik China als „abtrünnige Provinz“ bezeichnet wird. Sie machen die US-Position deutlich und befürworten indirekt die Reise der US-Demokratin Nancy Pelosi auf die Insel. Einseitig wird das (vermeintlich) aggressive Verhalten der Volksrepublik angesprochen, ohne auf den komplexen Charakter der Situation hinzuweisen, der die Frage zu “Taiwan” betrifft. Die Position zu “Taiwan” darf nicht als redundant oder willkürlich betrachtet werden, sondern ist als Festlegung der außenpolitischen Positionierung zu verstehen, die so auch im rechten Flügel der Linkspartei beheimatet ist.

Es ist daher nur konsequent, dass sie eine Veranstaltung des Berliner Linkspartei-Politikers Sebastian Schlüsselburg teilen, der sich zusammen mit Stefan Liebich die Frage stellt, wie sich die Vereinigten Staaten weiterentwickeln werden. Liebich war von 2013 bis 2018 Mitglied des transatlantischen Think-Tanks „Atlantik-Brücke“ und ist bekannt für seine proamerikanischen Positionen. Innerhalb der BLJ scheinen sich also Genoss*innen zu versammeln, die genau diesen Kurs gutheißen. In der Linksjugend Berlin scheinen sie dafür keine Mehrheiten zu gewinnen. Wenngleich sie sich auf Twitter als „feministisch, sozialistisch [und] antirassistisch“ bezeichnen, darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass es sich hierbei um eine faktische Abspaltung der Linksjugend handelt, die einen proamerikanischen und folglich auch rechtsreformistischen Kurs fahren und etablieren wollen.

Wie sich das Bündnis entwickeln wird, ist noch völlig offen. Ob es eine antideutsch-affine und reformistische Jugendorganisationen in der heutigen Zeit braucht, die von einer Verschärfung des Klassenkampfes in allen Teilen der Welt geprägt ist, ist ebenfalls fraglich wie die Ambitionen, die dahinterstecken. Dass sie eine Verankerung in den Massenorganisationen oder der Jugend erreichen, ist wohl zu verneinen. Wichtiger und notwendiger ist es daher, die bestehenden Strukturen innerhalb der Linksjugend Berlin zu festigen und zu verteidigen, denn angesichts der Klimakatastrophe und der faktischen Radikalisierung der herrschenden Klasse hilft nur die Überwindung des Kapitalismus, um für eine befreite und sozialistische Gesellschaft zu kämpfen. Die BLJ wird in letzter Konsequenz keine progressive, sondern hemmende, wenn nicht gar reaktionäre Rolle spielen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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